23. Unangenehme Überraschung

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Yin-Yus Herz setzte einen kurzen Moment aus, als die Wächter die Tür zu König Wangs Raum öffneten. Sie behielt ihre aufrechte Haltung bei, jedoch mit einem traurigen Ausdruck. Jeder konnte ihr ansehen, dass es nicht gerade ihr glücklichster Tag war. Besonders da ihr Kopf mit allerlei Fragen füllt war, die ihren Geist quälten. Alles erschien so unrealistisch, wie in einem schlechten Traum.
König Wang stand am Fenster. Als sie hereinkam, drehte er sich zu ihr um und kam näher bis sie sich in der Mitte des Raumes trafen.
„Habt Ihr Euch gut erholt?", fragte er.
Sie nickte.
„Ich muss mich nochmal für den Zwischenfall entschuldigen. Es ist mir ein Rätsel wie er aus dem Gefängnis rausgekommen ist."
Sie betrachtete ihn, als ob sie das alles gar nicht interessieren würde. Nichts schien sie mehr zu interessieren. Ihre Gedanken waren die ganze Zeit nur auf eine einzige Person gerichtet.
Der große Ochse betrachtete sie aufmerksam. „Haben Sie über unseren Vorschlag nachgedacht?"
Sie seufzte, aber sie nickte.
„Und? Wie lautet Ihre Antwort?"
Zwei Sekunden verstrichen, doch bevor sie ihren Schnabel bewegen konnte, kam Wang ihr zuvor.
„Ihr dürft mich nicht falsch verstehen. Bevor ihr eine Antwort gebt, möchte ich nochmal betonen, dass ich Euch nicht dazu zwingen möchte, aber ich halte es immer noch für die beste Lösung." Er verschränkte die Arme auf den Rücken. „Und noch etwas. Meine Soldaten berichteten mir von ein paar Fremden. Kannten Sie die?"
Sie zögerte. Ein dunkler Schatten lag über ihren Augen.
König Wang wandte nicht den Blick von ihr ab. „War er ein Freund von Ihnen?"
Sie zuckte zusammen und bewegte sich von ihm weg. „Nein, nicht wirklich, vielleicht mehr..."
Sie trat ans Fenster und beobachte den Schnee. Ihr Geist war so aufgewühlt. Ein Chaos wie Schneeflocken im Wind hin und her getrieben. So viele Fragen ohne Antworten.
Was hatte sie nur getan? Noch nie hatte sie so viel Hass in ihm gesehen wie gestern. Sie konnte sich nicht erklären warum. Alles woran sie sich erinnerte, waren ihre wundervollen Momente miteinander. Sie wollte sie nie vermissen. Nicht einmal wegen seiner Wut. Was immer auch passiert war, sie war froh darüber, dass Xiang ihr versichert hatte, dass er dafür sorgen würde, dass er ihn aus der Burg schaffen würde.
„Schnee ist wunderschön", murmelte sie.
König Wang wusste nichts damit anzufangen. Eine andere Frage beschäftige ihn. „Dieser Panda, kannten Sie ihn?"
Sie schüttelte leicht den Kopf, immer noch aus dem Fenster starrend.
„Schade. Ich hatte gehofft, dass es dieser besondere Panda wäre, über den China die ganze Zeit spricht." Er verwarf diesen Gedanken wieder. „Aber ich denke, dass ist im Moment unwichtig."
Er sah sie an. Sein Blick ruhte auf ihr. „Ich weiß, dass Sie Ihren Ehemann hassen, nicht wahr?"
Sie schlang ihre Flügel um sich selbst. Sie wollte nicht darauf antworten. Aber ihr Schweigen sprach eine deutliche Sprache.
König Wang trat näher an sie heran. „Nun denn. Sind Sie mit meinem Angebot einverstanden?"
Sie hob den Kopf. „Ja..."
Plötzlich wurde die Tür aufgerissen. Der König und die Lady drehten sich überrascht um. Soldaten traten ein, die bis an die Zähne bewaffnet waren.
„Was hat das zu bedeuten?", fragte König Wang.
Nachdem fünf Soldaten die Türschelle überquert hatten, trat ein anderer größerer Ochse zwischen ihnen hervor und trug auch weniger Waffen als die anderen.
„Guo!", rief König Wang. „Was geht hier vor?"
Yin-Yu erkannte den Ochsen, der zuvor Xiang in den versteckten Gängen abgefangen hatte.
„Mein letzter Befehl, mein König", sagte Guo und winkte hinter sich.
Die Soldaten traten beiseite und eine weitere Person betrat den Raum. Beide wusste nicht was sie sagen sollten, als Xiang böse lächelnd auf sie zukam.
„Seid ihr so überrascht mich hier zu sehen?"
Der farbige Pfau kicherte. Wang und Yin-Yu tauschten Blicke.
„Ich-ich hatte keine Ahnung davon...", stotterte die Pfauenhenne.
„Wie immer", schnitt Xiang ihr das Wort ab. „Jedoch bin ich sehr enttäuscht darüber, was du da still und heimlich hinter meinem Rücken treiben wolltest." Der Pfau zeigte eine gespielte Niedergeschlagenheit und ging auf sie zu. „Es stimmt mich traurig zu hören, dass wir nicht mehr so gut miteinander auskommen."
Er hielt vor ihr an. Sie senkte den Kopf und duckte sich wie ein unterwürfiger Hund.
Xiang streckte seinen Flügel nach ihr aus und hob ihr Kinn an. „Wie tief kann man nur sinken?"
Der folgende Schlag in ihr Gesicht war nicht sonderlich hart, aber schmerzhaft. König Wang wollte ihn von ihr wegzerren, aber Soldaten umkreisten ihn mit ihren Schwertern.
„Ich verlange eine Erklärung!", befahl er.
Xiang ließ von Yin-Yu ab. „Du willst es wissen? Mit einem einfachen Wort erklärt: Revolution. Meine Revolution. Gegen dich."
Wangs Augen wanderten zu Guo. „Was habe ich dir jemals getan?"
„Genau das ist das Problem", meinte Guo. „Nichts. Gar nichts hast du für mich getan. Er hat mir halt ein besseres Angebot gemacht."
Xiang lachte. „Nur keine Sorge. Ich hab nicht alle deine Leute in dieser Burg bekehrt. Über die Jahre hinweg hab ich genug deinesgleichen bestochen, um mir die Kontrolle über diesen kleine Ort zu sichern. Und er wird meine Anweisungen ausführen." Er winkte rüber zu Guo. „Ich werde meinen neuen Platz einnehmen, und du wirst deinen neuen Platz finden." Er hob die Flügel. „Sperrt ihn ein!"
Dann wandte er sich an Guo. „Und du und ich, wir geben den Rest von diesem Volk eine Erklärung ab. Machen wir es so schnell wie möglich. Ich habe schon viele Jahre auf diesen Moment gewartet."
Seine blauen brennenden funkelnden Augen ruhten auf der Pfauenhenne. „Und du... wir reden später weiter!"

Der letzte KriegWo Geschichten leben. Entdecke jetzt