The Crows

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"Das war mutig von dir", erkennt Kieran lächelnd an, nachdem Linea in menschlicher Gestalt auf ihn zutritt.
Sie nickt einfach nur, weiß nicht, was sie darauf erwidern soll. Sie hat sich bisher noch keine Gedanken darüber gemacht, ob es mutig war.

Als sie sich hinter wallenden Tüchern, die laut Kieran zum Umkleiden dienen, wieder zurück verwandelt hat, ist sie eher damit beschäftigt gewesen zu überlegen, ob das klug gewesen ist. Alles, was ihr gelehrt wurde, was ihr beigebracht wurde wie ein nicht enden wollendes Echo hat sie innerhalb weniger Sekunden verraten.
Dennoch empfindet sie keine Scham, denn sie ist nun mal wer sie ist und anstatt diese Tatsache zu verstecken, sollte sie sie eher nutzen.

"Geht's dir gut?", fragt Kieran, weil sie wortlos neben ihm steht. Linea hört seine Worte zwar, doch ihr Blick liegt auf ihrer Umgebung.
Sie sind nun im hinteren Teil des Raumes, den, den sie von vorne nicht sehen konnte.

Hier stehen keine Betten mehr. Dafür aber verschieden große Bottiche, in denen einige Frauen Wäsche waschen. Daneben ein Feuer, das mit Magie scheinbar klein gehalten wird, denn es bringt nur die Holzscheite zum Glühen. Sobald sich richtige Flammen entwickeln, schrumpfen diese förmlich in sich zusammen. Auch Rauch fehlt, als würde etwas verhindern, dass er sich entwickelt.

Über dem Feuer hängt ein großer schmiedeeisener Topf, in dem es brodelt und zischt. Daneben Frauen und Männer, die dem Topf immer mal wieder eine Zutat hinzufügen. Gerade lässt ein Mann halbierte Kartoffeln hineinfallen.

"Das ist also die Dove, die aussieht wie eine Crow", ertönt plötzlich eine Stimme. Linea dreht sich fragend um und erblickt eine Frau, die auf sie zutritt. In ihrem Gesicht steht ein warmes Lächeln.
Linea schätzt sie so auf Mitte 40. Sonnengebräunte Haut und die ein oder andere Falte im Gesicht. Ihre braunen Locken hat sie mit einem gelben Tuch hochgebunden. Sie trägt ein hellbraunes Kleid, das ihre schlanke Figur umspielt. Um ihre Schultern liegt ein Tuch, das in dem gleichen Farbton gehalten ist wie das auf ihrem Kopf.

"Einen guten Auftritt scheinst du gehabt zu haben. Ich habe ihn zwar nicht gesehen, aber das Tuscheln kam selbst bei mir an."
"Linea, darf ich dir Merine vorstellen. Sie koordiniert unsere Gänge nach oben und entwirft Karten."
"Eher das letztere. Sieh mich als Späherin an, die das was sie auskundschaftet, aufzeichnet."

Sie lacht daraufhin, als ihr Lineas fragender Blick auffällt.
Mit einer Rüge dreht sie sich zu Kieran, "Scheinbar haste ihr von uns noch nicht erzählt." Sie knufft ihn in die Schulter.
"Es war noch keine Zeit", erwidert er entschuldigend.

Linea versteht gar nichts mehr. Sie könnten auch eine andere Sprache sprechen. Das Ergebnis wäre das gleiche.

"Na dann komm. Ich zeig dir alles", übernimmt Merine nun die Führung und ihr Schritt ist deutlich schneller, als der von Kieran. Linea hat Mühe mitzuhalten.
Doch wenn sie diejenige ist, die die Stadt auskundschaftet ist ein schneller Schritt bestimmt erforderlich.

"Warum müsst ihr überhaupt Karten anfertigen? Verändert sich die Stadt so häufig?"
Linea läuft nun mit Merine auf einer Höhe. Vorbei an Bergen von Holz in allen unterschiedlichen Ausführungen. Ganze Baumstämme kann Linea sehen, die von einigen Männern gerade zersägt werden. Tischbeine thronen auf Schranktüren. All dies wird von den Männern zerkleinert. Sie kann den holzigen Geruch selbst im zügigen Vorbeigehen wahrnehmen.

"Oh ja", antwortet Merine, "Ständig sogar. Alchandria wird permanent ausgebaut. Neue Wege und Gebäude kommen hinzu, alte werden abgerissen oder anders genutzt. Gerade das Nest verändert sich immer wieder."
"Das Nest?", fragt Linea verwirrt und wird dadurch langsamer.
Merine blickt über die Schulter, dreht sich um und läuft nun rückwärts vor Linea.
"So nennen wir das Viertel der Crows. Es verändert sich ständig wie ein Puzzle, das neu zusammengestzt wird, aber immer an neuen Stellen. Das einzige Gebäude, was immer an der gleichen Stelle steht, ist das Hauptquartier. Die Burg, haste bestimmt gesehen."
Linea nickt zögerlich.
"Die anderen Teile werden in einem unregelmäßigen Abstand umgesetzt. Frag mich nicht. Wir müssen sie nicht verstehen, aber wir müssen uns genauso gut auskennen wie sie es tun und da komme ich ins Spiel."