4. Eine Frage des Vertrauens

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„Nein, Po!"
„Aber, Meister..."
„Nein, du bleibst hier!"
„Aber das ist ein Notfall! Es geht hier um Leben und Tod! Ist doch so, oder?"
Xia nickte.
Sie stand mit Po und Meister Shifu in der Palast-Halle. Shifu ging hektisch auf und ab und warf ihr immer wieder einen skeptischen Blick zu. Es schmeckte ihm überhaupt nicht, dass sie eine Pfauenhenne war.
„Dein Platz ist hier!", versuchte er es erneut.
„Aber die Furiosen Fünf sind doch da", wandte Po ein. „Sie sind stark genug, um das Tal ohne mich zu beschützen, genauso wie sie es früher immer getan haben."
Shifu hielt an, seine Hände auf den Rücken verschränkt und starrte den Panda grimmig an.
„Po, komm mal her."
Der Drachenkrieger seufzte. Er gab Xia einen entschuldigenden Wink und folgte Shifu in eine Ecke der Halle.
„Was macht dich so sicher, dass du ihr vertrauen kannst?", zischte Meister Shifu, jedoch so leise, dass sie es nicht hören konnte.
„Ich weiß es nicht. Ich weiß es eben."
„Das ist keine Erklärung."
„Aber ich bin der Einzige, der sie zu der neuen Stadt bringen kann."
„Und was macht dich so sicher, dass Shen dich wieder gehen lassen wird?"
„Aber Meister Shifu. Wir gaben uns doch das Versprechen unsere Waffen ruhen zu lassen."
Shifu verengte die Augen. „Es ist ein Leichtes für ihn ein Versprechen zu brechen. Denk darüber nach. Er ist immer noch ein Gesetzloser."
„Meister." Mit flehentlichem Blick sah Po seinen Lehrer an. „Bitte, lassen Sie mich mit ihr gehen. Sonst werde ich solange keine Ruhe geben bis sie ihr Ziel erreich hat."
„Weißt du denn, was sie dort will?"
„Nein, sie will es nicht sagen."
„Warum willst du dann das Risiko eingehen?"
„Weil ich ihr vertraue. Ich kann nicht glauben, dass sie böse Absichten hat, und ich glaube nicht, dass Shen mich bedrohen wird. Ich werde beweisen, dass er mir vertrauen kann."
Shifus Augen nahmen einen eisigen Ausdruck an. „Po. Gutgläubigkeit kann sehr schnell in Naivität umschlagen. So etwas ist gefährlich."
„Selbst wenn es so ist, dann lassen Sie es mich wenigstens herausfinden."
Shifu seufzte. Sorgenvoll senkte er den Blick. „Ich sehe, mein Einfluss ist nicht stark genug. Doch sei gewarnt. Du bist dann ganz auf dich alleine gestellt. Völlig alleine."
„Ich weiß. Keine Sorge. Ich war schon vorher mit ihm allein zusammen. Es kann nur besser werden."

„Po, versprich mir, dass du auch immer genug isst." Mr. Ping zog einen großen Rucksack hinter sich her und gab ihn an Po weiter. „Ich hab dir extra genügend eingepackt."
„Aber, Dad. Du solltest doch mit deinem Bein nicht so schwere Sachen schleppen", sagte Po und nahm ihm den Rucksack ab. „Und nebenbei bemerkt, kommen wir unterwegs an vielen Herbergen vorbei."
„Na und? Man bekommt doch immer Hunger auf dem Weg."
„Schon klar, Dad."
Damit schulterte Po sich den Rucksack über.
Er stand vor Mr. Pings Haus und war fertig für die Reise. Auch Meister Shifu, der allerdings immer noch nicht mit seiner Entscheidung einverstanden war. „Auch wenn ich deine Reise immer noch sehr missbillige, so wünsche ich dir dennoch viel Glück. Und komm gesund wieder zurück."
„Alles klar, Meister. Wir sehen uns."
„Und wir sollen wirklich nicht mit dir mitkommen?"
Monkey war ein bisschen enttäuscht, dass ihr Freund wieder eine Reise ohne sie unternahm. Doch Po schüttelte den Kopf und sah seine fünf Freunde dankbar an.
„Nein, danke, aber nein. Shen hat gesagt, dass er niemand anderen in seine Stadt erlaubt. Besonders keine Kung-Fu-Krieger, außer mir. Ihr habt die Aufgabe euch um das Tal zu kümmern. Aber..." Er beugte sich zu ihnen vor. „Ihr könnt mir einen Gefallen tun, indem ihr ab und zu meinem Vater etwas bei den Hausarbeiten helft, okay?"
„Was hast du gesagt, Po?"
„Nichts, Dad! Nun denn. Wir sehen uns! Bis dann."
„Oh, Po." Mr. Ping gab ihm eine letzte Umarmung. „Pass gut auf dich auf und komm sicher wieder nach Hause."
„Mach ich, Dad. Und versprich mir, dass du dein Bein schonst. Okay, gehen wir."
Xia hatte draußen vor dem Tor gewartet und schenkte ihm ein dankbares Nicken.
„Du musst das nicht tun, dass weißt du schon."
„Ich weiß", sagte Po und lächelte ihr zu. „Doch ich bring dich gerne zur Stadt. Nun denn, auf Wiedersehen! Tschüss, Leute! Tschüss, Meister Shifu! Tschüss, Dad!"
Mr. Ping und seine Freunde winkten ihm nach. Nur Meister Shifu starrte ihm hinterher und murmelte nur einen einzigen Satz: „Viel Glück, Drachenkrieger."

Mehrere Tage wanderten sie durch Eis und Schnee. Unterwegs legten sie Pausen in mehreren Gaststätten ein. Am vorletzten Tag erreichten sie die letzte Etappe vor den Mianyang Bergen.
„Viele Dank, dass Sie uns ein Zimmer anbieten", sagte Po und betrat einen kleinen Raum, was der Herbergsvater, ein alter Gänserich, ihnen zur Verfügung stellte.
„Wir haben selten Besuch", sagte er und zeigte ihre Betten. „Für eine Nacht könnt ihr bleiben. Gute Nacht."
„Gute Nacht."
Der Herbergsvater verließ sie und schloss die Tür. Po sah aus dem Fenster, wo er die ersten Berge des Gebirges sehen konnte. „Nun, wir stehen jetzt am Rande des Mianyang Gebirges. Und morgen werden wir in der Stadt sein."
Damit warf er sich aufs Bett und streckte seine kalten Füße. „Oh, oh. Was für ein Spaziergang. Was ist mit dir? Sind deine Füße auch so eingefroren?"
Als er keine Antwort erhielt, sah er auf. Die Pfauenhenne blickte nun ebenfalls aus dem Fenster, wo es draußen schon langsam dunkel wurde.
„Po?"
„Ja?"
„Wie ist er eigentlich?"
„Mmh?"
„Ich meine", sie löste sich vom Fenster und ging zu ihm rüber. „Du hast mir gesagt, dass er und du, Feinde gewesen ward, vom ersten Tag an. War es nicht so?"
„Mm, ja."
„Und jetzt?"
Po senkte den Blick. Er wusste nicht, ob es klug war ihr die ganze Wahrheit über ihn zu sagen. Und er musste zugeben, dass er selber nicht alles über den Lord wusste, der seine Familie ermordete und viele anderen Leute. Wer war sie nur? Was sollte sie wissen und was nicht?
Die Pfauenhenne knetete ihre Flügel. „Du musst nicht antworten, wenn du nicht willst."
„Doch, doch, aber, es ist eine lange Geschichte. Eine sehr lange Geschichte."
„Ich hab Zeit."
Der Panda war ein wenig beeindruckt. Sie wollte etwas wissen, wollte ihn aber nicht drängen. Po seufzte und beschloss zumindest nur die Hauptereignisse zu erzählen, die er wusste.
„Okay."
Damit setzte er sich im Bett auf, während Xia auf ihrem eigenen Bett Platz nahm und ihn aufmerksam beobachtete.
Po räusperte sich. „Nun, alles begann in einer weit entfernten Stadt namens Gongmen. Doch mein richtiges Leben startete im Tal des Friedens..."
Und damit begann Po zu erzählen was alles damals passiert war. Zuerst wie er zum Drachenkrieger geworden war, und wie er erfuhr, dass sein Vater nicht sein richtiger Vater war, der Weg nach Gongmen, und was Shen vorgehabt hatte. Details zum Massaker im Panda-Dorf hingegen ließ er aus. Dann darüber wie er seinen inneren Frieden gefunden hatte, wie er Shens Armee besiegt hatte, wie er Shen erneut wieder getroffen hatte und was sich danach alles im Tal des Friedens bis zum Fest des Friedestages ereignet hatte.
Xia unterbrach ihn nicht. Sie lauschte seinen Worten wie in einem tiefen Traum.
„Und das war der letzte Tag, wo ich ihn gesehen hatte", beendete Po seine Geschichte. „Bis er mir einen Brief geschickt hatte. Er hat übrigens hinzugefügt, dass es nicht seine Idee gewesen war, sondern die der Wahrsagerin, die ihn geraten hatte mich zu informieren."
Er sah sie an. Sie war immer noch gefangen in seinem Bericht.
„Und das war alles."
Wie aufs Stichwort begann die Pfauenhenne sich wieder zu bewegen, als wäre sie gerade aus einer Trance erwacht.
Sie senkte den Blick und flüsterte ein sanftes: „Danke."
Po beobachtete wie sie sich auf ihr Bett legte und an die Zimmerdecke starrte.
„Möchtest du sonst noch über etwas reden, oder wissen?", fragte er vorsichtig.
Sie schüttelte den Kopf. „Nein, aber danke, dass du mir das erzählt hast."
„Kein Problem", antwortete er etwas unsicher. War es nun gut oder schlecht?
Sein Blick fiel nach draußen. Die Nacht war angebrochen.
„Nun, wir sollten schlafen. Und morgen sehen wir weiter."
„Mm, ja, dann sehen wir weiter."
Ihre Stimme klang schwach, doch Po wollte sie drauf nicht ansprechen.
„Okay, gute Nacht."
„Gute Nacht."
Und dies waren auch die letzten Worte, die sie miteinander in dieser Nacht wechselten.

„Okay, dieses Schild ist neu."
Nachdenklich rieb sich Po übers Kinn, während er den Wegweiser beäugte. Sie standen in der verschneiten Landschaft auf einem großen, breiten Pfad, der durch die Berge führte.
„Changkong", las er. „Nun, entweder ist es der Name der Stadt oder von der Gegend. Wie auch immer, gehen wir weiter. Es muss gleich hinter diesem Hügel sein."
Po ging voraus. Xia folgte ihm. Jetzt jedoch ein bisschen langsamer als vorher.
„Ist dir kalt?", fragte Po.
„Nicht wirklich."
Sie schlang ihre Robe enger um sich.
„Wir sind ja fast da", redete er ihr aufmunternd zu. „Ich bin mir sicher, dass wir einen warmen Platz bekommen werden..."
Er hielt inne. Xia sah ihn überrascht an. „Stimmt etwas nicht?"
„Äh, nein, nur ein paar..."
Er deutete nach vorne. Am Ende des Pfades, wo der Weg steil nach oben ging, standen zwei große Figuren in dicken Schafsfellen.
„Ich glaube, wir sind näher dran als ich dachte", murmelte Po.
Damit ging er auf die zwei vermummten Gestalten zu und winkte ihnen zu.
„Hey! Hallo! Sind wir hier richtig an der Stadt von Lord Shen? Er soll soweit ich weiß hier wohnen."
Mit grimmigen Blicken starrten die zwei Ziegenböcke auf die fremden Reisenden herab.
„Wer will das wissen?", frage einer von ihnen mit tiefer, verärgerter Stimme.
„Nun", begann Po von neuem. „Wir waren in der Nähe und... oh."
Erst jetzt fiel ihm das große Holzschild hinter den zwei Wächtern auf, wo ein großer roter Pfau mit weit geöffneten Schwingen und langen Schwanzfedern abgebildet war.
„Wow, er hat sei Logo geändert. Sehr nett."
Die zwei Ziegenböcke schnaubten verärgert und Po kam auf den Grund ihrer Anwesenheit zurück.
„Wir wollen gerne mit Lord Shen sprechen. Ist er zuhause?"
Die großen Ziegen stießen so stark die Luft aus den Nüstern, dass dem Pfanda und der Pfauenhenne der Wind über ihre Köpfe wehte.
„Keine Fremden", schnaubte der Erste. „Befehl."
„Nun, wir, oder ich bin kein Fremder genauer genommen. Ich bin der Drachenkrieger."
Doch die Wachen zeigten sich unbeeindruckt von dieser Verkündung.
„Keine Fremden. Auch keine Fast-Fremden. Niemand."
„Aber es ist sehr wichtig!", drängte Po. „Meldet uns an."
„Der Lord erlaubt keine Besuche."
„Hey, habt ihr denn nichts Besseres zu tun, als einen auf Smalltalk zu machen?"
Ein sehr kleines Schaf, mit kleinen Hörnern auf dem Kopf und rot-gelben Mantel, tauchte zwischen den beiden Giganten auf, aber seine Stimme hatte die von einem erwachsenen Mann. Jetzt sah auch er die beiden Reisenden.
„Wer ist das?", fragte es mit zusammengekniffenen Augen.
„Unruhestifter", klärte ihm einer der Riesen auf. „Sie wollen den Lord sehen."
„Sorry, aber der Lord ist sehr beschäftigt", gab das kleine Schaf als Antwort.
Jetzt wurde Po ungeduldig. „Wir auch. Das ist ein Notfall!"
Doch das kleine Schaf zeigte kein Interesse. „Tut mir leid, schafft sie weg."
„HEY! So behandelt man aber nicht den Drachenkrieger!"
Plötzlich hielt das Schaf mitten im Gehen inne. „Du bist der Drachenkrieger?"
„Nun, es sieht vielleicht nicht so aus. Aber ich bin es."
„Oh, in diesem Fall ist es was anderes. Lasst ihn durch."
Po war etwas verwirrt. Meinte das kleine Schaf es ernst oder sollte das nur ein Scherz sein, um sie anschließend wieder rauszuwerfen?
„Wirklich? Kein Witz?"
Das Schaf winkte mit dem Huf. „Komm schon."
„Und was ist mit ihr? Sie gehört zu mir."
Po deutete auf Xia, die immer noch vor der bewachten „Tür" stand und unsicher zwischen den beiden Wächtern hin und her schaute.
Das kleine Schaf strich sich übers Kinn. „Nun. Der Lord wird es entscheiden."
Po seufzte erleichtert. „Du hast es gehört. Komm rein."
Zuerst zögerte sie, doch dann gab sie sich einen Ruck und schritt den Weg hoch, den das kleine Schaf ging und gemeinsam erklommen sie den Hügel.
„Woher weißt du von mir?", frage Po.
„Jeder weiß über dich Bescheid", antwortete das kleine Schaf.
Po schaute nach hinten zu den Wachleuten. „Aber nicht diese zwei."
„Sie haben ihre Befehle und nehmen ihren Job sehr ernst", klärte das kleine Schaf ihn auf. „Es könnte ja jeder behaupten, dass er der Drachenkrieger wäre."
„Und warum glaubst du mir, dass ich der Drachenkrieger bin?"
„Meine Großtante hat dich mir genau beschrieben."
„Deine Großtante?" Po zögerte einen Moment. „Könnte es sein, dass..."
Plötzlich hielt er an. Sie hatten die Spitze des Hügels erreicht. Mit offenen Mündern blickten sie nach unten.

Der letzte KriegWo Geschichten leben. Entdecke jetzt