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Er konnte den angespannten Tonfall in der Stimme seines Bosses hören. Michail war stets im Bilde über alle seine Geschäfte und so waren diese überraschend auftauchenden 100.000 Euro für ihn Anlass zur Skepsis. Alex nahm seine Hand von der Blondine und beugte sich vor. »Das ist alles aus ein paar manipulierten Einsen und Nullen entstanden.«

Michail kniff seine Augen zusammen und lehnte sich zurück. »Sprich deutsch mit mir, Sascha.«

Gegen seinen Willen musste Alex schlucken. So offensichtlich Michail sich auch über die 100.000 Euro gefreut hatte, jetzt war nichts als Skepsis übrig – und ein Hauch von Genervtheit, weil er etwas nicht verstand. Der alte Boss hasste nichts mehr, als wenn er etwas nicht verstand. Entschlossen griff Alex ebenfalls ein Bündel und fächerte es mit seinen Fingern auf. »Jeder dieser Geldscheine stammt aus einem von vielen Geldautomaten hier in Hamburg. Wir haben Kreditkarteninformationen von einigen braven Mitbürgern gesammelt und Duplikate erstellt, um Geld abheben zu können.«

Michail schleuderte sein Geldbündel auf den Tisch. »Das klingt nach ziemlich viel Laufarbeit. Kreditkarten von, wie du es ausdrückst, braven Mitbürgern haben ein ziemlich niedriges Limit.«

Alexander erlaubte sich, ein Grinsen auf seinen Lippen zu zeigen. »Deswegen haben wir vorher das Limit manipuliert. Ich habe einen ziemlich guten Hacker gefunden, für den es ein Kinderspiel war, der Bank weiß zu machen, dass diese oder jene Kreditkarte jetzt ein Limit von 10.000 hat.«

Langsam trat ein Leuchten in Michails Augen. »Und dann habt ihr einfach das Limit ausgereizt und Geld abgehoben?«

Er nickte bestätigend. »Exakt. Ein anderer, den du mir empfohlen hast, hat sich um die Kameras in den Filialen gekümmert. Dann ist einer meiner Männer los, hat an zehn unterschiedlichen Automaten in unterschiedlichen Gegenden von Hamburg Geld abgehoben und dann Bescheid gegeben. Sobald das Geld runter war, wurde das Limit wieder auf den Ursprung zurückgesetzt.«

»Ich vermute, dass das in der Praxis deutlich komplizierter ist, als wie du es mir hier erklärst«, murmelte Michail, während er sich mit der Hand über sein Kinn strich. Für einige Momente schloss er die Augen und schien nachzudenken. Als er sie wieder öffnete, war ein harter Ausdruck darin zu sehen. »Was ist dein Ziel, Alexander?«

Alex öffnete den Knopf an seinem Jackett und sank zurück in die Kissen, wo er sofort einen Arm um die Blondine neben ihn schlang. Er zuckte mit den Schultern. »Ich wollte dir zeigen, wie leicht man an Geld kommt, wenn man Menschen hat, die sich in der digitalen Welt auskennen.«

Ohne zu blinzeln starrte der alte Mann ihn an. »Das ist alles?«

Er erwiderte den Blick ebenso unverwandt. »Das ist alles.« Er zwang sich, nicht zu schlucken. Sein Mund fühlte sich trocken an und sein Nacken kribbelte. Natürlich war das nicht alles, aber er hatte gelernt, mit verdeckten Karten zu spielen.

Für einige Herzschläge lag Michails Blick noch auf ihm, dann begann der Boss zu nicken und griff wieder nach seiner Zigarre. Er nahm einen tiefen Zug, hustete heftig und stieß den Rauch wieder aus. »Schön. Nächsten Sonntag gehe ich mit Fjodor essen. Grischa will uns eine neue Geschäftsidee vorstellen. Du kommst mit und präsentierst in Detail das hier. Ich will wissen, was die beiden davon halten. Wenn du die überzeugen kannst, schau ich mir die Sache vielleicht näher an.«

Beinahe hätte er vor Erleichterung geseufzt, doch Alexander riss sich zusammen. Freudentänze konnte er später aufführen. Stattdessen nickte er bloß einmal und erhob sich. »Das Geld ist, wie gesagt, deines.«

Milde lächelnd blickte Michail zu ihm auf. »Natürlich ist es das.«

Alexander reichte ihm die Hand, nickte einmal allen vier Damen zu, dann drehte er sich um und manövrierte sich durch das Kissenmeer wieder die Treppen hoch. Er wollte gerade nach der Türklinke greifen, da hielt Michails Stimme ihn auf. »Bring ein Mädchen mit. Wir wollen uns ja auch ein bisschen amüsieren.«

Er holte tief Luft, drehte sich noch einmal um und nickte Michail zu. »Natürlich.«

Und dann verließ er das Penthaus endgültig. Draußen wartete Konstantin auf ihn. Alex bedeutete ihm mit einer Kopfbewegung, ihm schweigend zu folgen. Gemeinsam fuhren sie mit dem Fahrstuhl wieder runter, durchquerten schweigend die Eingangshalle, ehe sie hinaus in die kalte Novemberluft traten und sich auf den Weg zu Konstantins geparkten Auto machten.

»Raus damit.« Konstantins Worte waren nur ein Knurren. Er schien die Anspannung seines Freundes zu spüren.

»Ich soll den Plan Fjodor und Grigorij vorstellen. Und ein Mädchen mitbringen zum Essen.«

Ein bellendes Lachen erklang. »Ah, darum ist dein Gesicht zur Faust geballt. Zu blöd, dass keine von den Frauen in deinem Leben weiß, dass du kriminell bist, mh?«

Schnaubend blieb Alex neben dem Wagen stehen und wartete darauf, dass Konstantin ihn aufschloss. »Sehr witzig. Es gibt keine Frauen in meinem Leben.«

Nachdem sie beide eingestiegen waren, drehte Konstantin sich zu ihm um. »Frag halt eine ausm Club. Bezahl sie dafür unter der Bedingung, dass sie die Klappe hält.«

Stöhnend fuhr Alex sich durch seine dunkelbraunen Haare. »Das geht nicht, Kostja. Die denken alle, sie tanzen einfach nur in einem Club. Wenn ich die mitnehme, checkt sie, dass der Besitzer in was Größeres verwickelt ist – und dann dauert es nicht lange, bis alle wissen, dass sie in einem Mafiaclub arbeiten. Das kann ich nicht gebrauchen.«

Konstantin startete den Wagen und lenkte ihn in den Verkehr. »Jo, verstehe ich. Kennste keine, die halbwegs vertrauenswürdig ist und keine Ahnung hat, dass du Clubbesitzer bist?«

»Du weißt genauso gut wie ich, dass ich nie mit Frauen was anfange, die nicht in einem der Clubs arbeiten. Zu viel Stress.« Noch während er die Worte aussprach, hielt er inne. Wenn er genauer darüber nachdachte, gab es eventuell doch jemanden, der in Frage käme. Nachdenklich legte er den Kopf schräg.

»Aber vielleicht checkt sie auch gar nicht, was los ist«, fuhr Konstantin fort. »So wie ich Michail kenne, gibt's n piekfeines Essen, bei dem nur dumm rumgeschwatzt wird, und wenn's dann zum Geschäft kommt, zieht er sich mit den Männern zurück, während die Frauen sich alleine amüsieren sollen.«

Alex nickte langsam. Der Boss sprach üblicherweise nicht vor Außenstehenden über Geschäfte. Aber wer wusste, worüber die Frauen in Abwesenheit der Männer sprachen. Er konnte nicht riskieren, dass eine seiner Angestellten erkannte, was Sache war. Aber wenn es jemand war, der nicht wusste, dass er der Besitzer war, wäre es etwas anderes. Selbst wenn sie verstand, dass da kriminelle Dinge am Laufen waren, was sollte sie tun? Sie kannte nur seinen falschen Namen und kannte keine Details. Wem sollte sie was verraten, selbst wenn sie ihr Schweigen brach?

»Ich glaub, ich hab jemanden, der passt«, sagte er schließlich langsam. »Ich kenne sie nicht gut, aber zumindest weiß sie nicht, wer ich bin. Und sie scheint mir zu vertrauen.«



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