9. - Das rote X

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Der Kaffee war eine echte Wohltat. Sie nippte immer wieder an der Tasse und versuchte ihre Gedanken in klare Bahnen zu lenken. Ihr Blick glitt zu Sandy. Sie hatte sich auf dem kleinen Sofa hingelegt und die Augen geschlossen. Aber sie schlief nicht. Jazz konnte schon fast hören wie das Mädchen nachdachte. Etwas ging in ihr vor. Es war mehr als Angst. Sie machte keinen Eindruck als wenn es Hilflosigkeit wäre. Eher ein grübeln und nachdenken. Seit dem Zwischenfall, der nun schon knapp über eine Stunde her war, hatte sie fast kein Wort gesprochen. Ihr Blick glitt rüber zu Albert. Er sah sie erwartungsvoll an. „Also?“ Seine Stimme klang ruhig durch das zimmer.

Jazz schluckte noch die letzten Tropfen Kaffee und gab dann etwas kleinlaut zu: „Sorry, ich hab die Frage nicht mitbekommen...“ Albert musterte sie. „Ich habe auch keine gestellt. Das brauche ich wohl auch nicht. Also, was haben sie jetzt vor?“ Jazz zog die Schultern hoch. „In meine Wohnung können wir nicht zurück. Also würde ich sagen, wir bleiben erst mal hier. Das Präsidium wird er kaum angreifen.“ Albert verzog nachdenklich den Mund. „Ist keine Dauerlösung. Ich werde mich um einen sicheren Ort für sie beide kümmern. Ihre Familien habe ich bereits warnen lassen.“ Jazz seufzte. „Meine Mutter wird sicher vor Sorge durchdrehen.“

Alberts Mundwinkel ging leicht in die Höhe. „Vielleicht sollten wir ihre Mama auf den Killer ansetzten. So wie sie immer von ihr und ihrem Temperament erzählen...“ Jazz lachte leise und stellte ihre Tasse auf dem Schreibtisch ab. „Nee, das können wir niemandem antun. Das verstößt gegen alle Menschenrechte sie auf jemanden los zu lassen.“ Der kleine Scherz half die Spannung zu brechen und Jazz fühlte sich zumindest etwas besser. Albert war nicht wütend geworden, hatte sie nicht angebrüllt oder so. Er schien auch nur froh zu sein, dass beide den Schusswechsel überlebt hatten.

Sandy rührte sich auf dem Sofa. „Dieser Kerl ist doch kein Mensch.“ In ihrer Stimme schwang soviel Bitterkeit mit. Sie fixierte Albert mit einem strengen Blick. Ihre Augen hatten jede Kindlichkeit verloren. Die letzten Tage hatten sie gezwungen endgültig erwachsen zu werden. „Warum hat so ein Irrer Rechte? Den sollte man einfach abknallen und auf den Müll werfen.“ Albert schüttelte den Kopf und hob beschwichtigend die Hände. „Nein... So etwas darfst du nicht mal denken. Er ist ein Mensch. Und für ihn gelten die gleichen Regeln und Gesetzte wie für alle anderen.“ Sandy zischte ihn an. „Und warum? Er hat sich bei seinen Opfern auch nicht dran gehalten! Und Manuel, einer der nie was getan hat...“ Ein Schluchzen drang aus ihrem Mund. Sie wischte sich mit dem Handrücken über die Augen.

„Dieser Irre gehört umgebracht!“ Albert sah das Mädchen mit seinem beruhigendem Blick an. Er hatte die Hände jetzt sinken lassen. „Nein. Es gibt Gesetzte und Ordnung. Er wird seine Strafe bekommen. Ein Leben lang im Gefängnis sitzen. Du bist wütend und aufgewühlt. Aber eines Tages wirst du es verstehen.“ Sandy schnaubte verächtlich und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich geh in kein Versteck.“ Wechselte sie trotzig das Thema. Albert widersprach erneut: „Doch das wirst du. Deine Eltern haben bereits zugestimmt. Du bist sonst nicht sicher. Dieser Mann wünscht deinen Tod. Wir kennen den Grund noch nicht, aber wenn es ihm wert ist...“ Sandy legte sich wieder hin und drehte sich demonstrativ mit dem Rücken zu Albert. Dieser verstummte nun.

„Naja, eines Tages wirst du es verstehen.“ Fügte er nochmal hinzu und sah dann zu Jazz rüber. „Ich gehe rüber in mein Büro. Wenn sie was brauchen, dann klingeln sie schnell durch. In einer Stunde habe ich einen Plan wo sie unterkommen können.“ Jazz nickte ihm zu, während ihr Chef mit müden Schritten den Raum verließ. Jazz wartete bis die Türe geschlossen war und erhob sich dann langsam von ihrem Bürostuhl. Sie ging zum Sofa und kniete sich daneben. Ihre Hand legte sich langsam auf Sandys Schulter.

„Da ist doch was... Etwas das du nicht erzählt hast?“ fragte Jazz sie leise. Sandy rührte sich nicht. Jazz streichelte ihre Schulter und setzte nochmals an. „Was ist es? Es hat mit dem Mann zu tun?“ Sandy zog die Nase hoch und sagte dann flüsternd: „Vielleicht.... Ich dachte er bringt mich jetzt um. Seine Augen... Sie waren so wie neulich. Also sie die Farbe gewechselt hatten.“ Jazz nickte. Aber da ist noch was anderes. Komm, sag es mir. Es bleibt unter uns wenn du es so willst. Ich werde Albert nichts sagen.“

Wenn es nur noch Rache gibt...Where stories live. Discover now