12. - Zwangsurlaub

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„Die Spuren vor Ort sind minimal. Zeugen gibt es keine. Das wird schwierig. Selbst wenn wir einen Verdächtigen hätten, würden wir nicht wirklich was gegen ihr vorbringen können.“ Der Blick von Albert ruhte einen Moment auf Jazz. Sie hatte den Kopf auf die Hände gestützt und sah gedankenverloren auf die Tischplatte ihres Schreibtisches. Ihre Augen bewegten sich langsam hin und her. Albert räusperte sich: „Frau Weber? Sie hören mir doch zu?“ Sie reagierte erst einige Sekunden später und drehte langsam den Kopf zu ihm um. „Ja... wir haben keinen Verdächtigen und Beweise haben wir auch keine.“ Ihre Stimme klang nicht so vital wie sonst. Sie klang müde.

Albert rang sich ein Lächeln ab. „Es war nicht ihre Schuld.“ Er hatte keine Probleme ihren Blick zu deuten und zu verstehen. „Das Mädchen hat eine Entscheidung getroffen. Sie sollte den Schutz der Polizei nicht haben. Wenn sie einfach hier geblieben wäre... Sie können eben nichts dafür. Klar, mancher wird meinen sie hätten sie nicht aus den Augen lassen dürfen. Aber dann hätte das auch sonst niemand hier tun dürfen. Ich werde selbst die Verantwortung übernehmen. Sie müssen sich keine Sorgen machen. Es wird sich nicht nennenswert auf ihre Karriere auswirken.

Er sah sie zuversichtlich und lächelte leicht. Aber Jazz lief es kalt den Rücken runter. Sie rieb sich die Hände, ihre Finger fühlten sich plötzlich kalt an. „Das macht sie nicht wieder lebendig. Ich hätte besser aufpassen müssen. Und schneller reagieren. Jemand anderen abstellen um nach ihr zu sehen, oder sie einfach mitnehmen. Aber ich hab's nicht gemacht und nun ist sie tot. Ich bin schuld...“ Albert seufzte angespannt auf.

„Sie sind eine hervorragende Beamte. Wir würden viel mehr Menschen von ihren Kaliber brauchen. Sie haben hier vielleicht einen Fehler gemacht. Einen vergleichsweise kleinen. Aber diese Dinge passieren eben. Wir haben es hier nicht mit Parktickets zu tun. Wir müssen mit Psychopathen fertig werden. Mit Mördern und Vergewaltigern. Und da ist eben nichts sicher. Das Mädchen hat es gewusst. Sie sind nicht schuld.“ Jazz schüttelte kaum merklich den Kopf und rieb sich die Schläfen. „Ich hätte sie nicht im Stich lassen dürfen.“ Flüsterte sie.

Albert legte ihr einen Moment seine Hand auf die Schulter und sprach dann leise weiter. „Ich... Sie sind offensichtlich zu sehr in der Sache involviert. Es ist kein Wunder nach allem was passiert ist. Und nachdem sie so engen Kontakt zu Fräulein Saller hatten. Ich hab also keine andere Wahl.“ Jazz sah auf. Ihr Mund stand offen aber sie brachte kein Wort heraus. „Ich ziehe sie hiermit von diesem Fall ab. Sie sind persönlich betroffen und ihre Gefühle könnten bei der Sache im Weg sein. Also ziehe ich sie ab und werde ihnen zwei Wochen Sonderurlaub gewähren lassen. Sie brauchen jetzt Zeit zum Verarbeiten und Ruhe.“

Jazz schüttelte den Kopf und suchte fieberhaft nach den Nervenbahnen, welche ihr das Sprechen ermöglichen würden. Sie fand sie so langsam wieder: „Aber das... Ich hab in der Sache schon so viel Fortschritt erzielt. Ich hab den Killer gesehen und würde ihn wiedererkennen. Und... Ich...“ Albert vervollständigte den Satz: „Und sie wollen ihn für seine Verbrechen bezahlen lassen. Ja, ich weiß das sie das wollen. Wir alle wollen das. Aber ihre Gefühle könnten die Sache aus den Ruder laufen lassen. Falsche Urteile fällen oder vorschnell handeln lassen. Nein, es tut mir leid, aber sie werden sich eine Auszeit nehmen. Das ist keine Schande und nichts weshalb man schlecht über sie denken wird. Machen sie Urlaub und kommen wie auf andere Gedanken. Entspannen sie sich und lassen sie ihre Kollegen die Sache abschließen. Sie wissen das sie uns allen vertrauen können.“

Jazz wollte protestieren, aber was sollte sie schon sagen? Eine Entscheidung wie diese wurde nicht zurückgekommen. Und selbst wenn sie Chance hätte ihn zu überzeugen, im Grunde hatte er recht. Sie war viel zu nah an dem Fall dran. Aber etwas in ihr stemmte sich trotzdem gegen diese Bevormundung. Sie war die Beste um diesen Irren endlich hinter Gitter zu bringen. Albert musste dich klar sein, dass er grade seinen besten Spieler auf die Ersatzbank schickte.

Wenn es nur noch Rache gibt...Où les histoires vivent. Découvrez maintenant