Ziel Wille Bedacht

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Der Atem aller Anwesenden setzte aus. Inklusive der Meinige. Ich war unfähig, mich umzudrehen, da die Fesseln mich behinderten, doch trotzdem konnte ich Harrys Anwesenheit mehr als nur deutlich spüren. In Voldemorts Gesicht spiegelte sich zuerst blanke Erstaunung wieder, dann fixierte sich sein Blick auf Harry. Mein Herz schlug inzwischen so schnell, dass es sich anfühlte, als hätte es angehalten. 
"Seht euch das an, meine Freunde.", sagte Voldemort mit spöttischem Unterton. "Junges Liebesglück. Junges, törichtes Liebesglück." Die letzten Worte dehnte er lang und kalt. Erst sah ich zwei Paar Beine neben mir erscheinen, bis ich schließlich gänzlich Harrys Gestalt wahrnahm. Ich weiß, es war furchtbar, dass er hier war, doch trotzdem machte mich seine Anwesenheit plötzlich unbeschreiblich stark. Er sah mich nicht an, Voldemort und er taxierten sich gegenseitig. 
"Weshalb bist du hier, Harry Potter? Bettelst du mich um den Tod an? Diese Bitte werde ich dir nicht ausschlagen können...Du machst es mir nicht schwer."
"Dem Einzigen, dem etwas schwer gemacht wird bist du selbst. Und ich bin nicht hergekommen, um dich mich töten zu lassen, ich bin hier um meine Freundin wieder mitzunehmen, wenn du nichts dagegen hast." Harrys Stimme klang herausfordernd. Ich schnappte nach Luft. 
"Leider, mein Lieber, habe ich nun doch etwas dagegen.", sagte Voldemort mit seidener Stimme.
"Jedoch kommst du genau zum richtigen Zeitpunkt. Warte so lange bei meiner Schwester, bis ich mit meinen Todessern einige Dinge geklärt habe." Mit einem Schwung seines Zauberstabes schlangen sich nun auch Seile um Harrys Körper und er wurde zu mir auf den Boden gedrückt. Mir stiegen Tränen in die Augen, als ich ihn so sah. Als ich ihn wegen mir so sah. Voldemort lachte und seine Todesser taten es ihm gleich. "Nun seht, meine Freunde, wie schnell die Menschen doch übermütig werden! Seid Zeugen davon, wie ich die Heldin gegen das Böse und den Jungen der überlebt hat noch heute beide töten werde!" Jubeln ging durch die Meute. Mein Blick wanderte tränenverschleiert und Angst verzerrt zu Harry. 
"Ich bin hier, Sidney.", flüsterte er, sodass nur ich es hören konnte. "Wir schaffen das, hörst du? Wir kommen hier raus." Zwar klang seine Stimme beruhigend, doch ich hörte deutlich seine Unsicherheit heraus.
"Ich liebe dich.", flüsterte ich, so leise, dass man es fast nur von meinen Lippen ablesen konnte. Harry blinzelte mir zu. Voldemort stand mit dem Rücken zu uns gekehrt und erzählte seinen Todessern etwas mit gebieterischem und herrischem Ton. 
"Wo ist dein Portschlüssel?", fragte Harry. Ich schaute ihn entschuldigend und verzweifelnd an.
"Den hat Wurmschwanz weggebracht. Oh Harry, du hättest hier nicht herkommen sollen!", flehte ich ihn an, obwohl ich wusste, dass es bereits zu spät dafür war ihm das zu sagen.
"Ich wäre jetzt nirgendswo lieber als hier mit dir, Sidney. Wir können das schaffen! Wir müssen nur..." Jäh stoppte er als unsere Unterhaltung unterbrochen wurde.
"Ich will ja nur ungern stören, aber vielleicht konzentriert ihr zwei euch lieber wieder auf das Wesentliche.", zischte Voldemort bedrohlich. Dann stellte er sich mit schief geneigtem Kopf vor uns hin. 
"Wen soll ich zuerst töten? Dich, oder dich?" Seltsamer Weise erinnerte er mich in diesem Moment extrem an ein kleines Kind, das sich nicht entscheiden konnte, mit welchem Spielzeug es zuerst spielen sollte. Aber so war es auch. Für Voldemort waren wir nichts weiter als kleine Puppen, die keine Bedrohung für ihn darstellten. Doch aufeinmal viel mir ein Satz ein, den mir Dumbledore bei unserem ersten Gespräch in seinem Büro gesagt hatte.
Du hast Mächte von ungeheurer Kraft, Sidney. Vermutlich weit mächtiger, als Voldemort je war und sein wird. Aus diesem Grund wird er dich töten wollen, sobald er von dir erfährt, weil du wohl seine größte Bedrohung seit langem darstellst.
 Dumbledore konnte diese Worte nicht ohne Grund gesagt haben. Dumbledore musste überzeugt davon gewesen sein, als er mir diese Worte offenbarte. 
"Fang mit mir an. Lass es uns hinter uns bringen.", sagte ich mit plötzlich erwachtem Mut.
"Sidney, nein!", schrie Harry, doch Voldemort schwang erneut seinen Zauberstab und Harrys Worte erstickten in seinem Mund. Dann offenbarte Voldemort eine Reihe seiner dünnen Zähne.
"So töricht...", flüsterte er voller Vergnügen. Die Todesser bildeten einen großen Kreis um uns herum, Voldemort und ich standen uns gegenüber. Du schaffst das, Sidney! Mein Blick glitt zu Harry, dessen Augen rot vor Verzweiflung waren, doch ich blinzelte ihm zu, schenkte ihm ein mattes Lächeln und drehte mich wieder meinem Schicksal zu. In Zeitlupe sah ich, wie Voldemort seinen Zauberstabarm hob, doch ich war bereit, zurück zu schlagen. Bereit, zu kämpfen. 
"Crucio!", donnerte er mir entgegen. Doch diesmal war ich darauf gefasst.
Auch ich hob meinen Arm und schrie so laut ich konnte. "Protego!" Der Schutz meiner Schild war so gewaltig, dass Voldemort nach hinten taumelte. Sofort wollten Todesser zu ihm laufen, doch er stieß sie weg und rappelte sich wieder auf. Sein Gesicht war nun nicht mehr so ironisch belustigt, nein, Wut und Angst spiegelten sich darin wieder. Seine Nasenlöcher blähten sich auf. 
"Gib es auf, Tom.", sagte ich. Mir war bewusst, welche Reaktion ihn so zu nennen bei ihm auslösen würde, doch das war mir nur recht. Ich wollte ihn provozieren.
"Imperi-", setzte er an, doch schon schleuderte ich ihm den nächsten Zauberspruch entgegen. Ich hatte auf einmal diese ungeheure Zuversicht in mir, Zuversicht, dass ich es schaffen konnte. Ein weiteres Mal taumelte Voldemort leicht nach hinten. Als ich dachte, sein Gesicht könnte nicht noch wütender aussehen, breitete sich darauf plötzlich wieder dieses furchtbar unnatürliche Lächeln darauf aus. 
"Das ist nichts, Sidney Sheppert. Wie du siehst, stehe ich immer noch. Aber im Gegensatz zu dir habe ich weitaus mehr Erfahrung, ja. Ich weiß, wie man die Menschen manipulieren muss, um sie schwach zu machen...um sie zu verletzen." Für einen Moment bekam ich es mit der Angst zu tun, dann wurde mir bewusst, was er machte. Harry gleitete wie von unsichtbaren Seilen immer näher zu ihm heran.
"Nein!", rief ich. Voldemort zwang Harry mit seiner Zauberkraft, vor ihm, immer noch gefesselt auf die Knie zu sinken. Mir zeriss es buchstäblich das Herz, als ich diese Szenerie beobachtete. Zuerst wanderten meine vor Schreck verzerrten Augen zu Harry, dann wieder zu Voldemort.
"Es ist deine Schuld, Sidney Sheppert, dass er heute Nacht hier sterben wird. Nur du allein trägst die Schuld dafür. Wegen dir ist er hier." Seine weiche Stimme machte alles noch viel Schlimmer. Es kam mir vor wie in Zeitlupe. Ich sah Voldemort, wie er seinen Arm hob, bereit, zuzuschlagen. Ich sah im Hintergrund die Todesser, wie sie die Szenerie mit gierigen und neugierigen Blicken beobachteten. Ich sah Harry, der mir direkt in di Augen sah, mit wehleidigem Blick. So konnte das nicht enden, so sollte das nicht enden. Nein, nicht mein Harry! Binnen weniger Sekunden dachte ich nach. Hatte ich eine Chance? Der Portschlüssel war weg. Aufeinmal fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Konnte ich es schaffen? Würde ich es schaffen? Ich hatte keine andere Wahl. Mit all meiner Willenskraft konzentrierte ich mich auf Hogsmade, stellte mir die Ziegel der Häuser in jeder Einzelheit vor. Ich fing an mich zu drehen, so schnell ich konnte auf Harry zu. Mein gesammter Wille fixierte sich auf das Ziel Hogsmade. Aus einem Augenwinkel sah ich Voldemorts weit aufgerissene Augen, als meine Hand die von Harry berührte. In weiter Ferne hörte ich die Stimme meines Bruders einen Schrei des Entsetzens ausstoßen, ehe ich von der Dunkelheit verschluckt wurde.

Plötzlich in Hogwarts - Harry Potter FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt