Frodos Schicksal

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Seit Bilbos 111. Geburtstag waren siebzehn Jahre vergangen. Er war mittlerweile 128 Jahre alt und man sah ihm das Alter, seit er von dem Ring getrennt worden war, deutlich an. Bilbo war weißhaarig, steif, er hatte einen krummen Rücken und war zunehmend vergesslich. Der Hobbit vermisste Frodo, Thorin und seinen Freund, den Dunadain, sehr. Aragorn war schon vor einigen Wochen zu einer Reise aufgebrochen, doch Bilbo wusste nicht, wohin diese Reise ging. Das hatte ihm niemand gesagt. Doch dem Hobbit war trotz seines Alters nicht entgangen, dass die Stimmung in Bruchtal äußerst angespannt war. Herr Elrond zog sich mit Lindir und anderen Beratern immer wieder zu Ratsitzungen, die meist mehrere Stunden dauerten, zurück. Es schien, als würden sie auf etwas oder jemanden sehr sehnsüchtig warten.

Am sehnsüchtigsten erwartete jedoch Elronds Tochter, Arwen, die Rückkehr Aragorns. Bilbo wusste, dass sie den Dunadain sehr liebte und auch Aragorn liebte sie von ganzem Herzen. Die beiden waren auch verlobt, durften aber von Elrond erst heiraten, wenn die richtige Zeit gekommen war. Sprich: Wenn Aragorn König war. Bilbo mochte Arwen sehr. Er unternahm oft lange Spaziergänge durch die Gärten von Bruchtal mit ihr, bei denen Arwen ihn alten Hobbit bereitwillig stützte und ihm aufmerksam bei seinen wahrscheinlich eher langweiligen Berichten zuhörte, was er heute getrieben hatte. Aufstehen, Essen, Schreiben, Essen, Schlafen.

Heute hatte Arwen ihn versetzt, was sie noch nie getan hatte und das ärgerte Bilbo, auch wenn er es nicht wahrhaben wollte. Wahrscheinlich wäre der Spaziergang sonst wohl trotzdem ins Wasser gefallen, denn es regnete. Doch dass Arwen einfach nicht kam, stimmte Bilbo enttäuscht und tatsächlich schmollte er etwas, bis er sich daran erinnerte, dass er ein erwachsener und dazu noch sehr alter und sicher anstrengender Mann war. Höchstwahrscheinlich hatte Arwen einfach keine Lust mehr auf ihn gehabt oder sie war von der seltsamen angespannten Spannung befallen worden, die nur Bilbo in Frieden ließ. Bilbo tigerte einige Zeit lang ziellos durch das Haus Elronds und landete schließlich in der Bibliothek. Bilbo suchte sich einen dicken Wälzer über die Geschichte Ardas heraus und wuchtete sich einen gemütlichen Sessel vor ein großes Fenster, von dem aus man den perfekten Überblick über das Tal hatte. Er ließ sich nieder und schlug das Buch auf. Es war auf Quenya geschrieben.

Mittlerweile konnte Bilbo Sindarin, eine der drei elbischen Sprachen, recht gut sprechen und schreiben. Wobei er schreiben eher vorzog, denn er hatte immer noch einen Akzent, der wie Lindir immer wieder neckisch betonte, nie weggehen würde. Nun wollte er Quenya lernen, das schwerer und anspruchsvoller war. Aber Bilbo brauchte diese Herausforderung, denn sonst fürchtete er, dass sein Hirn verschrumpeln würde. Bilbo konzentrierte sich auf die mit Tinte geschriebenen Worte, die schon so lange auf diesem Papier standen und mittlerweile verblasst waren. Er las jeden Satz mehrmals und hatte nach knapp zwei Stunden vier Seiten geschafft. Schließlich legte er das Buch weg und bat eine Elbin, die gerade überprüfte, ob die Bücher an ihrem richtigen Platz standen, um eine Tasse Tee. Die Elbin schmunzelte kurz, denn als Bibliothekarin gehörten solche Aufgaben eigentlich nicht zu ihrer Tätigkeit. Doch sie mochte Bilbo sehr und konnte einem alten Hobbit keinen Wunsch abschlagen. So lächelte sie, nickte ihm noch einmal zu und verließ den Raum.

Als sie wiederkam, hatte Bilbo sich in eine Decke eingewickelt, lauschte dem prasselnden Geräusch der Regentropfen und wäre sicher bald eingeschlafen. Dankbar nahm er der Elbin die dampfende Tasse ab und nippte daran. Kurz wünschte er sich, dass es kein Pfefferminztee, sondern Bier war. Aber Elrond hatte ihm Rauchen und Alkohol strikt verboten, wegen der Gesundheit. Die Elbin wandte sich zum Gehen, als Bilbo plötzlich eine Idee kam. ,,Wartet!", rief er ihr hinterher. Sie blieb stehen und blickte ihn fragend an. ,,Wisst Ihr, wo sich Frau Arwen gerade befindet?", fragte er die Elbin neugierig.

,,Das weiß ich tatsächlich", erwiderte sie, ,,Frau Arwen ist erst vor kurzem zu einer Reise aufgebrochen". Bilbo runzelte die Stirn und hakte nach:,, Eine Reise, sagt Ihr? Wohin wollte Frau Arwen denn, wenn ich fragen darf?" ,,Das weiß ich leider nicht", sagte die Elbin und verließ eilig das Zimmer. Bilbo seufzte und nippte an seinem Tee. Irgendwas war hier doch im Gange, aber niemand sagte ihm, was los war.

Der Schatten des Ringes| BagginshieldWhere stories live. Discover now