XXXV

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"Dying? Not at all", said Sirius. "Quicker and easier than falling asleep." - J.K Rowling

Zaubereiministerium, 1946

Es war kurz vor Mittag, als ich gerade damit fertig wurde ein paar alte Akten zu katalogisieren. Ernest Hansby hatte mir sein Büro anvertraut, da er sowieso den Großteil des Tages damit verbrachte mit berühmten Hexen und Zauberern zum Essen auszugehen und er der Meinung war, dass ich mich so besser einarbeiten konnte. Ich mochte meinen Arbeitsplatz, denn es war ein schöner Raum mit großen Fenstern, die jeden Tag eine andere Landschaft zeigten, denn natürlich waren wir eigentlich tief unter der Erde. Heute wurde eine stürmische See gezeigt, vermutlich irgendwo in Kent, denn auch hier in London war das Wetter seit Tagen nicht gerade gut. Das Einzige, was meiner Meinung nach etwas zu viel war, waren die schweren Eichenmöbel, die sicherlich ein Vermögen gekostet hatten, aber nicht gerade schön waren und dazu kam, dass Mr. Hansby offenbar ein Fabel für alte Rüstungen hatte, denn in jeder Ecke stand eine Ritterrüstung, die alle auf Hochglanz poliert waren und so wirkten, als stammten sie aus einer längst vergangenen Zeit.

Sarah hatte angekündigt mich abzuholen, damit wir eine Kleinigkeit zusammen essen konnten, was wir schon seit Ewigkeiten nicht mehr miteinander gemacht hatten. Inzwischen hatte sie ihren ständigen Kampf gegen meine Hochzeit aufgegeben und sogar mein Kleid mit mir ausgesucht. Es war ein cremefarbener Traum mit viel Spitze und einer Schleppe, die fast drei Meter lang war, das einzige, das bis jetzt meinen Vorstellungen entsprach. Denn noch immer mied Tom mich und Eva hatte mir mitgeteilt, dass auch sie nicht zu meiner Hochzeit erscheinen würde, da es zeitlich nicht passen würde. Und auch Rosamund stand noch immer auf dem Kriegsfuß mit mir und schickte regelmäßig Heuler an mich und meine Eltern, in denen sie uns mitteilte, dass dieser Tom Riddle eine Schande für die gesamte Familie wäre.

Ich überprüfte gerade meinen Terminkalender, damit ich wusste, wie lang ich ausgehen konnte, als plötzlich die Tür zu Hansbys Büro aufgerissen wurde und Tom Riddle hereinkam. Eine nervöse Unruhe machte sich in mir breit, denn seit Wochen hatte ich ihn nicht mehr richtig zu Gesicht bekommen. Allerdings warf ich nur einen kurzen Blick auf meinen Besucher, den ich natürlich sofort an seinem schwarzen Haar und der Statur erkannte, ehe ich noch einen letzten Blick auf meinen Planer warf und mich dann umdrehte, um meinen Mantel von einem Kleiderständer zu nehmen.

„Das ist aber eine willkommene Überraschung", kam es erfreut von mir, nachdem er die Klinke hinter sich ins Schloss fallen ließ, sodass wir ungestört waren. Ich beschloss schon mal meinen Mantel anzuziehen, damit ich fertig war, sobald meine Schwester eintreffen würde, weshalb ich ihm weiterhin den Rücken zugewandt hatte. „Aber falls du mit mir essen gehen wolltest, ich habe leider keine Zeit, da Sarah gleich vorbeikommen wollte, vielleicht kannst du uns ja begleiten", mir war aufgefallen, dass er kein Wort zur Begrüßung gesagt hatte und als er sich weiterhin in Schweigen hüllte, wurde ich etwas stutzig, weswegen ich mich neugierig zu ihm umdrehte. Allerdings erschrak ich, als ich ihn genauer betrachtete.

Sein rabenschwarzes Haar war komplett zerzaust und wirkte so, als hätte er es tagelang nicht gewaschen. Sein Gesicht war aschfahl und Spuren der Übermüdung und der Mangelernährung zeichnete sich darauf ab, und obwohl unser letztes Treffen schon einige Zeit her war, war ich mir sicher, dass niemand in so kurzer Zeit eine solch drastische Veränderung durchmachen konnte. Bereits damals in Hogwarts hatte ich seine äußere Erscheinung als unnatürlich wahrgenommen, aber das hier war etwas komplett anderes, denn er sah aus, wie ein anderer Mensch. So als würde er einen schlecht ausgeführten Maskierungszauber tragen und unwillkürlich wurde mir klar, dass das nur das Werk von sehr schwarzer Magie sein konnte.

Dennoch hörte sich seine Stimme so ruhig an wie immer, während er sprach: „Juliet, ich bin nicht hier, um dich zum Mittagsessen einzuladen, sondern um dir zu sagen, dass ich verreisen werde und ich möchte, dass du mich begleitest", es klang so selbstverständlich, als würde er über das Wetter reden, was mich noch mehr beunruhigte. „Verreisen? Tom, wir wollen in drei Wochen heiraten, wir können doch jetzt nicht einfach so verreisen. Wir müssen Vorbereitungen treffen, mein Kleid muss angepasst werden, wir...", doch weiter kam ich nicht, denn ich wurde mit einer strengen Handbewegung unterbrochen. „Ich denke du missverstehst mich, die Dinge haben sich geändert. Unsere Hochzeit wird nicht länger stattfinden und ich biete dir hiermit die einmalige Gelegenheit dich mir anzuschließen und Teil von etwas viel Größerem zu werden. Etwas das alles übertreffen wird, was du dir in deinen kühnsten Träumen nicht ausmalen könntest", er hielt inne, ehe er noch immer in einem ruhigen Tonfall anfügte: „Ansonsten bleibt dir nur noch eine Option übrig", danach funkelte er mich mit einem vielsagenden Lächeln auf seinen Lippen an, das mir das Blut in den Adern gefrieren ließ.

Unsicher taumelte ich ein paar Schritte nach hinten, um möglichst viel Abstand zwischen ihn und mich zu bringen. Denn in seinen Augen lag etwas, vor dem ich noch viel mehr Angst hatte, als vor seinen Worten und diesem boshaften Lächeln, es war eine Kälte, die sich mit einer Mordlust paarte, die ich nur von den Strafanzeigen aus dem Tagespropheten kannte. Doch in eben diesem Moment wurde mir bewusst, dass ich diesen Ausdruck bereits kannte, damals, in seinem letzten Jahr in Hogwarts hatte ich ihn immer als Einbildung abgestempelt und auch als er Carlyle auf diese Art und Weise ansehen hatte, dachte ich das Eifersucht dahinterstecken würde, aber nun wusste ich, dass es weder Einbildung noch Eifersucht war.

Ich hatte nie wahrhaben wollen, dass Tom Riddle sich verändert hatte. Das er nicht mehr der freundliche, empathische Schülersprecher von einst war, sondern sich immer mehr in dunklen Machenschaften verlor. Ich hatte geglaubt ich könnte ihn retten, sein Fels in der Brandung sein, diejenige, der er alles anvertraute. Ich hatte immer geglaubt, das alles wäre nur eine Phase, vielleicht bekam er kalte Füße, so kurz vor der Hochzeit. Doch was ich nun sah, war ein pures Abbild von Boshaftigkeit, verschwunden war der intelligente Musterschüler, der charmante Mann, in den ich mich damals verliebt hatte und ich wusste nicht einmal mehr, wie ich jemals etwas anderes in ihm sehen konnte als das Monster, das er war. „Was ist die andere Möglichkeit?", meine Stimme klang fest, trotz der lähmenden Angst, die meinen ganzen Körper gefangen hielt. Es war mir egal, dass er gesagt hatte, dass wir nicht mehr heiraten würden, all das spielte nun keine Rolle mehr, ich wollte nur wissen, wie weit er bereit war zu gehen. „Dann werde ich dich töten Juliet. So einfach ist das", seine Stimme klang ruhig, zu ruhig, und ich wusste, dass es nicht das erste Mal wäre, dass er das Leben eines Menschen beenden würde.

„Wieso jetzt? Du hättest mich schon vor Monaten, gar Jahren loswerden können. Du hättest mir keinen Heiratsantrag machen müssen, wenn du sowieso vorhattest mich umzubringen", Verzweiflung keimte in mir auf und ich spürte, wie sich meine Halskette schmerzhaft in mein Fleisch brannte, so wie es schon öfter der Fall gewesen war in seiner Gegenwart. „Ich wollte dich nicht töten, zumindest nicht immer. Am Anfang dachte ich, du wärst mir nützlich, um einen angemessenen Status in der Gesellschaft zu erhalten, der Status, der mir als Erbe von Slytherin schon von Geburt an zustand. Doch die Dinge haben sich geändert, ich konnte selbst Kontakte knüpfen, teils mit der Hilfe deines dummen Bruders, den auch sehr bald das Zeitliche segnen wird. Und dieses Netzwerk, das ich mir nun aufgebaut habe, ist viel mächtiger, als was mir dein Blutsverräter von Vater jemals hätte geben können", noch immer wirkte er nicht sonderlich aufgebracht, allerdings fing seine Fassade allmählich an zu bröckeln, vor allem als er über meine Familie sprach. „Und warum muss ich dann sterben, du könntest doch einfach abhauen!".

„Glaubst du wirklich, ich lasse mir von einer dummen, kleinen, naiven Göre alles zerstören, was ich mir aufgebaut habe? Nein, du würdest doch sofort zu irgendjemand rennen und von meinen Plänen erzählen und das kann ich nicht zulassen", blitzschnell zückte er seinen Zauberstab, den er ohne zu Zögern auf mich richtete – meiner steckte in meiner Tasche, die auf dem Boden neben dem Schreibtisch lag und nun unerreichbar wirkte. „Nein, Tom, ich bitte dich! Wir wollten heiraten, du kannst doch nicht...", blanke Panik überkam mich, während ich noch weiter nach hinten auswich, wobei ich gegen ein Bücherregal stieß, aus dem einige Bücher herausflogen und mit einem lauten Knall auf dem Boden aufschlugen. „Ich habe den Namen meines schwachen Muggelvaters abgelegt und einen anderen angenommen. Ich nenne mich nun Lord Voldemort und die Leute, die dir folgen werden, werden ihn gefürchtet haben", er achtete nicht auf mein Flehen und ich sah, wie etwas Rotes in seinen Augen aufleuchtete, ehe er erneut den Mund öffnete und rief:

„Avada Kedavra!"


Es ist seltsam das zu sagen, aber das hier ist das vorletzte Kapitel dieser Geschichte und ich kann es noch gar nicht glauben, dass es dann wirklich zu Ende sein soll.

Afterglow - TOM RIDDLE Where stories live. Discover now