Der erste Schnee

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Atana spuckte das Blut aus seinem Mund, bedeckte mit dem Mantel seine offene Wunde am Arm und spürte dann etwas in sich, was ihn in zwei Teile zerriss, als er das Stirnband in den Schnee schmiss.

Sein Kopf reagierte mit Halluzinationen und Phantomschmerzen auf den abgetrennten Teil seiner Seele und quälte ihn höllisch. Er presste seine Handfläche gegen die linke Schläfe und stöhnte. Das Blut aus seiner Nase und seinen Ohren tropfte auf den Boden, direkt neben Kakashis leblosen Körper. Nach vielen Minuten der Qual fragte Atana sich kurzzeitig, ob das hier wirklich die Realität war, bis er einen eisigen Windhauch in seinem verschwitzten Nacken spürte. Das war mit Sicherheit die Realität. An welchem schrecklichen Ort konnten sonst solche Dinge geschehen?

Schluchzend ließ er sich neben Kakashi auf den Boden fallen und drückte seinen bewusstlosen Oberkörper an sich. Jeder Funke Hoffnung, den er bis jetzt in sich getragen hatte, war verschwunden. Die Liebe seines Lebens hatte es nicht geschafft ihn aufzuhalten. Atana hatte ihn Höllenqualen leiden lassen, nur damit er ihm nicht im Weg stand. Wenn er doch nur den Mut gehabt hätte ihm alles zu erzählen wäre Kakashi vielleicht einsichtig gewesen und hätte Verständnis gehabt. Wenn Atana nur auf ihn gehört hätte, wurden sie jetzt nicht an diesem Ort sein. Dann müsste Atana seine eigenen Tränen sich nicht in Kakashis Maske aufsaugen sehen. Mit zittrigen Fingern ertastete er den Rand der Maske und entblößte Kakashis Gesicht, welches seelenruhig und entspannt vor sich hin ruhte.

Es war so friedvoll und rein, als hätte es durch die grausame Welt nie Schäden erlitten und Gräueltaten miterlebt, gesehen oder gespürt. Wenn Atana jemals einem Gesicht wieder so vertrauen könnte wie diesem, dann wäre er geheilt. Geheilt von der Bürde er selbst zu sein, Missionen und Aufträge über Menschen zu stellen und das Wohl der Vielen dem Wohl seiner Liebe vorzuziehen. Was war er für eine Person zu entscheiden, was richtig und falsch war? Hatte er nicht von Kakashi gelernt seine Freunde zu beschützen, egal welche Mission ihm auferlegt wurde? Könnte er sich jemals wieder von dieser schrecklichen Schuld befreien, Kakashi so brutal verletzt zu haben? Er selbst würde sich das nie vergeben, obwohl Vergebung und Einsicht Schlüssel zum Frieden waren. Dann hatte Atana den Frieden wohl gar nicht verdient.

Ein weiterer Heulkrampf überkam ihn bei dem Anblick seines Freundes und er presste den leblosen Körper näher an sich.
»I-ich wollte das nicht...« schluchzte er vor sich hin. Wie sehr würde er jetzt an Kakashis Stelle sein. Am liebsten wäre er tot. Für einen kurzen Moment hatte er sich gewünscht, dass Kakashis Raikiri ihn durchbohren würde. Zur Hölle sollte er geschickt werden, dahin, wo er hin gehörte. Wenn Kakashi einmal starb, dann kam er in den Himmel. Dann würde er in Frieden über sie alle wachen, über ganz Konohagakure und vielleicht auch über ihn, wenn er dann noch lebte. Kurzzeitig dachte Atana daran Kakashi zu töten, um ihm mehr Leid zu ersparen, doch dann würde er sich wahrscheinlich von der nächsten Klippe stürzen oder den Verstand anderweitig verlieren. Außerdem war er psychisch nicht dazu in der Lage Kakashi zu ermorden.

Liebevoll bettete Atana den Kopf seines Freundes auf seinen Knien und strich durch das weiße Haar, als er plötzlich etwas kaltes auf seiner unversehrten Hand spürte. Er trug seine Verbände nicht, deswegen konnte er sie alle fühlen: Die tausenden, dicken Schneeflocken, die in der eisigen Kälte vom Himmel fielen.

»Wenn du jetzt gehst wirst du ein Nukenin, Atana, ein abtrünniger Ninja! Dann kannst du nicht mehr deinen Traum verfolgen. Sei nicht dumm, bleib hier! Hier bei mir.« flehte Kakashi als Atana sich nach seinem Angriff zum zehnten Mal aufrichtete. Er war einfach nicht zu stoppen. Tränen liefen dem jungen Uchiha in Strömen über das Gesicht als er schrie:
»Ich halte es hier nicht mehr aus! Du weißt, was sie mir angetan haben! Itachi weiß es auch! Ich muss hier weg, Kakashi. Und in die Anbu wäre ich nie gekommen, schließlich bin ich weder so schnell wie Itachi, noch so schlau wie du!«
»Du wärst schlau, wenn du nicht gehen würdest!« schrie Kakashi zurück. »Der Hokage verlässt sich auf dich und mich!«
»Der alte tut doch auch nichts gegen sie! Niemand tut das! Ich bin dir dankbar für deine Hilfe, Kakashi, und du bist alles was ich an Konoha liebe, aber ich kann hier nicht länger leben. Lass mich bitte einfach gehen!« bat Atana und wischte sich die dunklen Wellen aus der Stirn. Kakashi hatte Tränen in den Augen, als er seinen Gegner an ihm vorbei laufen ließ und er das Tor passierte. Der Anbu versuchte es mit letzter Anstrengung und flüsterte:
»R-rin und Obito sind w-weg... Lass mich nicht allein. Oder sag mir zumindest, wann du zurück kommst. Wir sind doch ein Team...«
»Ich werde nicht zurück kommen, Kakashi! Nie mehr, hörst du?! Lass mich gehen!«

Blindfight - Ein Ninja kehrt zurück || Naruto FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt