Kapitel sechsundvierzig

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Fragend sah er mich an. Ich weiß nicht ob es an den Medikamenten lag, mit denen ich vollgedröhnt war, aber Tränen sammelten sich in meinen Augen.

"Was ist los Valentina?", fragte er besorgt.

"Du hast nach unserem letzten mal direkt wieder mit Violet geschlafen", hauchte ich nun leise in seine Richtung. Sein Blick änderte von Besorgt in wissend und er wollte gerade die Hand an meine Wange legen, die ich jedoch festhielt und wieder herunter drückte.

"Woher?", fragte er schließlich ruhig an mich gerichtet.

"Ihr selber", erwiderte ich und spürte den dicken Kloß in meinem Hals. Er nickte wissend und entfernte sich langsam von mir.

"Wieso jetzt?", fragte er weiter.

"Als es mir gesagt wurde war ich weit weg von dir und körperlich nicht in der Lage mit dir zu sprechen, falls du das vergessen haben solltest", meinte ich leicht bissig. 

"Valentina, ich war wütend und -", fing er an.

"Und ich bewusstlos in einem Keller", unterbrach ich ihn kühl. 

"Hat es dir nichts bedeutet, denn Keno ich sage dir noch einmal, auf dieses ganze hin und her habe ich keine Lust. Wie soll ich dir vertrauen? Ich dachte das letzte mal war ernst, aber irgendwie gehen die Meinungen von ernst bei uns definitiv auseinander", plapperte ich drauf los und verlor die erste Träne, während ich sprach.

"Es war mir doch auch ernst, aber du warst verschwunden und ich dachte -"

"Ich hätte dich sitzen gelassen", beendete ich seinen Satz.

"Na wenn das so ist, kann ich natürlich verstehen dass du direkt wieder mit jemand anderem auf deinem Auto vögelst", hauchte ich verletzt und war froh, dass ich das Thema ansprechen konnte, da es mir schon einige Tage auf dem Herzen lag. Sein Blick wechselte wieder in Fragen.

"Woher ich das weiß? Ich habe eine Ausführliche Erzählung erhalten", erklärte ich ihm. Meine Stimme brach, da immer mehr Tränen über mein Gesicht liefen und ich mir die beiden zusammen immer wieder im Kopf vorstellte.

"Es tut mir so unendlich leid", hauchte er.

"Ja, mir auch", sprach ich und biss mir auf die Unterlippe um nicht loszuheulen. Er schwieg, während er vor mir stand und auf mich hinunter sah.

Wie er Violet berührte.

Wie er sich ihr vollkommen Hingab.

Wie sie miteinander eins wurden.

Eine Gänsehaut vor Ekel breitete sich über mir aus. Ich musste aufhören daran zu denken.

"Ich kann das jetzt gerade einfach nicht. Bitte gib mir Zeit um darüber nachzudenken ob ich das alles will und ob ich dir Vertrauen kann", sprach ich sicher und sah wieder zu ihm hoch. Meine Augen mussten mittlerweile schon rot sein, so lange wie ich gegen die kommenden Tränen ankämpfte. 

"Valentina tu das nicht, du kannst mir vertrauen, das ist alles nun Vergangenheit", sprach er ruhig.

"Für dich vielleicht, ich habe ja auch mit niemand anderem geschlafen", konterte ich zurück. 

"Ich hatte nur Augen für dich, während das bei dir schon wieder anders aussah", fügte ich traurig hinzu.

"Das stimmt so nicht", verteidigte er sich.

"Auch wenn bei dem Sex keine Gefühle vorhanden waren ist es verletzend. Du hast dich vor jemand anderem entblößt und bist eins mit ihr geworden. Du hast das intimste mit dieser Person gemacht das es gibt und willst mir jetzt sagen ich darf nicht verletzt sein? Ich öffne mich vor dir, zeige mich dir und erlaube dir mich zu berühren. Das ist eine große Sache Keno und du hast es bei jemand anderem gemacht, nach unserer Nacht", sprach ich und fing nun an zu weinen. Ich konnte die Tränen nicht mehr zurück halten und der Kloß in meinem Hals wurde immer schwerer.

"Ich weiß, dass Sex für dich nicht so wertvoll und intim ist wie für mich, aber du musst verstehen , dass du mein Vertrauen gebrochen hast und es Zeit braucht um es wieder aufzubauen", wies ich ihn drauf hin. Er nickte schweigend und biss sich auf die Unterlippe, ehe er seine Haare raufte und der glanz aus seinen Augen verschwand. 

"Du kannst den Verband zum Baden schon abnehmen, ich habe dir Creme auf die Narbe gemacht und ein Wasserfestes Pflaster drüber geklebt, da ich wusste, dass du dich duschen willst wenn du wach bist. Ruf mich wenn es Probleme gibt, ich schicke dir dann meine Mum", sprach er heiser, drehte sich um und verschwand aus meinem Badezimmer. 

Zeitgleich mit dem Türschloss brach ich in Tränen aus. Alle Dämme brachen und ich weinte mir die Seele aus dem Leib. Anspannungen der gesamten letzten Tage fielen von mir, alles was ich durchmachen musste und verarbeiten musste legte ich in diese Tränen. Ich war fertig mit der Welt und musste erst einmal klar kommen, bevor ich mich wieder auf etwas neues einlasse. Keno musste das irgendwie verstehen, auch wenn mir dieser Schritt unfassbar schwer gefallen war.

***

Ich stieg wieder aus der Badewanne und wischte den Spiegel mit einem Handtuch frei, da dieser von der Heißen Luft beschlagen war. Schweigend betrachtete ich meinen Körper im Spiegel und mein Blick glitt zu dem großen durchsichtigen Pflaster, dass rechts neben meinem Bauchnabel klebte. Einige Zentimeter davon entfernt war mein Bauch in einem blau lila gefärbt. Es kam alles von Diabolo. Mein Atem ging schneller, sobald ich an seine Schläge dachte, aber ich hatte mich Recht schnell wieder im Griff.

Meine Augen hatten aufgehört zu Tränen als ich das warme Wasser um meinen Körper spürte. Ich hatte mich nun wieder im Griff, konnte aber nicht sagen wie es wird, wenn ich gleich wieder auf Keno treffen würde. 

Vorsichtig machte ich mich fertig und zog eine Jogginghose mit einem T Shirt an. Ich machte meine Haare und föhnte diese Trocken, bevor ich zu meinem Handy griff und meine Mutter über Facetime anrief. Es dauerte einige Sekunden bevor sie abnahm, die ich jedoch mit Geduld abwartete.

"Tina!", sprach sie freudig und wank mir durch den Bildschirm zu.

"Du hast dich lange nicht gemeldet, ist alles okay?", fragte sie besorgt.

"Alles super", antwortete ich gelogen. Sie sollte nicht wissen, was mit mir passiert war, da sie sich sonst nur noch mehr sorgen machte als sowieso schon. Sie war nie davon begeistert, dass ich weg ziehe und von der Moretti Reihe schon gar nicht. Jedoch habe ich ihr immer Versichert das es mir gut geht und somit akzeptierte sie meine Entscheidung. 

Ich redete einige Minuten mit ihr und später auch mit Dad und Grandma, bevor ich mich verabschiedete und vorsichtig aus meinem Zimmer lief. Ich krallte mich in das Treppengitter und stieg eine Stufe nach der anderen hinunter, bis Arian von oben kam und mich unterstützte.

"Du siehst direkt viel gesünder aus", meinte er mit einem zarten lächeln auf den Lippen, was einen förmlich ansteckte. Wir kamen in das Wohnzimmer, wo Raniya mit Enola saß und durch ein Fotoalbum blätterte.

"Und da waren wir im Zoo", erzählte sie und schluckte einmal sichtlich.

"Wir haben eine Minute nicht aufgepasst und dann warst du weg. Das war der schlimmste Tag in meinem Leben. Seitdem bin ich nie wieder mit meiner Familie hinaus gegangen oder habe normale Ausflüge unternommen", hauchte sie traurig und fuhr mit ihrem Zeigefinger über das Bild im Fotoalbum.

Das würde auch erklären, wieso Arian nicht studieren gehen darf. Raniya lebt in der ständigen Angst ihre Kinder zu verlieren, man könnte sagen, sie ist traumatisiert. Ich will mir gar nicht vorstellen, wie es sein muss ein Kind zu verlieren. 

Enola sah hoch und lächelte mich leicht an, während sie mit ihren Lippen ein Danke formte. Ich nickte mit einem leichten lächeln und sah dann hinaus, durch die große Fensterfront, wo ich Keno entdeckte. Er trug seine Sportkleidung und schlug wütend auf den Boxsack ein.

"Wann ist mein richtiger Geburtstag?", fragte Enola an Raniya gerichtet. Arian setzte sich zu den beiden und lächelte leicht.

"26.11.", beantwortete er ihre Frage. Ich hörte dem Gespräch noch einige Zeit zu, bevor ich mich auf den Weg in die Küche machte und mir ein Glas Wasser einschenkte. Ich ließ mich auf einen der Barhocker nieder, da ich langsam nicht mehr stehen konnte.

Nach einiger Zeit sprang die Tür auf und Keno trat herein. Sein Brustkorb hob und senkte sich schnell, während er mich anstarrte. Ich wollte gerade heraus gehen, da sein Anblick so schmerzte, jedoch hielt er mich auf.

𝐌𝐨𝐫𝐞𝐭𝐭𝐢 ✓Where stories live. Discover now