Kapitel 25

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𝓐ls Milan vorgeschlagen hat zu mir nachhause zu kommen, bin ich innerlich in Panik ausgebrochen. Will ich überhaupt, dass er mich nochmal besucht, nachdem, was hier das letzte Mal vorgefallen ist? Nachdem ich mich selbstverletzt habe, nervlich am Ende war und er mich in diesem Zustand gesehen hat?

Dennoch habe ich eingewilligt, weil ich keinen besseren Vorschlag hatte, wo wir uns hätten treffen können. Trotzdem ist es ungewohnt zu wissen, dass ein Junge zu mir nachhause kommt. Er ist der Erste, den ich überhaupt mit hierher bringe, auch wenn er im Grunde genommen bereits in diesem Haus war. Ich wollte nie, dass jemand Männliches hier ist, weil meine Eltern ansonsten unnötig nachgefragt und womöglich gedacht hätten, ich sei mit dieser Person zusammen. Deswegen ist es auch bei Milan merkwürdig, weil sie mich ausfragen und denken werden, wir seien ein Paar. Dabei spielt keine Rolle, ob dies der Wahrheit entspricht oder nicht.

Als es endlich klingelt, flitze ich in Windeseile zur Tür, damit ihn auch bloß niemand Anderes zuerst begrüßen und sehen kann. Vorher kontrolliere ich schnell mein Äußeres im Spiegel, damit ich nicht komplett hässlich aussehe.

»Hey«, rufe ich fröhlich und versuche mir nicht anmerken zu lassen, dass ich von meinem kleinen Sprint außer Puste bin.

Mit dem leuchtenden Lächeln und seinen Augen, die hell funkeln, strahlt mich der Blondhaarige an. In dem Augenblick ist es als würde die Sonne aufgehen und alles erleuchten. Die ganzen bösen Schatten vertreiben und im Handumdrehen dafür sorgen, dass alles Schlechte in Vergessenheit gerät.

»Hallo, Nala«, sagt er selbstsicher, während sein Lachen nur noch strahlender wird.

Eine einzelne Sonnenblume hält er in seiner Hand und in der anderen einen Pizzakarton sowie eine kleine Box und einen himmelblauen Pullover, der locker über seinem starken Arm hängt. Er trägt ein weißes T-Shirt, welches wunderbar mit seiner braungebrannten Haut harmoniert, und dazu eine dunkelblaue Jeans.

»Darf ich reinkommen?«

Wie dumm von mir, dass ich nicht selbst darauf gekommen bin, ihn hereinzubitten. Wahrscheinlich habe ich ihn viel zu sehr gemustert, was eigentlich überhaupt nicht meine Absicht war.

»Klar... Komm rein...«, stammle ich. »Willst du deine Sachen vielleicht erst in mein Zimmer bringen, bevor ich dir meine Eltern vorstelle?«

»Ja, gerne.«

Ich deute ihm an, dass er die Treppe hinaufsteigen soll, damit ich nicht vor ihm gehen muss und er mich nicht von oben bis unten begutachten kann. Dann folge ich ihm in mein Zimmer — er weiß ja schon, wo es sich befindet — und atme unbewusst seinen Geruch ein, der ehrlich gesagt gar nicht schlecht riecht.

Kurz nachdem er alles abgestellt hat, gehen wir in die Küche und ich spüre mein Herz bis zum Hals schlagen. Die Situation wird sicher unangenehm werden und gerade würde ich mich am liebsten in Luft auflösen.

»Mama, das ist Milan. Milan, das ist meine Mama Anne. Mein Vater kann nicht hier sein, weil er noch arbeitet«, sage ich schnell und abgehackt, damit ich alles so schnell wie möglich hinter mich bringe. »Ach und das ist meine Schwester Lyra.« Ich zeige auf die Schwarzhaarige, die wie ein Schluck Wasser in der Kurve auf dem Sofa liegt und Chips in sich hineinstopft.

Sie hebt lediglich ihre Hand und grinst uns alle an. »Wir kennen uns ja schon.« Für diese Aussage könnte ich meine Schwester schon wieder ohrfeigen, weil meine Mutter uns daraufhin fragend ansieht. Als Milan das letzte Mal hier war, hat Lyra ihm die Tür geöffnet und in mein Zimmer geschmuggelt, ohne dass es jemand mitbekommen hat.

»Hallo, Anne.« Ich bin Milan unendlich dankbar dafür, dass er die unangenehme Stille sowie die kreisenden Gedanken meiner Mutter — die gerade versucht nachzuvollziehen, woher sich die Beiden kennen — unterbricht. Vorbildlich reicht er ihr seine Hand, die sie freundlich lächelnd schüttelt.

Die magere WahrheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt