20. Kapitel ~ Louis

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Louis Pov

Mit dem Biss hatte Harry mir meine Entscheidung abgenommen. Ich konnte das Rudel nicht verlassen, wenn ich an den Alpha gebunden war. Niemals würde ich es aushalten über einen langen Zeitraum von Harry getrennt zu sein. Es wäre für uns beide eine Qual.

Hatte Harry vielleicht etwas von meinem Plan geahnt und mich deswegen markiert? Hatte er mich nur gebissen, um zu verhindern, dass ich gehen würde? Seit der ersten Sekunde war irgendwas besonderes zwischen uns gewesen, was sich gar nicht richtig in Worte fassen ließ und uns beiden war vermutlich bewusst, dass eines Tages der Moment kommen würde an dem wir die Verbindung eingehen, jedoch hatte ich das Gefühl gehabt, dass Harry damit noch etwas warten wollte. Warum hatte er es nun doch getan? Die komplette Situation überforderte mich.

Sanft stieß Harry mich mit der Schnauze an, was mich aus meinen Gedanken riss. Ich blickte zu ihm auf. Besorgt, aber auch etwas unsicher musterte mich der schwarze Wolf. Vermutlich würde er in diesem Moment alles dafür geben, um in meinen Kopf schauen zu können. Doch blieb ihm das Chaos meiner Gedanken verborgen. Er hatte genug mit seinem Rudel und der Gefahr, die ich angeschleppt hatte zu tun, dann musste er sich nicht auch noch mit meinem Problemen auseinandersetzen.

Ich erhob mich und entfernte mich einige Schritte von Harry, welcher mir jedoch folgte und direkt wieder an meiner Seite erschien. Er schien zu bemerken, dass ich nicht reden wollte, denn er schwieg. Still liefen wir nebeneinander zurück zum Haus, wo wir auf Niall trafen.

In menschlicher Gestalt stand er vor dem Haus. Als er uns erblickte, schlich sich ein Lächeln auf seine Lippen. Aus dem Lächeln wurde schließlich ein breites Grinsen, als sein Blick auf meinen Nacken fiel, wo das weiße Fell vermutlich noch immer mit Blut verschmiert war.

  "Ich fasse es nicht", begann er. "Da lässt man euch mal ein paar Stunden im Wald allein und dann passiert so was. Ich freue mich für euch, aber ich muss unbedingt alles wissen. Wie ist es dazu gekommen? Habt ihr vorher drüber gesprochen oder war es spontan?" Ich verwandelte mich. Statt jedoch eine von Nialls Fragen zu beantworten, verschwand ich schweigend ins Haus, wo ich direkt das Gästezimmer, welches ich aktuell bewohnte, ansteuerte. Jeder andere Omega würde an meiner Stelle vermutlich vor Freude im Kreis springen, denn so ziemlich jeder wünschte sich doch eine Verbindung mit so einem großartigen Menschen wie Harry einzugehen. Grundsätzlich freute ich mich ja darüber, doch herrschte in mir ein viel zu großes Gefühlschaos, als dass ich den Moment genießen könnte.

Erst vor wenigen Tagen hatte ich meine ganze Familie, sowie all meine Freunde verloren durch ein Rudel, welches noch immer hinter mir her war und welches ich in Harrys Revier gelockt hatte. Harry und sein Rudel hatten mir zwar eine neue Unterkunft gegeben, doch fühlte es sich noch lange nicht nach meinem Zuhause an. Ich fühlte mich wie ein Gast, kannte die Anderen kaum und dennoch war ich nun mit ihrem Alpha verbunden. Ich würde bleiben, denn seit Harrys Biss kam es nicht mehr in Frage diesen Ort zu verlassen ... zumindest nicht ohne Harry.

Mein Blick fiel aufs Bett, wo einige Klamotten ordentlich gestapelt lagen. Bevor ich mich über die fremden Sachen wundern konnte, erschien Perrie hinter mir im Türrahmen.

  "Gemma und ich waren vorhin in der Stadt gewesen und haben dir ein paar Sachen zum Anziehen mitgebracht, damit du eigene hast und nicht aus Harrys Kleiderschrank leben musst. Also nicht dass dir die Sachen von Harry nicht stehen würden, aber wir dachten, dass du vielleicht auch eigene Sachen haben möchtest. Du musst sie natürlich nicht anziehen, wenn du nicht möchtest ..."

  "Danke", unterbrach ich Perries Redeschwall, wobei ich sie anlächelte. Perrie erwiderte mein Lächeln und ließ mich dann wieder allein. Einige Minuten sah ich mir die Klamotten an, die zum größten Teil eher schlicht gehalten waren und sogar in meiner Größe waren, und räumte diese dann in den Kleiderschrank. Eine Jogginghose, ein T-Shirt und eine Boxer blieben übrig. Mit diesen Sachen machte ich mich auf den Weg ins Badezimmer, wo ich mich auszog und unter die Dusche stieg. Vielleicht würde das warme Wasser ja beim Sortieren meiner Gedanken helfen ... oder zumindest bei meinen Gefühlen. Denn aktuell fühlte ich mich einfach wie in Watte gepackt. Ich konnte nicht um meine Familie weinen, ich konnte mich nicht auf die Wut gegen das fremde Rudel konzentrieren, ich hatte keine Angst, was sie mit mir anstellen könnten, sollten sie mich zu fassen bekommen, doch konnte ich mich auch nicht darüber freuen, dass Harry nun zu mir gehörte. Das Ganze war für mich viel zu viel auf einmal. Statt also irgendwas von all diesen Sachen zu fühlen, war in mir einfach eine große Leere.

Eine große Leere, die sich leider nicht durch etwas warmes Wasser wegspülen ließ. Selbst wenn ich stundenlang in der Dusche gestanden hätte, es hätte sich nichts an meiner Lage geändert. Dennoch hätte ich es vermutlich versucht, hätte Harry nicht nach einigen Minuten an die Tür geklopft und mich gebeten aufzumachen.

Seufzend stellte ich das Wasser ab, trocknete mich ab und zog mir die mitgenommenen Klamotten über. Nach einem letzten tiefen Atemzug öffnete ich mit der Hoffnung, dass man mir mein innerliches Chaos nicht ansah, die Tür. Ein Blick in Harrys grünen Augen zeigte mir jedoch direkt, dass ich kläglich gescheitert war. Ohne ein Wort zu sagen zog der Größere mich in seine Arme, welche er schützend um mich schlang. Mit geschlossenen Augen lehnte ich mich an ihn und ließ mich einfach halten.

Sweet Creature [Larry]Where stories live. Discover now