Kapitel 32: Kyungsoo

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Tag 230: Nicht. Sein. Ernst.

Kyungsoo war sein psychisches und geistiges Wohlergehen eine Menge Wert. Aus diesem Grund war es ihm auch sehr wichtig, dass ihn Menschen und ihre nervigen Angelegenheiten in Ruhe ließen. Ja, Kyungsoo wusste Einsamkeit sehr wohl zu schätzen, weil ihn niemand auch nur halb so gut verstand, wie er sich selbst. Das war schon immer so gewesen. Oder fast immer.

In seiner gesamten Laufbahn hatte es nur eine Person gegeben, mit der Kyungsoo gerne gemeinsam einsam war. Es war nicht nur ein bisschen ironisch, dass es sich dabei ausgerechnet um die nervigste, lauteste und persistenteste Person handeln musste, die Kyungsoo jemals kennengelernt hatte.

Er war Baekhyun zum ersten Mal auf der Killer-Schule für Waisen und andere Verstoßene begegnet und hatte später in einem gemeinsamen Auftrag mit ihm zusammenarbeiten müssen. Es war schrecklich und dann... Dann war es plötzlich nicht mehr halb so schrecklich gewesen. Kyungsoo konnte sich den Shift nicht wirklich erklären, aber plötzlich hatte er auf alle Fälle einen Partner gehabt und zum ersten Mal war es in Ordnung gewesen, dass eine andere Person in Kyungsoos Privatsphäre eindrang.

Und dann hatte Baekhyun von Ruhestand und anderen Jobaussichten gesprochen und vielleicht noch über ein paar andere Dinge, über die Kyungsoo im Moment nicht nachdenken wollte und alles war in sich zusammengefallen wie ein gottverdammtes Kartenhaus.

Letztlich war es gar nicht so übel gewesen. Ehrlich, Baekhyun hatte Kyungsoo gar nicht gefehlt. Überhaupt nicht. Nicht einmal ein bisschen. Ganz. Und. Gar. Nicht.

Worauf Kyungsoo hinauswollte, war, dass er Baekhyun aus seinem Leben gestrichen hatte und aus diesem Grund umso unverständlicher war, warum er ausgerechnet nun, auf eine Fotografie von Baekhyun in einer Supermarkt-Uniform hinunterblickte. Eine Fotografie, die ihn dabei zeigte, wie er Kyungsoos Zielperson, Kim Junmyeon, aus dem Krankenhaus führte, in dem Kyungsoo ihm eigentlich das Licht ausblasen sollte...

„Bist du in Ordnung?", fragte sein nerviger Nachbar. „Du starrt schon seit ein paar Minuten wütend auf deinen Handy-Bildschirm hinunter. Willst du vielleicht darüber reden?"

„Nein", sagte er kühl. „Zur Hölle ich will nicht darüber reden."

„Aber es könnte dir bei deinen... Mh... Aggressionen helfen."

Kyungsoo hob langsam den Kopf an. Er hörte den Frost aus seiner eigenen Stimme heraus. „Welche. Aggressionen?"

Sehun schluckte hörbar. „Manchmal betonst du deine Sätze, als würde hinter jedem Wort ein Punkt stehen. Es ist ein bisschen gruselig."

Wenn Kyungsoo seine Hände um Sehuns Hals legte, würde es ihm bestimmt besser gehen. Allein der Gedanke gab ihm bereits ein Gefühl der Befriedigung, also vielleicht sollte er einfach nachgeben und—

„Erinnerst du dich an das, was wir vorhin ausgemacht haben? Dass wir ehrlicher zueinander sind?"

„Das hast du mit dir selbst ausgemacht."

„Ich will sagen, dass du dich mir anvertrauen kannst", setzte Sehun fort, als hätte er Kyungsoo nicht gehört. „Du kannst es mir erzählen."

Die Sache war, dass Kyungsoo es Sehun tatsächlich erzählen könnte. Immerhin würde er seinen Nachbarn spätestens nach morgen Abend eine Kugel in den Kopf jagen. Und Kyungsoo meinte damit tatsächlich, aller, aller spätestens nach morgen Abend. Er wappnete sich mit einem tiefen Atemzug. „Eine bestimmte... Person hat sich in diese Sache dazugeschaltet."

„Okay. Und weiter?"

Kyungsoo sah sich um. Er hatte die Nachricht mit der Fotografie auf dem Parkplatz erhalten, auf dem der Wagen für ihn bereitstand, mit dem er die Verfolgung nach Junmyeon aufnehmen würde. Kyungsoos studierte die Kennzeichen, während er weitersprach. „Er ist ein Profi wie ich. Tatsächlich hatten wir dieselbe Ausbildung."

„Verstehe."

„Wir waren Partner. Er und ich. Ich habe nicht erwartet, ihn zu sehen." Er runzelte die Stirn, als er den richtigen Wagen gefunden hatte. „Scheint so, als würden wir und dieses Mal als Feinde wiedersehen." Sehun entließ einen hohen Laut, der Kyungsoos Aufmerksamkeit zu ihm zurückriss. „Was?"

„Nein, ich meine nur, das ist wirklich aufregend oder nicht? Zwei ehemalige Partner des Todes treffen sich auf dem Schlachtfeld der Antikörper wieder!" Seine Augen strahlten. „Es wird Blut fließen, aber die Frage bleibt doch, ob es sich kümmerlich über den Asphaltboden verteilt." Er rieb sich mit Daumen und Zeigefinger über sein Kinn. „Oder ob es in die lebensrettende Phiole einer Spritze strömt! Das klingt wie ein Blockbuster, wenn du mich fragst."

„Habe ich nicht."

„Was?"

„Ich habe nicht gefragt."

„Sei nicht so ernst, Kyungsoo." Sehun trat näher, um ihm freundschaftlich seinen Ellbogen in die Seite zu pieken. „Du bekommst davon nur frühzeitig Falten."

„Du—"

„Wo ist der Wagen?", unterbrach Sehun. „Ich kann es kaum erwarten, diesen Partner von dir kennenzulernen. Ich sehe es schon regelrecht vor mir! Das wird ein aufregender Show-down werden!"

Vielleicht, wirklich nur vielleicht, hatte Kyungsoo eine Schwäche für die schlimmste Art von nervtötenden Personen. Vielleicht war das ein Zeichen dafür, dass er eine masochistische Ader hatte. Für den Moment jedoch seufzte er tief und steuerte den Wagen an.

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Ich hoffe, ihr hattet bislang schöne Weihnachtsfeiertage? ^^

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