Vor ihnen erhebt sich ein Berg. Der Berg, auf dem die Crows ihren Hauptsitz, gebaut haben. Der Kontrollpunkt, in den alle Informationen hinein und wieder heraus geleitet werden, in den die Gefangenen gebracht werden und von dem aus das Handeln der Crows bestimmt und beschlossen wird.
Es ist der Ursprung des Bösen.
Doch Linea kann die Burg von ihrer Position noch nicht sehen. Sie steht viel zu weit unten. Auch wenn sie gerade den Kopf in den Nacken legt, sieht sie nicht einmal die Türme, die ein Mahnmal für jeden Seefahrer sind, der auf Alchandria zusteuert.
Dass was sie sieht, ist aber nicht minder beeindruckend oder angsteinflößend.
Eine riesige Felswand, die so dunkel und glatt ist, dass sie das Licht des Mondes einfangen kann.
Sie sieht aus wie schwarzes Glas.
Linea versteht nun warum ein Aufstieg ohne Hilfsmittel so gut wie unmöglich wäre.
"Da müssen wir hoch", stellt Aorian unnötigerweise fest und berührt mit den Fingerspitzen den Stein.
"Das wird anstrengend", spricht Linea ihren Gedanken aus und würde sich am liebsten verwandeln, um einfach hochzufliegen. Doch dann könnte sie auch gleich an der Tür der Crows klopfen und Hallo sagen.
"Komm mal her."
Aorian tritt einen Schritt beiseite, während sein Blick weiterhin auf der Felswand liegt.
Irritiert tritt Linea an ihn heran und sieht ihn sein Gesicht. Wartet auf das, was er ihr sagen will, doch trotzdessen dass sie nun bei ihm steht, klebt sein Blick an dieser einen Stelle.
Er atmet zittrig aus.
"Darf ich dir meinen Vater vorstellen?"
Lineas Verwirrung wächst. Zumindest bis zu dem Moment, als ihr Blick auf die Felswand fällt.
Erst kann sie nichts erkennen, doch je länger sie hinsieht, desto mehr kann sie eine Bewegung im Stein ausmachen.
Vor ihr materilisieren sich Gestalten, obwohl so richtige Gestalten sind es auch nicht. Es sind eher helle Schatten, die so aussehen, als würden sie sich hinter dem glasähnlichen Stein oder eher darin auf und ab bewegen. Und es sind viele. Je länger sie auf sie achtet, desto mehr werden es.
Aorian seufzt und berührt erneut den Stein und als würde diese Berührung irgendetwas auslösen, wirbeln diese Schatten herum, als tanzten sie.
"Sie spüren menschliche Wärme", flüstert Aorian und legt seine Hand auf den Stein.
"Sind das...?" Sie kann die Frage nicht aussprechen. Mit großen Augen blickt sie von der Felswand zu Aorian und wieder zurück.
"Seelen? Ja sind es. Selbst nach ihrem Tod werden sie noch benutzt."
Linea hat keine Vorstellung davon wie dieses Benutzen aussieht. Doch sie sieht wie die Schatten, die Seelen, auf Aorian's Hand reagieren.
"Wir hatten mal geplant den Stein zu sprengen. Sie zu befreien. Aber egal, was wir gemacht haben, der Fels hat nicht mal einen Riss bekommen", erzählt Aorian und löst seine Hand vom Stein. Sofort strömen die Seelen an die Stelle, als versuchen sie das letzte bisschen Wärme zu spüren.
Lineas Magen fühlt sich schwer an.
Sie hat Aorian's Vorstellung nicht vergessen und der Streit mit seiner Mutter macht plötzlich viel mehr Sinn. Scham breitet sich in ihr aus, dass Merine ihren Sohn mit Linea gehen ließ.
Sie öffnet den Mund, doch entscheidet sich dagegen. Sie wird ihn nicht nach seinem Vater fragen. Die Tatsache, dass seine Seele in diesem Fels mit zig anderen gefangen ist, reicht um zu wissen, was ihm passiert ist und was ihrer Mutter droht oder vielleicht schon...
Linea beißt sich auf die Unterlippe.
Sie blickt an der Felswand empor mit einer Mischung aus Sorge und Nervosität im Blick.
Ein kleiner Windhauch lässt ihre Haarsträhnen tanzen, als würde er sie aufmuntern wollen. Als würde er sagen, finde es einfach heraus.
~•~
Laut ächzend hievt sich Linea auf den Felsvorsprung hoch. Der Schweiß läuft ihr ungehindert die Stirn hinab. Ihr Gesicht fühlt sich heiß an, als hätte sie Fieber.
Mit Händen, die bei jeder Anstrengung zu zittern beginnen, drückt sie sich in den aufrechten Stand. Dreht sich auf dem Vorsprung herum und betrachtet einen atemberaubenden Anblick.
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The Crows
AdventureIm Volksmund "Doves" genannt standen die weißmagischen Hexen seit Jahrhunderten für den Schutz der Menschen ein, während sie ihren Gegenpart die Crows bekämpften und die Städte von ihren Lakaien säuberten. Doch die Welt wandelte sich. Die Crows, die...
