XXXII

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"To send a letter is a good way to go somewhere, without moving anything but your heart." - P. Grissom - Theroux

Hogwarts, 1945


Liebe Juliet,

ich wollte mich entschuldigen, wie die Dinge im letzten Sommer gelaufen sind. Natürlich hast du vollkommen recht und es ist dein Leben, manchmal vergesse ich das und ich hoffe, du kannst deiner großen Schwester verzeihen.

Da wir uns dieses Weihnachten nicht sehen werden, teile ich dir die frohen Neuigkeiten jetzt per Brief mit. Henry und ich erwarten unser zweites Kind und wir hoffen sehr, dass du uns nächstes Jahr, spätestens nach deinem Schulabschluss, in Alnwick Castle besuchen kommst.

Nun komme ich zu einem etwas traurigerem Thema, das uns allen Sorgen bereitet und ich weiß nicht, ob Vater oder Mutter dir bereits geschrieben haben, aber es geht um unseren Bruder Nigel. Vor circa zwei Wochen ist er bei unserer Tante am Eaton Square aufgetaucht. Er sah wohl völlig verwahrlost aus und schien ziemlich verwirrt zu sein, weswegen sie ihn zunächst ins Sankt Mungos gebracht haben. Offenbar hat sich jemand an seinem Gedächtnis zu schaffen machen, denn er kann sich kaum an etwas erinnern, seitdem er verschwunden ist. Natürlich wirft sein Zustand auch anderen Fragen auf, bezüglich des Erbes von Chatsworth House, aber dafür ist ein solcher Brief nicht das Richtige.

Ich würde mich über eine Antwort von dir freuen,

Liebe Grüße

Sarah

Mit einem triumphierenden Lächeln auf den Lippen legte ich ihren Brief beiseite und machte mich wieder über meinen Buttertoast her, während ich hin und wieder auf ihre feinsäuberliche Schrift schaute. Ich war mir sicher, dass sie diese Zeilen nicht ganz freiwillige geschrieben hatte und unsere Eltern sie vermutlich dazu gezwungen hatten, aber das spielte keine Rolle. Nachdem Tom Riddle im Sommer das erste Mal abgereist war, hatte Sarah jede Möglichkeit genutzt, um ihn mir schlecht zu reden und nebenbei sämtliche Vorzüge aufgezählt, die Carlyle Thynne zu bieten hatte. Bei diesem kläglichen Versuchen mich und Tom zu entzweien ging sie sogar soweit, dass sie ein Picknicktreffen veranstaltet hatte, bei dem dann zufälligerweise nur Carlyle und ich anwesend waren, was uns im ersten Augenblick furchtbar unangenehm war, allerdings war der Nachmittag dann doch sehr vergnüglich gewesen und wir hatten uns sogar ausgesprochen. Selbstverständlich war der junge Marquess von Bath, dessen Vater kurz nach Beginn des neuen Schuljahres verstorben war, ziemlich enttäuscht darüber, dass ich seine Gefühle nicht erwiderte, dennoch wünschte er mir alles Gute mit Tom und betonte immer wieder, dass er hoffe wir beide würden gute Freunde bleiben, weswegen wir einen regelmäßigen Briefwechsel pflegten.

Meine Schwester hingegen war ein anderes Kapitel gewesen, nach dieser ziemlich durchtriebenen Aktion wollte ich zunächst kein Wort mehr mit ihr sprechen, vor allem da Tom inzwischen regelmäßig in Chatsworth House verweilte und meine Eltern von Mal zu Mal begeisterter von ihm waren und ich nicht riskieren wollte, dass Sarah die ausgelassene Stimmung vermasselte. Und so hatte ich meine Schwester bereits seit mehreren Monaten nicht gesehen und nachdem ich beschlossen hatte über die Weihnachtsferien zu lernen, musste ihr wohl jemand ins Gewissen geredet haben. Natürlich wollte ich ihr nicht länger böse sein, weswegen ich beschloss ihr am Abend eine Antwort zu senden.

Die Nachrichten über Nigel beunruhigten mich allerdings. Bereits vor einer Woche war zunächst eine Eule von meiner Tante Rosamund eingetroffen, die mich ebenfalls über Nigels Rückkehr informiert hatte, sowie über seinen katastrophalen Gedächtnisverlust, ehe vor zwei Tagen mein Vater mir einen Brief hatte zukommen lassen, in dem stand, dass er darüber nachdachte Nigel zu enterben, da niemand wusste, wie lange sein Zustand anhalten würde und er sich unwohl dabei fühlte Chatsworth House an jemanden zu geben, der monatelang verschwunden war und dann ohne Gedächtnis wieder auftauchte. Es war sogar die Rede von „dunklen Machenschaften" und wenn ich ehrlich war, dann traute ich es dem neuen Nigel zu. Ich wusste nicht woher dieses Gefühl kam, aber fast war es so, als wäre mein Bruder gestorben, denn sein Verhalten in den Monaten, vor seinem Verschwinden, war völlig konfus gewesen und auch seine Rückkehr war mit einem Wehrmutstropfen behaftet, weswegen ich mich nicht so sehr darüber freuen konnte, wie ich es wollte.

Afterglow - TOM RIDDLE Where stories live. Discover now