Kapitel 72

1.1K 38 0
                                    

Max war nicht sauer gewesen als er wieder ins Hotelzimmer gekommen war. "Es ist irgendwie auch süß, dass du dir Sorgen machst.", hatte er noch gesagt. Wir haben uns noch lange unterhalten. Max hatte versucht mir so gut wie möglich die Sicherheitsvorkehrungen zu erklären, aber alles wusste er dann auch nicht. Zugegebenermaßen habe ich es ihm auch nicht besonders leicht gemacht. Ich wollte einfach nicht, dass ihm etwas passiert und ihn alle zwei Wochen in eine potentiell totbringende Maschine steigen zu sehen beruhigte mich nicht unbedingt.

Max war in den letzten Monaten unverzichtbar für mich geworden. Durch seine extrovertierte und selbstbewusste, manchmal fast arrogante Art, schaffte er es mich immer wieder aufzubauen. Wenn ich mal wieder einen meiner Selbstmitleidsanfälle hatte, konnte er es normalerweise nie nachvollziehen. Max sagte, dann immer das es gar keinen Grund dafür gibt. Er war es, dem ich alles erzählen konnte und der sich alles anhörte und mir versuchte so gut wie möglich mit Rat und Tat zur Seite zu stehen.

Wenn ich irgendetwas brauchte, dann war er da. Max war dieser Art von Mensch, der alles was er tat zu 100 % tat. Für ihn gab es kein 'vielleicht ein bisschen' oder ein 'dann lasse ich es eben'. Wenn er etwas anfing, dann blieb er dabei und tat alles dafür, dass es gut wurde. Ich wusste es sehr zu schätzen, dass ich mittlerweile zu dem Kreis der Personen gehörte, für die er so gut wie alles tat. Wie gesagt: Ganz oder gar nicht.

Er erzählte mir von einigen großen Rennfahrern, die auf der Strecke gestorben waren und wie lange das schon her war. Wenn ich ehrlich war hatte ich noch nie von Ayrton Senna gehört. Laut Max war er aber eine absolute Legende. Michael Schumacher kannte ich natürlich auch, aber Senna. Die Formel 1 war immer noch eine neue Welt für mich.

Das war aber nicht das einzige was Max getan hatte. Kurzfristig flogen wir nicht nach Monaco sondern nach England. Normalerweise tat er das nicht freiwillig. War auch verständlich. Er war so viel unterwegs, da wollte er natürlich die Zeit Zuhause verbringen. Trotzdem hatte er darauf bestanden.

So landeten wir am Montag in England und am Dienstag fuhren wir gemeinsam in die Factory. Max hatte einen Termin vereinbart. Mit Adrian Newey. Max sagte, dass ich ihn alle Fragen, die die Sicherheit betrafen stellen könnte. Während ich also in dem Büro von Adrian saß verzog sich Max. Er sagte, dass er ein paar Runden im Simulator drehen würde.

Zuerst war ich etwas nervös. Schließlich kam ich aber doch relativ schnell mit Adrian in ein Gespräch. Im Grunde ging es nur kurz um die Sicherheit. Umso länger wir redete umso mehr interessierte ich mich für die Technik hinter den Formel 1 Wägen. Wie versprochen beantwortete mir Adrian alle Fragen, auch die, die nichts mit der Sicherheit zu tun hatten.

"Also durch die Flügel wird das Auto Richtung Boden gedrückt, aber wird es dadurch nicht langsamer, wenn man geradeaus fährt?", schlussfolgerte ich aus der groben Zeichnung der Flügel von Adrian. Dieser nickte und antwortete dann: "Ja, das stimmt schon irgendwie. Wenn das Auto mehr Downforce hat, dann ist es auf den Geraden langsamer, aber dafür in den Kurven schneller."

"Das bedeutet ihr müsst versuchen die beste Kombination zu finden. Genug Downforce um in den Kurven schnell zu sein, aber nicht zu viel um auch auf den Geraden schnell zu sein.", murmelte ich mehr vor mir selbst her. Ich hatte immer gedacht die technische Seite wäre nichts für mich, aber im Grunde verstand ich alles. Ingenieurin würde ich in diesem Leben wohl trotzdem nicht mehr werden, aber so die Grundzüge verstand ich langsam.

"Genau und das ist bei jeder Strecke anders. In Monaco zum Beispiel hat man fast keine Gerade, aber viele enge Kurven. Das bedeutet da braucht man mehr Downforce. Auf den Highspeed-Strecken wie Monza hingegen ist es wichtiger, dass das Auto auf den Geraden schnell ist." Ich lächelte Adrian an. Endlich verstand ich zumindest mal die Grundzüge von dem, was mein Vater und Max hin und wieder besprachen.

Adrian hatte es mir seiner ruhigen geduldigen Art wirklich schafft, sogar mir das alles klar zu machen. Irgendwie beruhigte es mich zu wissen wie viel sich in der Formel 1 geändert hat. Adrian hatte mir sogar erklärt was bei dem Unfall von Jules Bianchi schief gelaufen war. Es war doch ziemlich beruhigend, dass es mittlerweile das Halo gab.

Max kam schließlich wieder zu uns. "Komm ich zeige dir noch ein bisschen die Factory.", schlug er vor und ich willigte ein. Obwohl ich schon öfter hier war, hatte ich mich doch noch nie wirklich umgesehen. Mit den meisten Dingen konnte ich relativ wenig anfangen, aber der Showroom hat es mir angetan. Hier standen die Formel 1 Autos der letzten Jahre.

"Das hier sind die Weltmeisterautos von 2010 bis 2013.", fing Max an zu erklären. "Red Bull gab es so als Team gerade mal ein paar Jahre, aber wir hatten Glück. Sebastian Vettel ist damals viermal hintereinander Weltmeister geworden." Ich lächelte ihn an. Max hatte immer ein leichtes Lächeln auf den Lippen, wenn er von der Formel 1 redete. "Vettel fährt immer noch, oder?"

Max nickte. "2014 ist er noch für Red Bull gefahren und dann zu Ferrari gewechselt. Dort hat Daniel bei Red Bull angefangen. Seit diesen Jahren gibt es Hybridmotoren. Deshalb auch kein fünfter Titel." Ehrlich gesagt sah ich zwischen den einzelnen Autos nicht besonders viele Unterschiede. "Wann war dein erstes Jahr bei Red Bull?", fragte ich ihn schließlich.

"2016. Nach drei Rennen bin ich von Toro Rosso zu Red Bull befördert worden. Spanien war mein erstes Rennen für Red Bull.", erklärte er als wir vor dem damaligen Wagen standen. "Warte, damals warst du gerade einmal 18, oder?" Max nickte. "Und wie war dein erstes Rennen für Red Bull. Bist du gecrasht?", fragte ich ihn provokant.

Er grinste uns schüttelte den Kopf. "Nein, ich habe gewonnen." Ich zog die Augenbrauen nach oben. "Ernsthaft?", fragte ich etwas ungläubig. Max nickte. "Ja, damals war Mercedes absolut dominant und Nico und Lewis sind in einer der ersten Kurven aneinander geraten. Daniel hat lange geführt, aber ich war auf der besseren Strategie. So bin ich vorne gelandet und dann durfte ich mich nur nicht von Kimi überholen lassen."

Ich schüttelte etwas ungläubig den Kopf. "Das wusste ich nicht. Ja, gut dann hat sich das für Red Bull wenigstens gelohnt." Max zuckte mit den Schultern. "Naja, im nächsten Rennen bin ich im Qualifying gecrasht."

A new lifeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt