Kapitel 18: Sehun

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Tag: 230 „Und ich bin noch immer nicht TikTok-Famous."

Es war windiger als Sehun erwartet hatte. Mochte daran liegen, dass sie auf dem Hubschrauber-Landeplatz eines alten Hochhauses standen.

Er konnte nicht genau sagen, wann die Situation eskaliert war... vielleicht erst als Sehun dieses Telefonat zwischen seinem Nachbarn und einer unbekannten Person mitangehört hatte. Vielleicht als er ihn zerknirscht nach seinem Namen fragte – nenn mich Kyungsoo, du Nervensäge – vielleicht, als Sehun angemerkt hatte, dass das brüchige Parkhaus gegenüber des Krankenhauses nicht der Hintereingang war, den er sich vorgestellt hatte... und Kyungsoo prompt eine Waffe auf ihn richtete.

Und das mit Abstand Schlimmste – Sehun konnte die Aktion nicht einmal filmen, wenn er nicht auf der Stelle durchlöchert werden wollte. Er musste sich dringend etwas einfallen lassen.

Kyungsoo beendete gerade ein Telefonat und begann seinen Rucksack zu öffnen. Sehun machte vorsichtig auf sich aufmerksam.

„Was hast du da drinnen?"

„Meine Sniper-Ausrüstung."

„Oh." Er dachte kurz nach. „Ich habe früher ‚Call of Duty' gespielt?"

Kyungsoo drehte sich zu ihm um.

„Ich weiß schon, dass ist nicht ganz dasselbe, aber—"

„Das ist so weit voneinander entfernt wie Du von der Möglichkeit zu überleben." Er griff tief in den Rucksack hinein und begann eine Art Stativ und einen schmalen Koffer herauszuholen. „Ich hätte dich bereits erschießen sollen, als du die ‚Coronators' gegründet hast."

„Ja – haha – wir machen alle Fehler." Sehun schluckte. Kyungsoo hatte ihn mit Handschellen an ein Metallkonstrukt gefesselt, so dass er nicht einmal zurückweichen könnte, wenn er ihm eine reinhaute. Und mittlerweile traute Sehun ihm alles Mögliche zu.

Kyungsoo seufzte. „Halt einfach den Mund bis ich hier fertig bin."

„Gut. Das mache ich." Es war spät geworden und die Lichter der Stadt strömten zu ihnen hinauf. Rot und Orange und ein Schimmer Blau... Das Krankenhaus wirkte besonders hell. „Mh, was genau hast du eigentlich vor?"

„Habe ich nicht gesagt—"

„Ja, klar. 'tschuldige." Sehun tappte zwei Mal mit dem Fuß auf dem Boden, bevor er noch einmal den Mund öffnete. „Also... was genau bist du?"

Kyungsoo seufzte. „Ich sollte dich als erstes kaltmachen, damit du endlich den Mund hältst."

Sehun schluckte. „Ich wollte dich nicht belästigen."

„Nicht belästigen?" Kyungsoo stand auf und wandte sich Sehun zu. „Du belästigst mich seitdem du eingezogen bist! Weißt du, dass wir verdammt dünne Wände haben? Ich höre dich jeden Morgen durch deine Wohnung tanzen, nachts fängst du manchmal aus dem Nichts an Schlagzeug zu spielen und deine verdammte Angewohnheit Selbstgespräche zu führen! Du machst mich wahnsinnig!"

Sehun blickte in den schwarzen Endpunk seiner mickrigen Existenz hinein, als Kyungsoo den Lauf seiner Pistole auf ihn richtete. Er schluckte. „Tut mir leid."

„Zu spät."

Sehun hätte niemals gedacht, dass er in solch eine Situation geraten würde. Er schloss die Augen. „Du... Ich weiß, dass du mich gleich erschießen wirst, aber... ich denke, du hast eine wirklich schöne Singstimme."

„Was?"

„Die Wände sind dünn. Und du singst beim Duschen... und draußen beim Wäscheaufhängen..."

„Unsinn."

„Ich habe es gehört."

„Halt den Mund!"

Sehun öffnete die Augen und Oh... es war dunkel, aber Sehun glaubte, dass Kyungsoos Wangen rot geworden waren. Er schluckte. „Um ehrlich zu sein, hatte ich gehofft, dass du dich uns anschließen würdest... als ich die Coronators gegründet habe."

„Was? Du spinnst."

„Wir hätten jemanden wie dich gebraucht..."

Kyungsoo tippte den Lauf seiner Waffe gegen Sehuns Stirn. „Genug jetzt."

„Klar." Sehun kniff die Augen zusammen. „Vielleicht ist es besser so."

Kyungsoo stöhnte. „Kannst du nicht einfach—"

„In acht Tagen hätte ich meine Bachelor-Arbeit einreichen müssen und ich ziehe eine weltweite Epidemie auch nur einem Semester an der Uni vor. Ich schwöre es." Er lächelte. „Setz fort, was ich nicht erreichen konnte."

„Du hast absolut den Verstand verloren."

„Ich weiß... Sag mir nur, wieso willst du verhindern, dass die Epidemie aufhört?"

Kyungsoo dachte kurz nach, dann seufzte er. „Ich bin der Präsident der Vereinigung für Introvertierte." Er entsicherte seine Waffe.

„Oh... das passt."

„Das war ein Scherz."

„Trotzdem."

Und Sehun hätte niemals gedacht, dass ein Mann, der einen Kopf kleiner war als er, ihn letztlich ins Grab bringen würde. Das erinnerte ihn nur daran, dass unmöglich nicht in seinem Wortschatz existierte.

Er schloss die Augen.

It's Corona TimeWhere stories live. Discover now