Kapitel 35

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𝓜ilan und ich haben den ganzen Tag über gekuschelt, er hat sich wie immer um mich gekümmert und dafür gesorgt, dass es mir gut geht. Wir haben Filme geschaut und einfach die Zweisamkeit genossen.

Obwohl ich zuerst zögerte, entschieden wir uns Pizza zu bestellen, da mir ein normales Leben mittlerweile ziemlich wichtig geworden ist. Umbringen wird mich das wohl nicht und abgesehen davon habe ich sowieso keine andere Wahl. Das ist inzwischen auch bei mir angekommen.

Ich rufe meine Mutter an, während Milan bei dem Italiener anruft, von dem er mir schon mal etwas zu Essen mitbrachte, als wir bei mir zuhause 'König der Löwen' geschaut hatten.

»Hey Mama«, spreche ich in mein Handy.

»Hallo, mein Schatz. Ist alles in Ordnung bei dir?«, fragt sie besorgt.

»Jaja, alles gut. Ich wollte dir nur Bescheid geben, dass Milan und ich Pizza bestellt haben und ich hatte eigentlich vor dich zu fragen, ob ich heute bei ihm schlafen darf.« Innerlich bete ich, dass sie es erlaubt und nicht wieder einen totalen Film schiebt, nur weil sie Angst um mich hat, welche im Übrigen sowieso überflüssig ist.

»Ehrlich gesagt bin ich nicht dafür, aber du bist inzwischen alt genug, um das selbst zu entscheiden.«
Typisch, dass sie versucht mir ein schlechtes Gewissen zu machen, aber irgendwo kann ich sie auch verstehen. Immerhin bin ich ihre Tochter und habe jetzt meinen ersten Freund. Da macht man sich eben Gedanken.

»Danke für dein Vertrauen, Mama. Ich werde dich nicht enttäuschen. Versprochen.«

Daraufhin antwortet sie: »Pass bloß gut auf dich auf.« Ich höre, dass sie einen Kloß im Hals hat und den Tränen sehr nahe ist.

Sofort spüre ich wieder einen Stich in meinem Herzen.

Das hast du ihr angetan. Nur du bist Schuld daran, versucht mir meine innere Stimme einzureden. Doch ich gebe dieser keine Chance mich schlecht fühlen zu lassen.

»Mach ich. Ich hab dich lieb, Mama«, sage ich aufgrund meines schlechten Gewissens.

»Ich dich auch, meine Große.«

»In einer halben Stunde bringen sie das Essen«, teilt mir Milan mit, als ich das Gespräch mit Mama beendet habe.

»Ich darf heute bei dir schlafen«, juble ich und umarme ihn mit einem breiten Lächeln, nachdem er sich neben mich gesetzt hat.

»Das klingt doch gut. Dann können wir uns noch ganz viele Filme ansehen.« Er streicht mir sanft über den Rücken und hält mich fest.

In dem Augenblick zählt nur, dass wir zusammen sind und Zeit miteinander verbringen. Das hier ist unsere kleine, heile Welt, die gerade nichts und niemand zerstören kann. Seit Milan in meinem Leben ist, fühle ich mich viel vollkommener und mittlerweile habe ich Hoffnung, dass er das Loch stopfen kann, welches das Nicht-mehr-hungern hinterlassen wird.

Auch Milan scheint sich zu freuen, doch der Gedanke, dass er das alles nur macht, damit es mir besser geht, lässt mich nicht los. Seit wir Kontakt haben, ging es überwiegend um mich. So sollte eine Beziehung auf keinen Fall laufen, wenn man zusammenkommt. Aber wenn das Essen erstmal nicht mehr im Vordergrund steht, wird sich das definitiv ändern.

Ich zerbreche mir noch weiter den Kopf darüber, bis es an der Tür klingelt und uns der Pizzabote unser Abendessen liefert.

Obwohl mir das sicher nicht leicht fallen wird, habe ich mir vorgenommen die Nudeln zu essen und mich dadurch zu kämpfen, ohne aufzugeben. Auch wenn es sich im Moment leichter anfühlt aufzugeben.

Allein für Milan sollte ich es tun. Und für meine Familie. Sie haben das Leid nicht verdient. Das hat niemand.

»Kommst du?«, fragt Milan, der bereits mit Besteck am Esstisch sitzt.

Die magere WahrheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt