Eifersucht

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"Hermine, du darfst es wirklich niemandem sagen!", sagte ich ihr eindringlich. Wir saßen beide in der großen Halle, die bereits weihnachtlich geschmückt wurde, und machten es uns am Ende des Tisches gemütlich. Hermine lies eine Wolke aus Glitzerstaub um uns herum schweben, die sie heraufbeschworen hatte. Es war Wochenende und so lag das Gefühl von herlicher Freiheit und der Gemütlichkeit von Weihnachten in der Luft.
"Nein, werde ich nicht.", sagte Hermine. "Aber du musst dir über die Konsequenzen bewusst sein. Wenn Ron es rausfindet, und das wird er..." Jäh stoppte sie, als sie meinen Gesichtsausdruck sah. Sie rollte mit den Augen und lies die Glitzerwolke verschwinden. "Sieh mal. Ich freue mich, dass du mit Harry auf den Ball gehen wirst, wirklich. Aber Ron ist Harrys bester Freund. Wenn er euch beide gemeinsam sieht und auch ihr ihm nichts davon erzählt habt..."
"Ich weiß, ich weiß.", seufzte ich. "Harry hat gemeint, er wird es ihm bald sagen. Jedenfalls hoffe ich das. Glaub mir, Ron zu belügen ist das Letzte, was ich will." Hermines Blick wurde etwas weicher. "Sag mir lieber, was für ein Kleid du anziehen wirst..." Den Rest unseres Gespräches verbrachten wir damit, uns Vorstellungen über unsere Kleider und Frisuren Gedanken zu machen. Hermine war über ihr Date mit Ernie mindestens so aufgeregt wie ich wegen Harry.
Ich machte mich in Richtung Gemeinschaftsraum auf den Weg, als ich mich von Hermine bei der Bibliothek verabschiedete, da sie noch irrsinnig viel zu lernen hätte, meinte sie. Im Gemeinschaftsraum begrüßte ich flüchtig ein paar Leute, ging jedoch schnell in meinen Schlafsaal, da ich, angeregt durch die Ideen von Hermine, an meinem Kleid für den Ball arbeiten wollte. Ich wollte gerade zu Feder und Papier greifen, als ich einen weißen Breifumschlag auf meinem Kopfkissen entdeckte. Mein Herz begann schneller zu schlagen, als ich ihn öffnete. Triff mich beim Südeingang vom Schloss, stand in krakeliger Schrift darauf. Ich konnte es mir nicht verkneifen zu grinsen, so groß war die Vorfreude auf das, was Harry mir wohl mitteilen wollte.
Ohne weiter an mein Kleid zu denken, lief ich, so schnell ich konnte aus dem Schlafsaal hinaus, kletterte in Windeseile durch das Portraitloch und rannte die Treppen hinunter. Nachdem ich kurz überlegen musste, wo sich der Südeingang vom Schloss überhaupt befand, ging mein Marathonlauf auch schon weiter. Kurz bevor ich mein Ziel erreichte, verlangsamte ich mein Tempo und versuchte meinen schnellen Atem zu kontrollieren, da Harry von meinem Enthusiasmus auf seine Botschaft ja nichts zu erfahren brauchte. Ich versuchte, das dämliche Grinsen aus meinem Gesicht zu bekommen, welches sich seit ein paar Minuten dort eingerichtet hatte, ehe ich hinaus trat.
"Sidney!", rief eine Stimme. Es war nicht die Stimme, die ich erwartet hatte. Und auch nicht die Person, die ich erwartet hatte. Mit weit aufgerissenen Augen starrte ich Ron an.
"Hab ich was im Gesicht oder so?", fragte er etwas unsicher. Ich fand meine Stimme wieder. "Nein..nein, ich dachte nur, dass du...ach egal. Hast du ein schönes Wochenende?" Ron starrte auf den Boden. Hatte er etwa von mir und Harry und dem Ball erfahren? Ich spürte eine Woge der Panik in mir aufsteigen. Er sah zu Boden und ich sah seine Wangen einen rötlichen Hauch annehmen.
"Nun ja...ich wollte dich fragen, ob..." Oh nein, ich ahnte, was gleich kam. "Ob...Willst du mit mir auf den Ball gehen? Bitte?" Er sah mich, nun gänzlich rot im Gesicht und scharendem Fuß im Kies an. Man musste kein Experte sein, um zu erkennen, wie furchtbar unangenehm ihm die Situation gerade war. Da war er nicht der Einzige.
"Oh. Ich...ich, ähm...", ich rang mit Worten, die sich einfach nicht zu einem Satz zusammen bauen ließen. Ich werde mit Harry auf den Ball gehen, er hat mich schon gestern gefragt. Es tut mir wirklich Leid, du bist ein toller Junge aber leider etwas zu spät dran. Ich will mich nicht zwischen dich und Harry stellen, deswegen hoffe ich, dass du meine Entscheidung hinnimmst und wir weiter Freunde sind. Harry ist der Junge, in den ich mich gerade vielleicht verliebe und aus irgendeinem unfassbaren Grund tut er das anscheinend auch. Es gibt noch viele, viele Mädchen in Hogwarts, die nur darauf warten, dass du sie frägst. Hätte ich sagen sollen. Doch stattdessen rang ich weiter mit meiner Antwort. Es würde kein Weg daran vorbeiführen, ihm eine Antwort auf seine Frage zu geben, ohne ihm dabei von Harry zu erzählen. In diesem Moment ertönte die Glocke für das Abendessen und aufeinmal lief eine Schaar von Schülern kreuz und quer herum. Ich war noch nie so dankbar für die Schulglocke gewesen.
"Ron, ich muss rein, ich hab noch etwas extrem wichtiges zu erledigen.", rief ich ihm zu, als ich auch schon halb von der Heerde von Schülern verschluckt wurde. "Alles klar!", er antwortete etwas zu schnell und betont locker.
"Wir reden dann später!", sagte er. Anscheinend hatte er nichts auffälliges bemerkt. Ich wusste zwar nicht, was ich ihm für später sagen sollte, aber für den Moment war mit das 'später reden' mehr als recht.
Ich blickte mich suchend in der großen Halle zwischen den vielen Schülern um, als ich fand, was ich suchte. Harry stand in der Nähe des Lehrertisches und hatte gerade eine angeregte Diskussion mit Seamus Finnigan.
"Ich sag dir, wenn man die Spielergebnisse der Chudley Channons von diesem und letztem Jahr vergleicht, dann sieht man ganz deutlich...", erklärte Seamus gerade Harry, als ich dazustieß und mich vernehmlich räusperte.
"Sorry.", sagte ich leise an Harry. "Kann ich dich kurz sprechen? Es geht um Ron." Harry hörte meinen Worten genaustens zu und nickte dann ernst.
"Natürlich, komm. Seamus, wir sprechen später weiter, in Ordnung?" Seamus zeigte mit einer Geste seiner Hand, dass es okay war. "Alles klar.", sagte Harry, legte mir seine Hand auf meinen Rücken und schob mich durch die Mengen hindurch. Vor dem Eingang der großen Halle hatten wir wieder freie Luft zum atmen.
Harry sah mich nervös an. "Um was geht's? Hat er etwas gemerkt?" Ich schüttelte den Kopf.
"Nein, nein, darum geht es nicht..." Ich schaute auf, in Harrys grüne Augen. "Er hat mich gefragt ob ich ihn auf den Ball begleiten will."
Harry schluckte. "Und...und was hast du gesagt?"
"Gar nichts.", sagte ich, immer noch sichtlich erleichtert. "In dem Moment gongte es zum Abendessen und ich konnte mich schnell aus der Sache heraus reden. Aber er hat gemeint, wir würden dann später reden..."
Aber darauf achtete Harry gar nicht sondern sagte: "Du hast nicht nein gesagt?" Hörte ich da etwa Vorwurf in seiner Stimme. Ich runzelte irritiert die Augenbrauen.
"Natürlich nicht. Dann hätte ich ihm sagen müssen, dass ich bereits mit dir auf den Ball gehe und genau das wolltest du doch nicht. Du wolltest ihm es selbst sagen.", verteidigte ich mich.
"Wenn du lieber mit ihm gehen willst, dann sag es bitte jetzt gleich." Ich verdrehte die Augen. Das war so typisch Harry.
"Ich will mit Dir gehen, Harry, und das weißt du auch. Stell das jetzt bitte nicht in Frage."
"Aber dann hättest du Nein zu ihm gesagt." Ich schloss entnervt meine Augen.
Es war, als würde ich einem kleinen Kind die Binomischen Formeln erklären. "Ich habe dir doch bereits erklärt, dass...." Ich atmete genervt aus. "Vergiss es, das hat sowieso keinen Sinn. Aber sprich bald mit Ron und klär das, denn ewig werde ich ihm nicht mehr ausweichen können." "Okay...", sagte Harry, und ich meinte ein bisschen aus seiner Stimme herausgehört zu haben, dass er erkannt hatte, dass er überreagiert hatte.
"Wollen wir dann jetzt zu Abend essen?", fragte ich und versuchte, versöhnlicher zu klingen. Harry nickte und wir machten uns wieder auf den Weg zum Gryffindortisch.
Zwar hatten wir uns am Ende unseres Gespräches geeinigt, doch ich spürte eine eisige Wand zwischen uns, von der ich hoffte, dass sie bald wieder schmelzen würde. Wir setzten uns zu Hermine und Ron, die bereits dort waren. Zwischen Ron und mir herrschte nicht, wie ich es eigentlich erwartet hätte, gehemmte Stimmung, sondern wir lachten alle soviel, wie schon lange nicht mehr. Ron hatte erzählt, wie Neville es heute in Zaubertränke geschafft hatte, drei Kessel aufeinmal in die Luft zu jagen, die allesamt sich über Snapes Kopf ergossen hatten.
Er machte die Stimmen so gut nach, dass mir Tränen vor Lachen in den Augen standen. "Oh gott...", japste ich. "Mach bitte nochmal die Stelle, wie Snape geschaut hat, nachdem das alles geschehen ist." Ich musste mir den Bauch halten, da ich langsam Seitenstechen bekam. Ron setzte gerade zu seiner Grimasse an, als plötzlich Besteck klirrte.
Harry erhob sich und pfefferte seine Serviette auf den Boden. "Freut mich, dass ihr euch so gut amüsiert.", sagte er trocken. "Harry...", flüsterte Hermine. Verdammt. Ich hatte über Rons Witze gelacht, da er für mich einer der witzigsten Freunde war, die ich kannte. Dass dieses Lachen in Harrys Augen, gerade nach unserem Gespräch von vorhin anders wirken könnte, hatte ich nicht bedacht.
Ich stand ebenfalls auf und hielt ihm am Arm fest. "Harry, nicht.", sagte ich bittend. Wir standen etwas abseits gewandt, sodass uns niemand hören konnte.
"Ich wollte euch nicht länger beim Lachen stören, da hätte ich euch doch nur die Stimmung verdorben." Seine Stimme klang immer noch tonlos und sein Gesicht war ausdruckslos, aber dennoch klangen seine Worte scharf und gedrückt.
"Harry, wir haben einfach nur über Snape gelacht, weiter nichts. Darf ich denn jetzt nichteinmal mehr lachen?"
"Du weißt genau, wie ich es meine." Seine Stimme klang brüchig.
"Dann vertrau mir doch endlich einmal.", sagte ich flehend und legte ihm meine Hand auf seine Schulter, doch die schüttelte er kalt ab. Ich starrte ihn fassungslos an. Sollte ich mir das wirklich gefallen lassen?
"Wieso gehst du nicht gleich mit ihm auf den Ball? Dann ersparen wir uns das Ganze hier.", schnitt er scharf. Ich funkelte ihn Böse an. Das war zu viel.
"Weißt du was? Genau das werde ich auch tun. Immerhin kann ich da noch lachen und muss mir nicht alle fünf Minuten anhören, was ich falsch mache!"
Zornentbrannt und ohne weitere Konsequenzen nachzudenken, drehte ich mich um und sagte laut zu Ron. "Das Reden nacher können wir uns sparen. Meine Antwort lautet ja. Ich will mit dir zum Ball gehen." Ich setzte mich wieder an den Tisch und drehte mich nicht mehr um. Ich wollte Harrys Reaktion gar nicht erst sehen. Mir war in dieser Situation einfach nur nach Schreien zumute. Zum Glück fuhr Ron, auffallend glücklich bald mit seinen Witzen fort, sodass ich meine Tränen als Lachtränen verstecken konnte. Ron schien von all dem Radau nichts mitbekommen zu haben, nur Hermine warf mich durchdringliche, besorgte Blicke zu.

Harry's Sicht:
Ja. Ich will mit Dir zum Ball gehen. Immer wieder schossen mir ihre Worte durch meinen Kopf, während ich vor mir selbst wegrannte. Ich rannte und rannte, ohne irgendein Ziel. Ich konnte nicht mehr klar denken. Das Einzige, was immer wieder in meinem Kopf ertönte, waren Sidneys Worte. Meine Lungen brannten unerträglich doch ich rannte weiter. Ich genoss das Gefühl des Schmerzes, denn ich hatte es verdient. Hatte ich es wirklich? Habe ich übertrieben? Aber Sidney hat mir auch allen Anlass dazu gegeben. Mein Gesicht fühlte sich plötzlich nass an und ich bemerkte, dass es Tränen waren, die mir das Gesicht hinunter rannen. Ich war unheimlich dankbar in diesem Moment, dass ich alleine den schwarzen See entlang rannte, denn das sollte niemand sehen. Plötzlich fühlte ich einen pochenden Schmerz an meinem Knie. Ich war hingefallen und nicht fähig, mich wieder aufzuraffen. Nun drangen schluchzende Laute aus meiner Kehle, während ich am Boden lag und verzweifelt nach Luft rang. Die Welt war plötzlich nur noch schwarz.

Plötzlich in Hogwarts - Harry Potter FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt