Unerwarteter Besuch

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Einige Jahre vergingen seit Petunias Abreise und Bilbo fiel in alte Muster zurück. Er zog sich zurück, redete selten mit anderen und feierte seine nächsten Geburtstage alleine. Mit Petunia stand er in regem Briefverkehr, genauso wie mit Dora, die ihm immer noch lange Briefe voller Ratschläge schickte, ohne dass Bilbo je danach gefragt hatte. Petunia Unterberg arbeitete noch im Gasthaus ,Zum tänzelnden Pony' und war mittlerweile mit einem Hobbit aus Bree verlobt. Bilbo freute sich für sie, aber schlug das Angebot, auf der Hochzeit dabei zu sein, lieber aus.

Er wusste, dass er nicht wirklich zu Petunia und deren Freunden passte. Er konzentrierte sich lieber auf sein Buch, in dem er von seiner Reise und vor allem von Thorin schrieb. Tag für Tag wurden mehr Seiten mit Bilbos Handschrift gefüllt und Tag für Tag bekam das rote Notizbuch immer mehr Gestalt. Bilbo lernte auch Sindarin, weil ihn diese Sprache so faszinierte und er übersetzte einige Gedichte auf dieser Sprache in Westron. Außerdem dichtete er selbst und war recht zufrieden. Seine Hobbithöhle war sauber und der Garten war wunderschön. Mittlerweile kümmerte sich Hamfast ganz alleine um den Garten des Beutlins und hatte Bell geheiratet. Die Erinnerungsstücke an seine Reise hatte Bilbo sicher in einer großen Truhe verstaut. Da war Stich, sein Mithrilkettenhemd, der alte, blaue Mantel und die Zeichnung von Ori. Das Portrait von Thorin hing selbstverständlich über dem Kamin und die Eiche in seinem Garten wuchs wunderbar.

Fast im ganzen Auenland galt Bilbo als reicher und kauziger Außenseiter, was ihn aber nicht wirklich störte. Bloß seine Neffen und Nichten von der Tukseite mochten ihn, aber deren Eltern waren nicht gerade glücklich über deren Freundschaft. Er war mittlerweile Ende fünfzig, seine Haare waren ergraut und er hatte mehr Falten bekommen. Es war Herbst und Bilbo saß gemütlich in seinem Arbeitszimmer, trank heißen Tee und schrieb an seinem Buch weiter. Plötzlich läutete es an der Türglocke. Bilbo sah von seinem Buch auf, legte die Feder beiseite und runzelte die Stirn. Er bekam fast nie Besuch, außer wenn die Sackheim-Beutlins zu Besuch kamen. Doch dann steckte sich Bilbo immer schnell den Ring an den Finger, tat so als wäre er nicht da und schließlich gingen sie fluchend. Aber sonst bekam er eigentlich keinen Besuch und es war ja schon spät. Wer könnte das sein? Andererseits war das Wetter draußen ziemlich ungemütlich und Bilbo war - auch wenn es sich die meisten Hobbits in der Umgebung nicht vorstellen konnten - ein freundlicher und höflicher Mann. Der Hobbit seufzte, verschraubte sein Tintenfass und stand auf. In seinen flauschigen Pantoffeln schlürfte er zur Tür und öffnete.

Bilbo dachte im nächsten Moment, dass er wohl eingeschlafen war, denn er konnte nicht glauben, wer da vor ihm stand.

,,Guten Abend, mein lieber Freund", sagte Gandalf und senkte respektvoll den Kopf. ,,Ich hoffe, wir stören nicht." ,,Gandalf!", rief Bilbo erfreut und umarmte den Zauberer ungefähr in Bauchhöhe. Gandalf hatte sich natürlich nicht verändert. Er trug noch immer ein graues Gewand und einen grauen Spitzhut. Sein Haar und sein langer Bart waren ebenso grau. Sein Gesicht war faltig und weise, während seine blauen Augen den Hobbit anfunkelten. ,,Aber warum sagst du wir?", fragte Bilbo verwundert, nachdem er sich wieder von dem Zauberer gelöst hatte.

Da trat eine weitere Gestalt aus dem Schatten und Bilbo lächelte. ,,Balin, dich hätte ich ja nicht erwartet!", sagte er und betrachtete den alten Zwerg überrascht. ,,Aber Bilbo, mein Junge. Du hast uns doch selbst eingeladen. Erinnerst du dich noch?", fragte Balin amüsiert.

Bilbo schmunzelte bloß. Er hatte nie damit gerechnet, dass je einer der Zwerge sein Angebot annehmen würde. Balin sah gut aus. Er trug einen Reiseumhang und einen prächtigen breiten Gürtel, der mit Edelsteinen verziert war. Sein weißer Bart war um einige Zoll gewachsen. Balin begrüßte den Hobbit auf Zwergenart und stellte schmunzelnd fest, dass Bilbos mit Goldknöpfen besetzte Weste etwas praller geworden war. ,,Kommt herein, kommt herein!", sagte Bilbo munter und schloss hinter den beiden die runde Tür. Gandalf stieß sich mit dem Kopf an einem Kronleuchter und Bilbo kochte für die beiden ebenfalls Tee. Sie setzten sich gemütlich an ein wärmendes Kaminfeuer und Balin verschlang den warmen Schinken und das Brot, was Bilbo ihm anbot. Gandalf rauchte derweil bloß und starrte gedankenverloren in die Flammen. ,,Es war eine lange Reise", sagte Balin schließlich und legte beide Hände zufrieden an seinen Gürtel.

Der Schatten des Ringes| BagginshieldWhere stories live. Discover now