24 Stunden

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»Mein armes Kind.« brummte Abazure leise und versuchte Atanas blasses Gesicht von den Blutspuren im Gras abzuwenden. Sie Tigerkönigin sorgte sich schon immer sehr um Atana. In ihm steckte ein gutes Herz und viel Freude, aber ebenso viel Frust und Angst. Im Laufe ihrer scheinbar unendlichen Lebenszeit hatte sie selten so reinherzige Menschen getroffen wie Atana. Sie hatte ihn immer seiner Schwester Kakusa vorgezogen, denn ein Funke in dem Jungen zog sie magisch ein.

Sie beide hatten schon so viel durchgemacht, dass das Schlachtfeld unter den samtigen Tatzen der Tigerin keine Fragen in ihr aufwarf. Atana saß auf ihrem Rücken, angespannt und immernoch still weinend, doch sie konnte ihm nicht helfen. Sie konnte ihm das Gefühl nicht nehmen, aber es sich selbst zu nehmen ging wahrscheinlich nicht. Abazure ließ den jungen Menschen einfach weinen, einfach für einen Moment verletzlich sein. Sie wusste nicht, was ihm solche Angst machte, aber sein gesamter Körper war verspannt. Seine kleinen Finger vergriffen sich hart in ihren weißen Strähnen und es ziepte unsanft im Nacken, doch es war gut so. Sie würde den Schmerz schon aushalten, wenn nötig den gesamten Weg lang und bis nach Konoha zurück.

Sie reisten Stundenlang durch die Wälder, scheinbar blind, ohne Rast. Atana beruhigte sich im Laufe der Zeit und sprach doch kein einziges Wort mit seiner Tigerin. Sie wünschte, sie könnte in das Innere des Jungen sehen, doch alles was sie konnte war auf seine Stimme warten. Darauf, dass dieser Klang wieder ertönte und ihre Hoffnung darauf weckte, dass Atana die Umstände irgendwie verkraftet hatte. Ihr war von Atanas Mission ab und an berichtet worden, aber sowas hätte die Tigerin nie erwartet. Sie roch das Blut, sah das Schlachtfeld und hörte die Knochen unter sich knacken. Es war selbst für ein gerissenes und scheinbar brutales Tier wie sie schwer bei diesen Leichen nicht Zweifel an der Menschheit zu kriegen. Die Brutalität unter ihnen war animalisch.

Atanas hatte seine Gedanken bloß noch auf eine Sache konzentriert, um nicht den Verstand zu verlieren. Der Spion musste noch irgendwo im Umkreis sein, und den musste er finden. Wenn er die Mission nicht beenden konnte, dann wäre seine Einheit umsonst verreckt. Das konnte und wollte er nicht einsehen, deshalb suchte er nach diesem verdammten Mann, bis Abazure nach mehr als vierzehn Stunden langer Suche entgültig eine Pause brauchte. Atana ignorierte diesen Umstand als wäre es nichts, als er einfach zu Fuß weiter in dem dunklen Wald wanderte. Baum für Baum suchte er nach dem Menschen und letztendlich, nach einem vollen Tag ohne Schlaf, fand er ihn in einer Felsniesche am Ende des Waldes, nur schwach bei Bewusstsein.

Er war am Kopf verletzt. Das junge Gesicht, was Atana unter sich sah, berührte ihn nicht mehr. Er projezierte seinen gesamten Hass auf diesen Jungen. Wie konnte ein so kluger Mensch nur so blöd sein, und sich von vierzig feindlichen Shinobi erwischen lassen? Er war Schuld an allem. Wenn er seine Mission beendet hätte, dann ginge es Atana jetzt gut. Ihm und seinem Team.

Ohne zu zögern riss er ihn aus dem engen Versteck, löste seine Fesseln und den Knebel im Mund, bevor er ihn mit einem kräftigen Schlag in das Land der Ohnmacht beförderte. Vorsichtshalber schlug er nochmal zu, dieses Mal jedoch bloß weil ihm das letzte Mal gefallen hatte. Er wollte jemandem weh tun, irgendjemanden für das alles verantwortlich machen. Er wollte die Schmerzen in seiner Hand spüren die ihm bewiesen, dass er nicht Schuld war. Er war noch lebendig. Sein Chakra war noch in seinem Körper und floss, schneller und intensiver als jemals zuvor. Es wirbelte herum wie ein Sturm, unkontrolliert und wild. Es fiel ihm schwer seine Erinnerungen an die vergangene Zeit zu löschen, doch er schaffte es. Er wollte den Jungen mit Unsicherheit bestrafen, aber auch irgendwie schützen. Sein eigenes Chakra tobte immernoch viel zu wild und unschlüssig in ihm.

Atana legte seine Hand an seinen eigenen Hals und schloss die Augen. Er wusste nicht, ob er seine eigenen Gefühle kontrollieren konnte, doch nach einiger Zeit waren seine Schwingungen glatt wie ein Spiegel und bebten nicht mehr. Das Chakra floss stetig und gleichmäßig, als käme es von einer Maschine. Atana fühlte nichts mehr. Keine Schuld, keine Wut, keine Angst. Es kostete ihn Chakra diesen Zustand beizubehalten, doch es erfüllte seinen Zweck sehr gut.
Bis Abazure Atana fand und sowohl den Spion als auch ihn auf sich hievte, hatte er bloß dagestanden und in den Himmel gestarrt. Die Sterne waren so weit entfernt von der Erde. Da draußen musste eine Welt existieren, die besser war als diese. Eine Welt, in welcher niemand Blut vergießen musste.

Blindfight - Ein Ninja kehrt zurück || Naruto FFWhere stories live. Discover now