Junge & Alte Liebe

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Einige Tage vergingen seit dem Besuch der Sackheim-Beutlins. Bilbo verbrachte die meiste Zeit in seinem Arbeitszimmer und schrieb oder übersetzte Gedichte. Es war August und das Wetter schien immer heißer zu werden. Holman Grünhand vertrug die Hitze nicht besonders und so blieb er auch Zuhause. Deshalb übernahm Hamfast nun die meisten Gärtnerarbeiten. Bilbo verstand sich gut mit dem jungen Hobbit, brachte ihm immer kühle Getränke nach draußen und erzählte von Elben. Der Hobbit lauschte ihm stets aufmerksam, während er den Rasen mähte, die Blumen goss oder Unkraut jähtete.

Es war ein schöner Sommerabend. Mittlerweile war es mild und angenehm warm. Bilbo saß auf seiner Bank, rauchte Pfeife und hatte seine Füße in einem Wassereimer, um sie zu kühlen. Der Hobbit beobachtete den Sonnenuntergang hinter den sanften grünen Hügeln des Auenlandes. Plötzlich kam Hamfast zu ihm. ,,Na Meister Hamfast", sagte Bilbo schmunzelnd und blies einen Rauchring. ,,Hallo Herr Beutlin", erwiderte Hamfast etwas zerknirscht.

Bilbo runzelte die Stirn. Was war denn mit dem munteren Hobbit los? ,,Ich bin fertig", sagte Hamfast. Bilbo nickte leicht lächelnd. ,,Danke dir, Meister Hamfast. Willst du dich nicht kurz setzen?" Der junge Hobbit nickte und setzte sich ebenfalls auf die Bank. Hamfast holte seine Pfeife heraus, stopfte sie liebevoll, zündete sie an und rauchte einige Züge.

,,Was bedrückt dich?", fragte Bilbo schließlich. ,,Es ist nichts", seufzte Hamfast, ,,außerdem will ich Sie nicht mit meinen Problemen nerven, Herr Beutlin". ,,Oh, das nervt mich sicher nicht", erwiderte Bilbo, ,,vielleicht kann ich dir ja bei deinem Problem helfen". Hamfast nickte leicht lächelnd und überlegte dann kurz, wie er sein Problem am besten formulieren sollte.

,,Es geht um ein Mädchen", sagte der junge Hobbit und wurde leicht rot. Bilbo schmunzelte. Er war als junger Hobbit nie verliebt gewesen. Und wenn er es gewesen wäre, hätte er sich wohl in kein Mädchen verliebt.
,,Bell Gutkind?", fragte Bilbo nach, ,,ich kenne sie doch. Sie hat uns doch beim Zurückkauf meiner Möbel geholfen".

,,Ja", stimmte Hamfast zu, ,,wir sind schon länger befreundet. Gestern waren wir dann im 'Zum Efeubusch'. Wir haben lecker gegessen. Ich habe ihr was von meinem Bier angeboten und dann hat sie mich plötzlich gefragt, was ich alles liebe. Das ist einfach, hab' ich ihr gesagt. Also habe ich die Dinge aufgezählt, die ich liebe. Meine Mutter, Bier, meine Tätigkeit als Gärtner und gutes Pfeifenkraut...naja, danach war Bell plötzlich ganz wütend. Sie ist einfach gegangen. Seitdem habe ich sie nicht gesehen und ich weiß immer noch nicht, was ich falsch gemacht habe."

Der junge Hobbit machte ein zutiefst bedauerndes Gesicht. Bilbo seufzte und zog nachdenklich seiner Pfeife.

Retrospektive Bilbo:
Der kleine Hobbit dachte anstrengt nach. Es musste doch eine Lösung geben. Thorin hatte aufgegeben, jedenfalls schien es so. Aber Bilbo würde nicht aufgeben. Er würde das Rätsel entschlüsseln, für Thorin.
Plötzlich strahlten die silbernen Mondstrahlen auf den Stein, in dem irgendwo verbogen der Zugang zum Erebor war. Die Mondstrahlen offenbarten das Schlüsselloch!
Bilbo starrte überrascht auf das Schlüsselloch und begriff. Der Hobbit rief: ,,Oh, das Schlüsselloch! Kommt zurück! Kommt zurück! Es ist das Licht des Mondes, des letzten Herbstmondes!"

Bilbo lachte ungläubig. Er hatte es geschafft!
,,Wo ist der Schlüssel? Wo ist... Er war hier. Vorhin war er doch noch hier! Er lag doch eben noch...", murmelte Bilbo nachdenklich und begann fieberhaft nach dem Schlüssel zu suchen, den Thorin ihm gegeben hat. Doch Bilbo trat ausversehen gegen den Schlüssel und beförderte fast den Abgrund herunter. Bilbo atmete zischend ein. Ihm wurde heiß und kalt zugleich.

Zum Glück trat Thorin auf den Schlüssel. Der Zwerg hob ihn vorsichtig auf und lächelte. ,,Du musst besser aufpassen, Bilbo", wisperte er und strich dem Hobbit sanft durch das krause Haar. Bilbo errötete leicht. ,,Es tut mir leid, Thorin..aber ich habe das Rätsel gelöst!" ,,Ich weiß", lächelte Thorin, ,,ich bin so stolz auf dich, Meisterdieb!" Mit diesen Worten zog er Bilbo in eine feste Umarmung. Bilbo schloss die Augen und erwiderte glücklich die Umarmung.

,,Ich liebe dich", wisperte Thorin ihm plötzlich ins Ohr. Bilbo riss überrascht die Augen auf und löste sich aus der Umarmung. ,,Was?", fragte Thorin und runzelte schmunzelnd die Stirn. ,,Du...ich..wir haben das noch nie gesagt", stotterte Bilbo verlegen. ,,Ich weiß", sagte Thorin zärtlich, ,,aber ich habe beschlossen, dass wir es uns schon längst hätten sagen soll. Denn ich liebe dich und ich will, dass du das nie vergisst". ,,Ich weiß", erwiderte Bilbo leise, ,,ich liebe dich auch".

Der Zwerg lächelte glücklich und drehte den Schlüssel im Schlüsselloch um. Bilbo und die anderen Zwerge sahen ihm gebannt zu. Bilbo nichts ahnend, dass bald eine Zeit anbrechen würde, in der es schwer war, nicht zu vergessen, dass Thorin ihn liebte...

,,Du hättest ihr sagen können, dass du sie liebst", sagte Bilbo schließlich. Hamfast schlug sich die Hand auf die flache Stirn. ,,Ich Narr!", rief er, ,,ich hätte es wissen sollen...naja, danke Herr Beutlin! Ich hätte nicht gedacht, dass Sie mir helfen können". Bilbo runzelte die Stirn und fragte: ,,Aber warum denn nicht?" ,,Naja", druckste Hamfast, ,,schließlich hatten Sie noch kein Mädchen. Sie sind nicht verheiratet und haben keine Kinder. Aber jetzt muss ich los, zu Bell!"

Der junge Hobbit sprang auf und rannte davon. Bilbo dachte noch länger über seine Worte nach.

Es klopfte an der Tür. Bilbo sah verwundert von seinem Buch auf. Wer könnte das denn noch sein? Vielleicht Lobelia? Der Hobbit seufzte. Könnte sie ihn nicht einfach mal in Ruhe lassen? Bilbo konzentrierte sich wieder auf sein Buch, doch kurze Zeit später klopfte es wieder. Bilbo stöhnte auf, legte sein Buch weg und erhob sich aus seinem gemütlichen Sessel. Seine Füße tapsten langsam über die weichen Teppiche und Holzdielen, bis zur runden Haustür.

Bilbo öffnete die Tür und erschrak. Denn dort stand Thorin Eichenschild. Der Zwerg sah noch genauso aus wie vor über zwei Jahren, als Bilbo ihn kennengelernt hatte. Ein kleines Lächeln lag auf den Lippen des Zwerges. ,,Th.. Thorin?", fragte Bilbo leise, ,,aber wie?...das kann doch nicht sein". Thorin schloss Bilbo in eine Umarmung. Der Hobbit inhalierte seinen Duft. Thorin roch wie..Thorin. Aber das war doch unmöglich!

,,Was ist aus deiner Eichel geworden, Meisterdieb?", fragte Thorin lächelnd, ,,wächst aus ihr etwas? Errinerst du dich?" Der kleine Hobbit lächelte. ,,Jeden Tag", sprach Bilbo mit Tränen in den Augen.

Bilbo fuhr aus dem Schlaf. Wo war Thorin? Hatte es tatsächlich geklopft? Nein, es war alles nur ein Traum. Der Hobbit wickelte sich wieder in seine Bettdecke ein. In dieser Nacht konnte er nicht mehr schlafen, nur weinen und vielen traurigen Errinerungen nachgehen.


Der Schatten des Ringes| BagginshieldOpowieści tętniące życiem. Odkryj je teraz