28 - Das Lied von Sqia'lon Sieben

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Bens gequälter Gesichtsaudruck erregte mein Mitleid. Offenbar war ihm klar, was Aalyxh vorschwebte. Aber die Pilot hatte recht, uns blieb keine andere Wahl, als diese Übergabe irgendwie zu organisieren. Und die Stimme des Ingenieurs war eindeutig weit melodiöser als diejenige des Bordcomputers. Leider lag es wohl an mir, ihn auch davon zu überzeugen. „Bitte, Ben. Du hast eine wunderschöne Singstimme, das wissen wir alle. Und was kann ein Versuch schon schaden."

Sein Mund war nur noch eine dünne, verkniffene Linie. Mir blieb nichts anderes übrig, als zu härteren Mitteln zu greifen. Diese Notlage rechtfertigte sogar, meinen berüchtigten Augenaufschlag einzusetzen. Es war ein offenes Geheimnis, dass der Mensch meinen großen, dunklen Augen kaum widerstehen konnte. „Hrrovr wird die Worte für dich vor-übersetzen. Du musst dich danach einzig um das Singen kümmern."

Während sich das Stirnrunzeln des Ingenieurs vertiefte, öffnete sich sein Mund — vermutlich um mir eine Abfuhr zu erteilen. Aber da mischte die kleine Ajs sich ein. Mit zitternden Augenstielen und feucht schimmernden Augen kroch sie aus ihrem Versteck. „Kannst du es bitte versuchen, Ben? Für die Nestlinge."

Bens Gesicht wurde zusehends weicher als sein Widerstand dahinschmolz wie ein Komet in Sonnennähe. Interessant. Zwischen uns würden Ajs und ich den Menschen wohl sogar dazu bringen, vor versammelter Crew ein romantisches Gedicht aufzusagen. Ganz ohne die Wirkung von Alkoholdämpfen.

Ihrer Sache sicher, warteten Aalyxh und Hrrovr nicht auf ein verbales Zugeständnis. Sie waren bereits dabei, eine geeignete Antwort für Sqia'lon Sieben zu übersetzen. Immer noch mit gerunzelter Stirn hörte Ben ihren akustischen Versuchen zu. Schließlich weckte das Unterfangen sein Interesse. Bald beteiligte er sich an der Aktion indem er einzelne Passagen der Übersetzung vor sich hin summte.

Das klang deutlich besser als vorher die Computeranimation. Hijac ergriff sogleich die Gelegenheit, Bens Melodiefragmente aufzuzeichnen und in den Computer zurückzuspeisen. Dadurch gelang es ihm, die Übersetzung zu korrigieren und schrittweise zu verbessern.

Die ganze Crew drängte sich inzwischen um Hrrovrs Konsole. Ajs saß mit verzücktem Blick auf der oberen Kante seines Schirms und verfolgte gespannt das Geschehen. Niemand störte sich mehr an ihrem blauen Schleim. So unvorhersehbar diese Mission bisher verlaufen war, zumindest schien sie meine erweiterte Crew noch besser zusammenzuschweißen.

Schließlich blickte Aalyxh auf. „Ich glaube, wir sind für einen neuen Versuch bereit."

„Ben?" Alle Augen richteten sich auf den Menschen.

Der Ingenieur räusperte sich und summte einige Passagen der Melodie, die sie alle gemeinsam entwickelt hatten. „Ich kann's versuchen. Aber gebt mir dann bitte nicht die Schuld, wenn die Sqias beleidigt sind."

Ich nickte ihm zu. „Keine Sorge. Der FORP sagt. dies sei eine ausgesprochen friedliebende Spezies. Sie werden also hoffentlich nicht gleich zu den Torpedos greifen wegen einer falschen Note." Ich hoffte zumindest, dass ich damit recht hatte. Auf manchen Planeten galt für geringere Vergehen die Todesstrafe. „Bereit für die Übertragung, Lyxh? Ben?"

Ben holte tief Luft und summte die komplexe Melodie, als sei es ein Lied, das ihm bereits seine Großmutter vorgesungen hatte. Seine Stimme kletterte dabei mühelos in unbekannte Höhen und Tiefen und beendete die Übertragung mit einem kleinen, fröhlichen Trillern. Ich war beeindruckt.

Gespannt warteten wir schweigend auf die Antwort des Planeten. Als sie kam, konnte ich vor Erleichterung ein lautes Lachen nicht verkneifen. Hijac las die Übersetzung von Hrrovrs Schirm ab. „Willkommen auf Sqia'lon. Dein Akzent ist erfrischend exotisch, Topsy-Turvy."

Bens Blick drohte, mich umzubringen. Deshalb schluckte ich mein unangebrachtes Kichern hinunter und diktierte die nächste Passage des Gesprächs. „Vielen Dank. Wir kommen im Auftrag der Tanencha sy Tyrin mit wichtiger Fracht."

Der Fluch der Topsy-Turvy | Wattys 2021 GewinnerWhere stories live. Discover now