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Als schließlich alle ihren Bericht abgeliefert hatten, war es an Alex, ebenfalls aufzustehen und von seinen Geschäften zu erzählen. Ohne sich seinen Missmut anmerken zu lassen, schob er seinen Stuhl zurück und stand auf. »Das Blue Moon, Black Sun und Red Star laufen alle weiterhin gut. Die Bücher sind ordentlich geführt, so dass die Steuerprüfung nächstes Jahr kein Problem sein sollte. Von den zehn Clubs, die zudem in meinen Bereich fallen, haben alle diesen Monat brav ihren Beitrag geleistet. Wir mussten nirgends nachhelfen und alle sind zufrieden.«

Ergeben betete er die Fakten zu dem Teil des Drogenschmuggels, der ihm unterstand, runter. Er war froh, dass ein Großteil seiner Arbeit derzeit darin bestand, seine drei Clubs zu führen und die Geldwäsche in ihnen am Laufen zu halten. So ziemlich alle anderen Aspekte waren ihm zuwider.

Mit einem Nicken beendete er seinen Bericht und setzte sich wieder hin. Nach ihm stand erneut Michail auf, der nun noch schwächer wirkte als zuvor. Alexander war kurz davor, sich neben ihn zu stellen und ihn zu halten, doch das würde er nicht wagen. Der alte Mann tupfte sich mit einem Stofftaschentuch den Schweiß von der Stirn. »Ich weiß, ihr Jungspunde wollt, dass wir moderner werden. Digital. Und ich weiß, dass jene unter euch, die aus meiner Generation kommen, sich dagegen sträuben. Wir kennen unser Geschäft, es ist seit über fünfzig Jahren gleich. Unsere Vorfahren waren Piraten, die sich gegen die Pfeffersäcke organisiert haben, und wir halten diese Tradition stolz aufrecht. Es liegt keine Ehre darin, auf einem virtuellen Konto Zahlen hin und her zu schieben. Es liegt keine Ehre darin, sich hinter digitalen Mauern zu verstecken. Wir sind heute da, wo wir sind, weil wir alle uns nicht zu fein sind, uns die Hände schmutzig zu machen.«

Alex unterdrückte ein Augenrollen. Diese Worte hatte er inzwischen so oft gehört. Während der Rest der versammelten Männer zustimmend nickte und er sehen konnte, wie sie alle bei dem Wort Ehre grimmige Blicke austauschten, konnte er nur den Kopf schütteln. Er mochte Michail und nach allem, was dieser für ihn getan hatte, würde er ihm immer loyal zur Seite stehen. Doch der Pathos, mit dem er zweifelhafte Verbindungen zur Vergangenheit zu ziehen versuchte, inspirierte ihn nicht zu großen Taten, sondern hinterließ nur schalen Geschmack. Nichts davon war wahr.

Geduldig lauschte er Michails Worten, ohne die Miene zu verziehen. Er würde warten. Seine Projekte liefen, auch ohne Wissen der anderen, und sobald er positive Berichte hatte, würde er Michail die Augen öffnen. Er würde ihm zeigen, wie unreguliert die digitale Welt war und wie leicht es entsprechend sein konnte, dort Geld zu machen.

Als endlich alles gesagt war und alle Männer zur Verabschiedung den Ring an Michails rechter Hand geküsst hatten, machte Alex sich als einer der ersten auf den Weg zum Lagerraum, wo sie stets ihre Waffen abgeben mussten, wenn sie zu Michail wollten. Auch hier standen zwei vollkommen in schwarz gekleidete Bodyguards vor der Tür, die seine Anwesenheit ignorierten.

»Als erster hier, als erster weg, mh?« Der schlaksige Mann, der vor dem Tresor mit den eingesammelten Waffen stand, bedachte ihn mit einem schiefen Grinsen.

»Wie immer«, erwiderte Alex nur, während er darauf wartete, dass der andere ihm seine Pistole, seinen Schlagring und diverse Messer in unterschiedlichen Größen zurückgab.

Sorgfältig steckte er die Taschenpistole in die Vorrichtung im Futter seiner Jacke. Sein Schlagring wanderte in eine Außentasche der Jacke, während die Messer in Holster an seinen beiden Fußgelenken sowie in eines in seiner Jacke kamen. Nachdem er aufmerksam seine Hosenbeine so gerichtet hatte, dass sich die Messer darunter nicht mehr abzeichneten, richtete er sich wieder auf und griff das letzte, schmalste Messer, welches in ein Holster am linken Unterarm kam, wo es durch den dickeren Stoff seiner warmen Jacke ebenfalls verborgen war.

Der hochgewachsene Mann ihm gegenüber beobachtete alles mit einem spöttischen Grinsen, doch er hielt den Mund. Alex hatte vor langer Zeit sehr deutlich gemacht, wie wenig er davon hielt, wenn seine Wahl der Waffen kommentiert wurde, und seitdem trug der sowieso schon verwahrlost aussehende Kerl eine Zahnlücke mehr.

Noch bevor einer der anderen Männer überhaupt am Lagerraum angekommen war, schritt Alexander bereits in forschem Tempo die Treppen des Hochhauses hinunter zur Tiefgarage. Das gesamte Gebäude gehörte Michail, so dass an vielen Stellen weitere Bodyguards und Wachen standen, doch sie alle ließen ihn ohne die Miene zu verziehen passieren.

Mit einem tiefen Seufzen ließ er sich in sein Auto fallen. Der Tag war mal wieder viel zu lang gewesen und diese regelmäßigen Treffen mit Michail und den anderen so genannten Bossen zermürbte ihn. Es war weit nach Mitternacht. Kurz schloss er die Augen, dann startete er den Motor und lenkte sein Gefährt mit routinierten Bewegungen von seinem Stammplatz aus der Tiefgarage.

Als er seinen Wagen auf die Straße lenkte, drang kein Licht aus den umliegenden Häusern mehr. Alle anderen braven Bürger in diesem Viertel schienen bereits zu schlafen. Nur jede zweite Straßenlaterne war beleuchtet und so verschluckte die Dunkelheit seinen schwarzen Wagen immer wieder. Alex unterdrückte ein Gähnen und trat aufs Gas. Er musste ans andere Ende der Stadt fahren, um seine Wohnung zu erreichen, und auch um diese Zeit würde das auf Hamburgs Straßen mindestens eine halbe Stunde dauern.

Der Schuss traf ihn vollkommen unvorbereitet.



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