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Müde ließ sich Elisabeth am Montagmorgen neben ihrer besten Freundin auf den Stuhl fallen. So sehr sie ihr Studium auch liebte, den Montag mit Mediengeschichte zu beginnen, würde dieses Semester sehr viel Geduld abverlangen. Ein Blick auf Anke, die ihren Kopf auf ihren Armen auf dem Tisch abgelegt hatte, zeigte ihr, dass sie nicht alleine war mit diesen Gefühlen. Es war erst die zweite Woche des neuen Semesters, doch schon jetzt hielt der Alltag der langweiligen Module Einzug.

»Hey, Schlafmütze!« Sie stupste Anke sachte in die Seite. »Wie war dein Wochenende?«

»Zu kurz«, grummelte ihre Freundin, während sie sich ergeben aufrichtete und ihre schwarzen Haare aus dem Gesicht strich. »Ich hab mir Gedanken über mein Projekt nächstes Semester gemacht und festgestellt, dass ich alles und nichts will.«

Seufzend ließ Elisabeth ihren Blick durch den Hörsaal wandern. Das Praxisprojekt im vierten Semester war als Gruppenarbeit angelegt und ihre zuständige Professorin hatte sie letzte Woche darüber aufgeklärt, dass sie Gruppen von mindestens vier Personen bilden mussten. Danach hatte sie verschiedene Projektvorschläge aufgelistet und alle angewiesen, das Wintersemester zu nutzen, um sich über ihre Interessen klarzuwerden und Partner zu finden. Sie selbst hatte nicht wirklich Präferenzen, sie wollte einfach nur eine Gruppe, in der alle an einem Strang zogen.

Was sich im bisherigen Studium als unmöglich erwiesen hatte.

»Wofür auch immer du dich entscheidest«, flüsterte sie Anke zu, während der Professor eintrat, »ich bin auf jeden Fall in deiner Gruppe dabei. Mir ist konstruktive Zusammenarbeit wichtiger als das Thema.«

Ihre Freundin nickte nur zur Antwort, ehe sie ihren Laptop hervor kramte, um die Vorlesungsfolien der heutigen Sitzung aufzurufen. Elisabeth tat es ihr nach, doch sie öffnete stattdessen ein Schreibprogramm. So wichtig Mediengeschichte bestimmt auch war, sie hatte bereits letzte Woche nach der Einführung entschieden, dass sie diese 90 Minuten am Montagmorgen nutzen würde, um an ihrem Vortrag, den sie in Medientheorie zugeteilt bekommen hatte, zu arbeiten. Sie würde für die Klausur am Ende des Semesters einfach ein bisschen mehr lernen und hier nur für die obligatorische Präsenz anwesend sein.

***


»Kommt ihr mit in die Mensa für eine Kaffeepause?« Peter, ein Kommilitone, der eigentlich schon im sechsten Semester war, aber dieses Modul wiederholen musste, trat am Ende der Vorlesung an sie heran und lächelte breit.

Für Elisabeth war ziemlich offensichtlich, dass er nur fragte, weil er an Anke interessiert war, und genau deswegen stimmte sie überschwänglich zu. Ihre hochgewachsene Freundin verdiente es, dass sich endlich mal ein Mann für sie interessierte. Mit ihren knapp 1,80 Metern war sie den meisten Männern zu groß, und da half ihre Figur, die ein Model neidisch gemacht hätte, nicht viel weiter. Sie kannten sich schon seit der Schule und so wusste Elisabeth, dass Anke noch nie einen Freund gehabt hatte.

Sie packte ihre Freundin an der Hand und zog sie hinter sich her, während Peter ihnen eine Schneise durch die durcheinander wuselnden Studenten auf dem Campus eröffnete. Auf der Fensterseite der Campus-Mensa saßen bereits diverse Studierende, die sich die Oktobersonne ins Gesicht scheinen ließen. Gezielt suchte Elisabeth ihrer Dreiergruppe den letzten Tisch am Fenster, während Peter losgeschickt worden war, um für alle drei den üblichen Kaffee zu kaufen.

»Kann ich mir nachher deine Notizen anschauen?«, fragte Anke schläfrig, die schon wieder ihren Kopf auf ihren Armen abgelegt hatte und sie nur mit einem offenen Auge von unten her anschaute.

Grinsend zuckte Elisabeth mit den Schultern. »Klar, aber die werden dir nicht viel bringen.«

»Wieso? Du hast doch die ganze Vorlesung über super viel mitgetippt.«

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