16 - Topsys Fluch

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„Mehrere Hundert? Was hat die Tanencha sich dabei gedacht, uns mit einer ganzen Horde ihrer Nachkommen zu beglücken?" Eine Welle der Hoffnungslosigkeit drohte mich zu verschlingen. Sie verebbte, als Ajs leise hustete, ein hoher, kratzender Laut,der sie bestimmt in der Kehle schmerzte.

Das Zittern der kleinen Tyrinanerin war auch wieder zurück, aber sie richtete sich tapfer auf, um zu sprechen. „Cap Kali, können wir die Nestlinge hinunter auf den Planeten bringen?"

„Warum?" Ich versuchte, meine Stimme trotz meiner Panikattacke emotionslos zu halten, aber mein erzwungenes Lächeln wirkte bestimmt wie eine schreckliche Parodie. Ajs zuckte zusammen, also ob sie am liebsten im Bodenbelag versunken wäre. Ihr sonst graziler Körper erinnerte an einen zitternden blauen Schleimklumpen.

Dann tauchte aus der Masse ein einzelner Augenstiel auf und beäugte mich, jederzeit bereit, sich beim ersten Anzeichen meines Zorns wieder in Sicherheit zu bringen. „Sie sind noch — ich weiß nicht, wie ihr das nennt. Ungeprägt? Sie werden sich an den Platz anpassen, an dem sie sich gerade befinden, wenn ihr Bewusstsein sich entwickelt."

Ben und ich tauschten einen Blick aus, bevor ich mich an Aalyxh wandte. „Hast du das gewusst?"

„Was? Dass wir eine tyrinianische Baby-Armee an Bord haben? Natürlich nicht." Für einmal war es an mir, die Augen zu rollen. Aalyxh zuckte alle vier Schultern. „Aber Ajs ist ein hervorragendes Beispiel für eine ausgeprägt ausgebildete Anpassungsfähigkeit. Und wenn die Nestlinge noch jünger sind als sie, werden sie ihre Leistung bestimmt noch um einiges übertreffen."

Meine Panik löste sich in Interesse auf. Zum ersten Mal erkannte ich ein Muster und damit die mögliche Absicht hinter dem geheimen Plan der Tanencha. „Ajs, habe ich das richtig verstanden? Tyrinianer entwickeln sich unterschiedlich, je nachdem wie das Umfeld aussieht, in dem sie geboren werden und aufwachsen?"

Der zweite Augenstiel tauchte auf. „Ja, natürlich. Wenn zum Beispiel diese Nestlinge auf dem Schiff aufwachen und hier ihr Bewusstsein entwickeln, werden sie durch diese Umgebung geprägt. Das Schiff ist dann ihr Zuhause."

Bens Gesicht verlor jeglichen Hauch von Farbe, den es jemals gehabt hatte, und Hrrovrs Rückgratschuppen klapperten beunruhigt. Ich konnte den beiden die Reaktion nicht verübeln. Vor meinem inneren Auge entstand eine beängstigende Vision der Topsy, bevölkert mit tausenden von leuchtenden Tyrinianern. Ich schauderte. „Jac, wie lange noch, bis die Reanimation der Nestlinge beginnt?"

„Zwanzig Klicks, nach meiner Schätzung, fünfundzwanzig wenn es hoch geht." Er studierte seine Anzeige während eines seiner Hinterbeine rhythmisch zuckte. „Wir könnten in sechs oder sieben Klicks auf dem Planeten landen."

Das war sehr gut. Ich versuchte, die Spannung aus meinen verkrampften Nackenmuskeln zu massieren. „Ausgezeichnet. Wissen wir, ob die Tyrinianer auf dem Planeten überhaupt überleben können?"

Für einmal fiel es mir nicht besonders schwer, Bens verzweifelten Gesichtsausdruck zu lesen. Ajs rückte etwas näher an mich heran. „Wenn es genug Sauerstoff und Wasserstoffverbindungen gibt, können sie sich adaptieren. Es war nie die Absicht, sie auf einem so winzigen Schiff zu animieren. Sie brauchen mehr Raum, um sich zu entfalten."

Nun, das konnte ich nachvollziehen. Wir brauchten unseren Raum ebenfalls. Die Topsy war unser Zuhause, und während eine einzelne Tyrinianerin unseren Alltag nur unwesentlich störte, würden einige Hundert ihrer Artgenossen die Bordsysteme rasch an ihre Grenzen bringen. Es blieb uns nur der Ausweg, es mit dem Planeten zu versuchen.

„Gibt es ihnen bevorzugten Landeplatz, Jac?" Der Karjkaner beugte sich mit klackenden Unterkiefern über Hrrovrs Anzeige. Die beiden tauschten bereits seit einer Weile geflüsterte und zischende Bemerkungen aus.

Der Fluch der Topsy-Turvy | Wattys 2021 GewinnerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt