7

1.9K 127 8
                                    


Mit grimmiger Miene starrte Alex auf das Treiben unter ihm. Die riesige Lagerhalle war hell erleuchtet und eine Handvoll Männer wuchteten Pakete von einem Rollbehälter auf die langen Tische, die sich quer durch die Halle zogen. Alle trugen Schutzmasken und Handschuhe und an jedem Ausgang war ein Wachmann positioniert. Kameras erfassten jeden Winkel der Halle und von dem kleinen Büro auf der Galerie aus hatte man alles im Blick. Alles lief geordnet, jeder Handgriff saß, niemand wagte es, auch nur einen Hauch von der vorgegebenen Routine abzuweichen. Sie waren alle Profis.

Trotzdem hasste Alexander diesen Teil seiner Arbeit. Hier stand er und überwachte, wie eine Ladung Drogen aus Südamerika ausgeladen und in viele kleinere Ladungen umgewandelt wurde. Nur ein Pfund behielten sie hier in Hamburg, der Rest machte sich auf die weitere Reise Richtung Osteuropa. Was hier ankam, hatte meist eine Reinheit von 70 Prozent, aber das würde sich vor der Weiterreise ändern. Mehr als 30 Prozent kam selten jenseits von Hamburg bei ihren Partnern an. Und selbst das war noch viel und wurde von ihren Partnern jenseits der Grenze ein weiteres Mal gestreckt.

Jeder wollte an dem dreckigen Geschäft verdienen und so versuchte jeder, die Menge mindestens zu verdoppeln, ehe er sie weiterverkaufte. Alex hatte schon seit über zehn Jahren mit dem Drogenhandel zu tun und wusste sehr genau, dass das, was da unten lag, unfassbar viel wert war.

Aber er wusste auch ganz genau, was Heroin mit einem Menschen anstellen konnte. Grimmig schaute er zu dem Verwalter, der für den reibungslosen Ablauf zuständig war. Der hatte keinen Blick für das Treiben unten in der Halle übrig, sondern widmete sich lieber den Papieren, die die verschiedenen Drogenpakete als ganz andere Sendungen auswiesen.

Alex unterdrückte ein Stöhnen und lehnte sich mit dem Rücken an die riesige Glasscheibe der riesigen Fenster, die das Büro auf zwei Seiten vollständig umschlossen. Sie hatten Glück gehabt dieses Mal. Der Container mit den Drogen hatte den Zoll in Hamburg in Rekordgeschwindigkeit durchlaufen und sie waren ohne Probleme an die Lagerhalle des unwissenden Bananenimporteurs gelangt, in dessen Kisten sich ihre Fracht verborgen hatte. Nicht immer ging das gut.

In den letzten Jahren war der Zoll strenger und aufmerksamer geworden. Schiffe aus Südamerika wurden besonders gründlich untersucht, weil inzwischen jedes Kind wusste, dass sie oft Drogen transportierten. Doch die Menge an Schiffen, die täglich im Hamburger Hafen einliefen und ausgeladen, zollamtlich abgefertigt und überprüft werden mussten, war nicht weniger geworden. Es war unmöglich für den Zoll, jeden Container zu prüfen, und so war es jedes Mal ein Glücksspiel, ob sie Drogen fanden oder nicht.

Schritte klangen laut von der Metalltreppe herauf und kurz darauf trat Dimitrij ein. Er hatte ein Paket in der Hand und nickte auffordernd. »Wir sind hier fertig. Lass los machen.«

Alexander stieß sich von dem Fenster ab, griff nach seinem Mantel, den er über einen der uralten Bürostühle gehängt hatte, und folgte seinem Genossen nach draußen. Mit schnellen Schritten liefen sie die lange Treppe hinab, über die sandige Straße bis hin zu der schwarzen Limousine, mit der sie hergekommen waren. Dimitrij stieg auf den Beifahrersitz und schmiss das Paket achtlos ins Handschuhfach.

Kopfschüttelnd stieg auch Alex ein und startete de Motor. Er wusste inzwischen, dass die sicherste Weise, Drogen zu transportieren, war, so zu tun, als hätte man nichts zu verbergen. Es half auch, ein teures Auto zu fahren, das nicht nach übertrieben viel Geld aussah. Obwohl er viel lieber ein altes American Muscle Car gefahren wäre, würde er damit stets viel zu viel Aufmerksamkeit erregen.

»Ich will das Zeug nicht in meinen Clubs sehen, haben wir uns verstanden?« Alex blickte konzentriert auf den Straßenverkehr und legte mehr Schärfe als nötig in seine Stimme, um den fehlenden strengen Blick auszugleichen.

»Ja, Mann!«, brummte sein Beifahrer. »Wir haben's jetzt langsam alle kapiert. Deine Clubs, deine Regeln. Kannst froh sein, dass Michail dich mag und dir diese Extrawürste durchgehen lässt. Also hör auf, uns das allen ständig unter die Nase zu reiben.«

Zischend stieß Alex die Luft aus. »Die Clubs sind zu wichtig für uns. Wir können es nicht gebrauchen, dass die Bullen wegen scheiß Drogen vor der Tür stehen. Als nächstes schauen sie in die Bücher und dann können wir den Laden dicht machen. Ich will keine Extrawürste, ich will einfach nur die Geschäfte auseinander halten.«

Dimitrij schnaubte abfällig. »Ach, laber keinen Scheiß, Mann. Du willst dir nur nicht die Hände dreckig machen. Du willst bloß bei den Ladies gut dastehen. Der gute Besitzer, der sie vor den bösen Gangstern beschützt, die mit ihren Drogen alle in den Abgrund reißen wollen.«

Alex hielt an einer roten Ampel und schaute Dimitrij von der Seite an. »Denk doch, was du willst. Michail hat mir zugestimmt. Sag ihm doch nächstes Mal, wie scheiße du das findest. Werden ja sehen, ob du den Mut dazu hast.«

Der andere Mann lief rot an vor Wut, doch er blieb stumm. Während Alex weiterfuhr, musste er ein Grinsen unterdrücken. Es stimmte, Michail mochte ihn. Und nur deswegen konnte er seine drei Clubs so leiten, wie er es tat. Nur deswegen waren seine Clubs die wenigen in Hamburg, die drogenfrei waren. Die anderen, die drogenfrei waren, zahlten alle saftige Schutzgelder, um es so zu haben. Aber Michail hatte seiner Entscheidung nicht zugestimmt, weil er ihn mochte. Er hatte schlicht seine Gründe eingesehen und zugestimmt.

Zwei Abfahrten später ließ er Dimitrij am Straßenrand raus, ehe er weiter zum Blue Moon fuhr. Eigentlich hätte er dieses Wochenende im Black Sun sein sollen, aber da Mutter Brigitte dort zuverlässig selbst auf die Abrechnungen schaute, war es nicht zwingend erforderlich. Also konnte er es sich erlauben, seinen eigennützigen Interessen nachzugehen.

Die neue Tänzerin, Elisabeth Peterson, hatte es ihm nach der ersten Begegnung angetan. Er war sich immer noch nicht sicher, ob sie vertrauenswürdig war, aber im Grunde konnte ihm das auch egal sein. Sie musste nicht wissen, wer er war, und bisher hatte sie anscheinend auch niemand aufgeklärt. Wenn sie für die Bullen spionierte, würde sie bei ihm auf Granit beißen. Und während sie das tat, konnte er in Ruhe ihren Körper genießen. Er musste sie nur dazu bekommen, schwarz zu tragen.



Hoppla! Dieses Bild entspricht nicht unseren inhaltlichen Richtlinien. Um mit dem Veröffentlichen fortfahren zu können, entferne es bitte oder lade ein anderes Bild hoch.
EnsnaredWo Geschichten leben. Entdecke jetzt