Gleis 9 3/4

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Die nächsten zwei Wochen vergingen zu meiner Überraschung wie im Flug. Stacy bekam die Mandeln raus, was hieß, dass sie für die nächsten zwei Wochen nicht in der Schule sein würde. Ihre Anhängsel standen nun nur noch hilflos auf dem Pausenhof herum und wussten sich einfach nicht mehr zu helfen. Die Lehrer machten keinen richigen Unterricht mehr und so konnte man sich während den Stunden genüsslich zurücklehnen. Zuhause verbrachte ich die meiste Zeit damit, in meinen Schulbüchern zu lesen und Zaubersprüche auszuprobieren. Zu meiner großen Überraschung und Freude gelangen mir alle auf Anhieb. Am fastzinierensten fand ich Verteidigung gegen die dunklen Künste. Ich hatte mir in der Winkelgasse zu meinen anderen Schulbüchern auch noch ein anderes gekauft, ein kleines, altes Buch mit schwarzem Einband. Dort standen die abstrusesten Sachen über die dunklen Künste, die einem ziemlich Angst machen konnten. Am letzten Tag vor meiner Abreise machten meine Eltern für mich ein kleines Verabschiedungsfest. Meine Großeltern, Cousins und ein paar Nachbarn waren gekommen, die mir allesamt zu meinem Internat in Wales gratulierten. Ich schnitt mir ein großes Stück Torte ab und biss herzhaft hinein. Die Nacht konnte ich fast kein Auge zumachen. Ich war so aufgeregt und dachte über so vieles nach. Wie waren die Leute dort? Würde ich sehr schlecht sein? In welches Haus würde ich kommen? Bestimmt Hufflepuff oder gar Slytherin... Irgendwann sank ich doch in einen sehr leichten und unruigen Schlaf. Als ich die Augen aufschlug, war es schon hell. Ich stand auf, sprang unter die Dusche undzog mir eine helle Jeans und ein weißes Top mit einem Schlauchschaal an. Meine Haare fielen glatt bis zu meiner Taille herunter. Das Frühstück war sehr rührseelig. Meine Mutter schluchzte ununterbrochen und mein Vater tätschelte meine Schultern. Um halb zehn fuhren wir endlich los nach London zum Gleis 9 3/4. An King's Cross ging es sehr zu. Hunderte von Menschen fuhren nach dem Sommer wieder zurück nach hause. Dann standen wir zwischen den zwei Gleisen. Mein Vater schüttelte schmunzelnd den Kopf. "Hoffen wir, dass wir dich nicht gleich mit einer Gehirnerschütterung ins Krankenhaus bringen müssen.", meinte er. "Dad!", sagte ich aufgebracht und zugleich belustigt. Meine Mutter warf sich in meine Arme. "Ich hab dich so lieb, Schatz. Pass auf dich auf. Lern schön und stell keinen Unsinn an. In den Ferien sehen wir uns ja schon wieder." Sie verdrückte eine Träne und lies mich dann los. Auch mein Vater umarmte mich. "Ich hab euch lieb.", sagte ich und schloss nochmals beide in eine Umarmung. Nun wendete ich mich zitternd dem Gleis zu. Was, wenn es nicht funktionierte? Ich ging langsam darauf zu und spürte, wie meine Schritte schneller wurden. Aus der Ferne hörte ich noch meine Mutter rufen "Und schreib uns!", doch dann verhallten ihre Rufe mit einem Mal. Ich war durch. Ich war tatsächlich durch das Gleis gekommen. Ich lachte erfreut und schaute, ob alle Körperteile noch dran waren. Und da stand er. Exakt meinen Vorstellungen entsprechend, der dunkelrote, dampfende Hogwartsexpress. Ich spürte Heimatgefühle in mir aufsteigen. Hunderte von Schülern gingen auf dem Bahnsteig entlang, suchten ihre Koffer und verabschiedeten sich rührseelig von ihren Eltern. Ich kam mir etwas verloren vor, doch dann nahm ich meine Koffer und Skyfalls Käfig und stieg in den Zug. Es dauerte ein wenig, bis ich ihn endlich über die Wagontür geschleppt hatte, doch plötzlich wurde er leichter. Jemand musste mir geholfen haben. "Hier, ich hab ihn schon.", sagte eine Stimme gepresst unter der Last meines Koffers. Mit einem Hief war er oben. Ich schaute mich nach meinem Helfer in Not um. Ein großer, schlacksiger Junge mit roten Haaren wischte sich eine Strähne aus der Stirn. Das konnte doch nicht...Mit einem Mal hatte ich das Gefühl, mein Herz hätte aufgehört zu schlagen. Er starrte mich ebenfalls eine Zeit lang an, dann breitete sich ein Lächeln auf seinem Gesicht aus und er sagte: "Ron Weasley, hi.", er streckte mir seine Hand entgegen. Ich ergriff sie zittrig und sagte leise: "Sidney Sheppert." Ich lächelte schüchtern. "Bist du neu hier?", erkundigte er sich. Langsam fand ich wieder zu mir. "Ähm, ja. McGonnegal hatte mir diesen Sommer Besuch abgestattet." Ron pfiff durch die Zähne. "Hausbesuch von McGonnegal, wer möchte das nicht?", er zwinkerte. "Ron, komm, wir haben hier hinten ein Abteil gefunden.", ertönte eine Mädchenstimmte von weiter hinten. Das konnte doch nicht... Er rief in die Richtung der Stimme: "Ich komm gleich!" Er wandte sich wieder mir zu. "Also dann, war schön dich kennengelernt zu haben, Sidney." Ich lächelte ihn an. Dann drehten wir uns beide in entgegengesetzte Richtungen und gingen auseinander. Er drehte sich nocheinmal um und rief mir hinterher: "Ich hoffe, wir sehen uns in Gryffindor!" Ich senkte den Kopf. Das hoffte ich auch. Ganz am Ende des Zuges fand ich zu meinem großen Glück ein leer stehendes Abteil. Erschöpft lies ich mich in meinen Sitz fallen und lies die eben entstandenen Eindrücke auf mich einwirken. Konnte das alles wirklich war sein?

Bei Harry, Ron und Hermine Im Abteil: Ron betrat mit einem dämlichen Grinsen das Abteil. "Wo hast du gesteckt?", wollte Hermine wissen. "Ich habe einem Mädchen mit ihrem Koffer geholfen. Sie ist neu hier." "Achso.", meinte Hermine trocken. Ron lies sich auf den Sitz neben ihr fallen und sties ihr spielerisch in die Seite: "Keine Sorge Hermine, du musst nicht eifersüchtig sein. Wie wir alles wissen bekommen wir beide doch mal zwei Kinder und nennen sie Hugo und Rose." Er grinste sie an. Hermine verdrehte belustigt die Augen. "Zum Glück bleiben Geschichten in den Büchern. Mal ehrlich, wie konnten sie darauf kommen ausgerechnet aus uns ein Paar zu machen?" Harry starrte auf den Boden. "Immerhin ist Voldemort in dieser Geschichte ein für alle Mal vernichtet.", sagte er leise. Auf Hermines Gesicht trat ein mitleidiger Ausruck auf: "Oh Harry. Niemand weiß wo er ist, er ist viel zu schwach, um irgendetwas zu tun." "Ja, aber er ist da drausen!", sagte Harry eine Spur zu laut. Er schaute zwischen den beiden hin und her. "Tut mir Leid.", sagte er schließlich. "Es ist nur so schwer zu ertragen, wenn man eine Geschichte kennt, in der es ihn nicht mehr gibt." Wieder erntete er mitleidige Blicke. Er starrte aus dem Fenster und beobachtete die vorbeiziehende Landschaft. 

Sidney's Sicht: Die Wiesen wurden immer grüner und die Berge immer höher. Wie lange fuhren wir jetzt schon? Vielleicht eine Stunde. Ich war sehr versucht, mir die anderen Schüler genauer anzuschauen, aber das traute ich mich dann auch wieder nicht. Von einem Geräusch an meiner Abteiltüre schreckte ich hoch. "Meine Liebe, etwas vom Servierwagen?", fragte eine alte Frau mit freundlichem Gesicht. Natürlich, wie konnte ich das vergesen? Ich nahm ein wenig Geld aus meinen Taschen. "Vier Schokofrösche, bitte. Und Bertie Bott's Bohnen jeglicher Geschmacksrichtungen." Grinsend nahm ich meine Sachen entgegen. Es war lustig, die springenden Frösche wieder einzufangen und todesmutig eine Bohne nach der anderen zu probieren. Nach einer Weile holte ich den versäumten Schlaf von letzter Nacht nach. Ich wurde wieder wach, als mich jemand an der Schulter rüttelte. Ich blinzelte verwirrt und sah, dass es drausen schon dunkel war. "Ich bin Percy Weasley, Vertrauensschüler.", das letzte Wort sagte er mit unverkennbarem Stolz. "Zieh besser deinen Umhang an, in wenigen Minuten kommen wir an." Ich nickte eifrig und er entfernte sich wieder. Meine Aufregung wurde zunehmend größer. Ich zog meinen Umhang an, kämmte noch einmal meine Haare und schließlich kam der Zug langsam zum Stehen. Von Drausen ertönte ein Pfiff und die Stimme des Schaffners: "Hogwarts, alle aussteigen bitte, Hogwarts.", wiederholte er sich. Ich schloss nocheinmal die Augen. In wenigien Sekunden würde mein neues Leben beginnen. Ich war bereit.

Plötzlich in Hogwarts - Harry Potter FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt