𝟑𝟔. 𝐈𝐭'𝐬 𝐚 𝐬𝐨𝐥𝐨 𝐬𝐨𝐧𝐠 𝐚𝐧𝐝 𝐢𝐭'𝐬 𝐨𝐧𝐥𝐲 𝐟𝐨𝐫 𝐭𝐡𝐞 𝐛𝐫𝐚𝐯𝐞

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Kapitel Sechsunddreißig
Letztes Kapitel

Was macht einen Mann oder einen Jungen aus? Ab wann bist du einer? Was musst du tun, um wie einer zu wirken?

Kommst du als Junge auf diese Welt, wirst du mit Erwartungen überhäuft. Deine Eltern, deine Mitmenschen, die Gesellschaft - sie alle haben Erwartungen an dich, die du niemals alle erfüllen kannst.

Sei stark, sagen sie, doch Stärke liegt nicht nur darin, stark zu sein.

Die meisten Männer schließen einfach ihre Augen und lassen alles passieren, schlucken Schmerz und Leid und verdrängen es. Du musst ja stark sein.

Bist du männlich, wenn du stark bist? Bist du männlich, wenn du andere beschützt? Bist du männlich, wenn du dich über andere stellst? Oder bist du nur männlich, wenn du mit einem Penis geboren wirst oder dich einfach wie ein Mann fühlst?

Ganz egal, bist du männlich, ist deine Rolle in der Gesellschaft vorgeschrieben.

Der Arbeiter, der Schützer, der Ernährer. Der Geber. Der, der den Staat vorantreibt. Der, der immer mehr Möglichkeiten und Chancen als Frauen haben wird.

Doch wie wirst du so? Was bringt die Welt den Jungen bei? Was wird gelehrt?

Sei stark. Hab gute Manieren. Verstecke deine Gefühle. Weinen ist unmännlich und lächerlich, also weine nicht. Kümmere dich um andere, aber nicht um dich selbst.

Verschließe dich. Du und deine Existenz haben nur einen Zweck: Die Gesellschaft vorantreiben, arbeiten, deine Familie ernähren. Heirate eine Frau. Zeuge Kinder und lehre ihnen das, was du von deinem Vater gelernt hat.

Suche dir einen guten Job. Verzichte auf deine Träume. Nimm das, was dich am besten voranbringt.

Sei machtvoll. Sei stärker als alle anderen. Sei schlauer, gerissener, willensstärker. Sei nicht schwach!
Sei nicht schwul. Sei nicht emotional oder sensibel. Schlucke deine Gefühle. Schlucke es runter. Keiner soll dir ansehen, wie du dich fühlst.

Probleme? Hast du nicht. Solltest du auch nicht haben. Du hast keine Probleme.

Steigere dich doch nicht in irgendwelche Kleinigkeiten 'rein! Es ist unwichtig. Solche Sachen passieren jeden Tag. Sei ein Mann!

Sei ein Mann. Sei ein Mann.

Es interessiert sich sowieso keiner für deine Probleme. Keiner will dir bei deinem jämmerlichen Selbstmitleid zuhören. Was würden andere Männer von dir denken?

Du hast keine Probleme. Und wenn doch, sind sie eh egal. Trink doch einfach ein Bier. Dadurch wird's besser.

Du sollst dich nicht für Kunst, Mode oder Bücher interessieren! Bist du ein Mädchen oder ein Mann? Die einzigen Gespräche, die du führen solltest, sind über Arbeit, Geld, darüber wie scheiße die Gesellschaft doch ist und dass du viel zu wenig verdienst.

Aber beschwere dich nicht. Es ist dein Leben. Du musst das selbst in den Griff kriegen. Wenn sich Gedanken oder Gefühle mal zeigen sollten, schluck' doch einfach eine Tablette.

Wie wäre es mit Antidepressivum? Das nehmen viele in deinem Alter. Das wird dir sicher helfen. Therapie? Was? Nein. Du gehst doch nicht zu einem Therapeuten! Da gehen doch nur Verrückte hin. Du bist doch ein Mann! Was könntest du schon für Probleme haben?

Sei stark und reg' dich nicht über solche Kleinigkeiten auf. Bring' das deinen Kindern und deinen Enkelkindern bei.
Emotionen bringen dich nicht weit, harte Arbeit und Ehrgeiz aber schon.

Also sei doch einfach in allem der Beste.

Schreib' gute Noten, lern' etwas Anständiges. Studieren muss nicht sein. Hauptsache du dienst dem System. So wie alle Männer vor dir, die auch rücksichtslos waren und keine Gefühle gezeigt haben.

𝐈𝐌𝐌𝐔𝐍𝐈𝐓𝐘Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt