Ein weißer Strand, dessen Sand so fein ist, dass bei jedem Schritt der Fuß in den warmen Körnchen einsinkt. Palmen strecken sich dem strahlend blauer Himmel über ihren Köpfen entgegen. Es ist schön und erweckt einen Eindruck, der nicht ansatzweise zu dem Gefühl des Kapitäns passt.
Während aus den Kehlen seiner Männer "Oh's" und "Ah's" entkommen, kann er sich der Euphorie nicht anschließen.
Deswegen hat er sie nicht mitgehen lassen. Seine Gefühle haben ihn noch nie getäuscht und sollten sie auf Gefahr stoßen, so war eine Frau besser nicht bei ihnen.
Auch er hätte dieses Ungetüm am liebsten nicht betreten, doch sie mussten Materialien zur Reparatur seiner Trola finden und er will herausfinden, ob ihnen hier Gefahr droht, ob sich auf der Insel etwas versteckt hält, er muss sich einfach absichern.
Er blickt sich um. "Ihr da", ruft er einer Gruppe von Männern zu, die sich bereits in den Sand gekniet haben. Würde der Kapitän nicht wissen, dass sie erwachsen sind, könnte er denken, dass sie den Kindesbeinen noch nicht entwachsen sind.
"Fällt ein paar der Palmen und schlagt aus ihnen Holz!"
Einer der Männer, ein junger Knabe mit dunklen Haaren und schlacksigen Körper, der erst neu seiner Crew beigetreten ist, sieht ihn fast flehentlich an. "Können wir hier nicht ein wenig bleiben? Seht Euch doch nur um. Es ist herrlich. Keiner, der uns stört."
Der Kapitän spannt seine Kiefermuskeln an. Ausreichend, um von dem Jungen ein ergebenes Seufzen zu erhalten. Mit gesenktem Kopf läuft er gefolgt von den Älteren auf die Palmen zu.
"Ich habe es dir ja gesagt", sagt einer von ihnen und legt seinen Arm um die Schultern des Jüngeren.
Ja, das hat er. Er hat einen Ruf, den er sich nicht durch Widerworte nehmen lässt.
"So", sagt der Kapitän und dreht sich zu den verbliebenden Männern um.
"Ihr achtet auf meine Trola. Wer weiß schon, was sich auf dieser Insel verbirgt."
"Jawohl", rufen sie im Einklang und salutieren.
So hat er es gerne.
"Ihr restlichen folgt mir! Und ihr beiden", er zeigt auf zwei der Männer, die an einem Felsen lehnen, "Nehmt eure Gewehre mit."
Und mit diesen Worten läuft er über den Strand.
Das ungute Gefühl begleitet ihn. Verstärkt sich, als er vor dem Schlund der Insel zum Stehen kommt. Der Dschungel breitet seine Arme nach ihm aus. Er spürt es mit jeder Faser seines Seins. Dicht an dicht wachsen die Pflanzen und ist es am Strand hell und freundlich, so zeigt ein Blick zwischen die Bäume nichts als Dunkelheit.
Ungewöhnliche Pflanzen wachsen hier. Er könnte fast denken, sie seien schön. Große orangefarbene Blüten zwischen noch größeren dunkelgrünen Blättern. Vorsichtig schiebt er sich an ihnen vorbei, darauf bedacht sie nicht zu berühren.
Seine Erfahrung lehrte ihn, dass Schönheit meist die tödlichste Waffe der Natur ist.
Langsam lässt er den Strand hinter sich und taucht in eine neue Welt ein. Schwül ist die Luft. Fast Sekunden nach seinem Eintritt bilden sich die ersten Schweißperlen auf seiner Stirn.
Meterhohe Bäume strecken sich mit massigen Stämmen gen Himmel und verdecken fast vollständig die Strahlen der Sonne.
Es riecht frisch, aber irgendwie auch nach Verwesung. Kniehohe Büsche und Pflanzen verstecken den Boden unter unterschiedlich aussehenden Blättern. Er sieht kleine zarte, große ausladende und längliche spitz zulaufende. Die meisten sind grün in verschiedenen Tönen, doch zwischen ihnen gedeihen auch rote, orangene und gelbe. Blüten, soweit das Auge reicht, an den verschiedensten Pflanzen.
"Vorsicht Männer", sagt er über die Schulter, während er über den Boden schleicht, "Passt auf wohin ihr tretet."
Er hat die Worte noch nicht ganz ausgesprochen, da ertönt bereits ein gellender Schrei.
Der Kapitän wirbelt herum.
Einer seiner Männer, ein Alter mit grauen Haaren und faltigen Gesicht, liegt auf dem Rücken und hält sich sein Schienbein, während seinem Mund elendige Töne entkommen.
Sofort ist der Kapitän bei ihm, hockt sich an seine Rechte und versucht die Hände des Mannes von dessen Bein zu lösen.
"Lass mich sehen! Lass mich sehen!", ruft er immer wieder, während die restliche Crew sich neugierig, aber auch besorgt um sie schart.
Das Wimmern schwillt an, "Es tut so weh!", heult der Mann.
"Es wird nicht besser, wenn du mich nicht nachsehen lässt", antwortet der Kapitän zwischen zusammen gebissenen Zähnen und sieht zu den Gaffenden empor, "Nehmt seine Arme!"
Zwei der Männer packen beherzt zu und ziehen die Arme des Alten in die Höhe, sodass der Blick auf tomatenrote Quaddeln frei wird.
Nachdenklich betrachtet der Kapitän diese, ehe er die Männer ansieht, die noch immer die Arme des sich windenden Mannes festhalten.
"Bringt ihn zurück zu Trola und sagt dem Koch, er soll sich darum kümmern."
Beide nicken und ziehen den Mann kurzerhand auf die Füße, was er mit erneutem Schreien kommentiert. Auf einem Bein hüpfend, sucht er Halt an ihnen.
"Seid vorsichtig, dass ihr nicht auch noch Opfer der Insel werdet", mahnt der Kapitän, als er sie fortschickt.
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The Crows
AdventureIm Volksmund "Doves" genannt standen die weißmagischen Hexen seit Jahrhunderten für den Schutz der Menschen ein, während sie ihren Gegenpart die Crows bekämpften und die Städte von ihren Lakaien säuberten. Doch die Welt wandelte sich. Die Crows, die...
