XIII

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Der Gedanke an den Tod. — Es macht mir ein melancholisches Glück, mitten in diesem Gewirr der Gässchen, der Bedürfnisse, der Stimmen zu leben: wieviel Genießen, Ungeduld, Begehren, wieviel durstiges Leben und Trunkenheit des Lebens kommt da jeden Augenblick an den Tag! Und doch wird es für alle diese Lärmenden, Lebenden, Lebensdurstigen bald so stille sein! Wie steht hinter jedem sein Schatten, sein dunkler Weggefährte! Es ist immer wie im letzten Augenblicke vor der Abfahrt eines Auswandererschiffes: man hat einander mehr zu sagen als je, die Stunde drängt, der Ozean und sein ödes Schweigen wartet ungeduldig hinter alle dem Lärme — so begierig, so sicher seiner Beute. Und Alle, Alle meinen, das Bisher sei Nichts oder Wenig, die nahe Zukunft sei Alles: und daher diese Hast, dies Geschrei, dieses Sich-Übertäuben und Sich-Übervorteilen! Jeder will der Erste in dieser Zukunft sein, — und doch ist Tod und Todenstille das einzig Sichere und das Allen Gemeinsame dieser Zukunft! Wie seltsam, dass diese einzige Sicherheit und Gemeinsamkeit fast gar Nichts über die Menschen vermag und dass sie am Weitesten davon entfernt sind, sich als die Brüderschaft des Todes zu fühlen! Es macht mich glücklich, zu sehen, dass die Menschen den Gedanken an den Tod durchaus nicht denken wollen! Ich möchte gern Etwas dazu tun, ihnen den Gedanken an das Leben noch hundertmal denkenswerter zu machen. -  F. Nietzsche, die fröhliche Wissenschaft, Viertes Buch - der Gedanke an den Tod (1882)

Chatsworth House, 1943

Da ich seit meiner frühsten Kindheit zwischen diesen Büschen gespielt hatte, wusste ich genau den schnellsten Weg zum Zentrum des Irrgartens und hoffte einfach darauf, dass Tom diesen nicht finden würde. Vielleicht fand er es aber auch kindisch mir durch die Pfade zwischen den Hecken zu folgen und er würde einfach kehrt machen. Was es auch war, ich setzte einfach darauf, dass ich mich vor dem Dinner nicht mit ihm unterhalten musste und danach würde ich einfach gemeinsam mit Ane zu Bett gehen. Ein bisschen fühlte ich mich schlecht dabei, dass ich meine Freundinnen hatte stehen lassen, andererseits hätten sie ja auch mitkommen können. Völlig außer Atem erreichte ich das Zentrum des Labyrinths, in dessen Mitte sich ein kleiner Teich befand, in dem Goldfische schwammen. Zudem gab es hier zwei Bänke, worauf ich Platz nahm, um wieder etwas zu Kräften zu kommen. Nachdem ein paar Minuten vergangen waren und ich noch immer alleine war, war ich mir ziemlich sicher, dass er mich hier drinnen nicht finden würde, weshalb ich mich ein wenig entspannte. Es war ein wirklich schöner Ort, nur leider verbrachte ich hier viel zu wenig Zeit, allgemein war ich zu wenig in der wunderbaren Natur von Derbyshire, aber zumeist war ich ja auch in Hogwarts. Geistesabwesend betrachtete ich die schönen Goldfische, die in dem klaren Gewässer ihre Bahnen schwammen, ehe ich plötzlich ein leises Knacken hörte. Erschrocken blickte ich auf, doch noch ehe ich reagieren konnte, sah ich, wie Tom Riddle zwischen der Hecke hervortrat. Ich saß wohl oder übel in der Falle.

„Hier bist du also", meinte er belustigt und schlenderte zu mir herüber, ehe er sich mit einer eleganten Bewegung neben mich setzte. Das Herz rutschte mir in die Hose, weswegen ich vorsichtig ein Stück wegrutschte. „Ja, ich wollte etwas frische Luft schnappen", erwiderte ich leicht peinlich berührt und blickte wieder auf das Wasser. Jedoch spürte ich Toms durchbohrenden Blick auf mir und ich spürte wie mein Puls zu flattern begann. „Achso, ich hatte nämlich das seltsame Gefühl, dass du vor mir fliehen würdest", meinte er daraufhin nur und blickte ebenfalls kurz auf den Teich, ehe er mich wieder von der Seite musterte. Daraufhin konnte ich nichts antworten, denn natürlich hatte er genau ins Schwarze getroffen, aber was sollte ich denn sagen? Tom, meine Gefühle für dich sind nicht von freundschaftlicher Natur, darum kann ich nicht mit dir reden, da ich nicht weiß, ob ich mich beherrschen kann? Es war einfach eine lächerliche Situation. Komischerweise hatte ich das Gefühl, dass er versuchte meine Gedanken zu lesen, was vollkommen unmöglich war, denn dafür müsste er ziemlich gut in Legilimentik sein. Fast schon versessen heftete ich meine Augen auf die in Kreisen schwimmenden Goldfische, um ja nicht in Toms dunkle Augen sehen zu müssen. „Juliet, sieh mich bitte an", kam es höflich, aber dennoch fordernd von ihm, nachdem er wohl gemerkt hatte, dass ich ihm nicht in die Augen sehen wollte. Es dauerte einen kurzen Augenblick bis ich meinen Blick hob, doch als ich ihn ansah, merkte ich, dass er etwas verwirrt schien. „Ist alles in Ordnung?", erkundigte ich mich freundlich. Er nickte schwach und schüttelte leicht den Kopf, woraufhin seine Verwirrung verschwunden war. „Hast du irgendein Problem mit mir?", fragte er mich offen und ehrlich, weswegen ich meinen Kopf fast schon senken wollte, doch dann legte er zwei seiner langen Finger auf mein Kinn und zwang mich förmlich dazu ihm in die Augen zu sehen. „Und lüg mich nicht an", fügte er seiner Frage noch an. „Mhmm nun ja, es ist mir etwas unangenehm mit dir zu reden, seitdem ich vor dir das Bewusstsein verloren habe", gab ich beschämt zu. Langsam entfernte er seine Finger von meinem Kinn, ehe sich sein Mund zu einem Lächeln verzog. „Das muss dir doch nicht peinlich sein. Es hat mich nur etwas schockiert, als du umgekippt bist", erwiderte er. „Danke, dass du mich aufgefangen hast und in den Krankenflügel gebracht hast", kam es schüchtern von mir, während ich kurz auf meine Hände sah, ehe ich den Blick wieder hob, da ich mir ins Gedächtnis rief, dass er es nicht mochte, wenn man wegsah. „Das war doch das Mindeste", winkte er ab, so als wäre es nichts gewesen. „Außerdem wollte ich mich schon seit längerem dafür bedanken, dass du Hogwarts vor dieser Acromantula gerettet hast. Es wäre schrecklich gewesen, wenn sie die Schule geschlossen hätten", fuhr ich fort und ein schwaches Lächeln erschien wieder auf seinen Lippen. „Auch das habe ich gerne getan, selbst wenn es mich etwas ärgert diesem Hagrid nicht früher auf die Schliche gekommen zu sein, vielleicht hätten wir so die arme Myrtle retten können", bedauerte er, weswegen ich ein wenig traurig nickte. „Ja wirklich schade", meinte ich.

Afterglow - TOM RIDDLE Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt