Kapitel Drei

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Ich fragte mich, wo es überhaupt Wandlerschulen gab. Ich hatte von zwei in Amerika gehört, aber eine davon war für Meerestiere. Ich nahm an, dass wir also nicht zu dieser Schule fliegen würden. Ich schrieb genau das auf den Zettel und übergab ihn Yemaya.

Mrs Ledwaba seufzte laut. "Sekou, setz dich jetzt bitte wieder hin!", befahl sie dem Jungen, dessen Haut allmählich eine braungraue Farbe annahm, die ziemlich unnatürlich aussah. Er hatte sich von seinem Platz erhoben und sah aus, als wäre er kurz vor dem Explodieren.

"Ja, Sekou, setz dich hin, oder willst du wieder wegen eines Wutanfalls zum Schulpsychologen?", neckte Ashanti ihn.

"Ashanti!" mrs Ledwaba funkelte unsere Mitschülerin an. "Halt dich bitte mal zurück. Wir machen jetzt Unterricht, verstanden?"

Ich spürte, wie etwas gegen meinen Kopf stieß und fing gerade noch den Zettel auf, den Yemaya zu mir rübergeworfen hatte. Ich warf ihr einen warnenden Blick zu und schaute mir an, was sie geschrieben hatte. Sie hatte geschrieben, dass sie mir zustimmte. Wow.

"Akossiwa, gibt es vielleicht etwas, dass du uns mitteilen möchtest?", fragte Mrs Ledwaba. Ich schaute auf und schob den Zettel schnell unter mein Mäppchen. Sie zog die Augenbrauen hoch. Natürlich hatte sie das gesehen, doch sie sagte nichts.

"Nein, sorry", murmelte ich kleinlaut und warf Yemaya einen Blick zu. Sie grinste mich dumm an und sobald Mrs Ledwaba sich umgedreht hatte, warf ich ihr den Zettel gegen den Kopf. Yemaya lachte leise auf und fischte sich den Zettel aus den Haaren.

Der Unterricht zog sich wegen gewissen Störenfrieden noch etwas in die Länge, doch dann erklang die Pausenglocke. Mein Retter in der Not, dachte ich, denn länger hielt ich das mit dieser Klasse echt nicht aus.

Wir hatten direkt im Anschluss an Menschenkunde Mathe bei Mr Martin. Natürlich hatte ich darauf überhaupt keine Lust, aber schwänzen wollte ich auch nicht. Außerdem saß ich in Mathe neben Waris, der echt klug war und Ahnung von Zahlen und Dreiecken und dem ganzen Kram hatte. Waris erklärte uns die Aufgaben immer und wenn wir es nicht verstanden, ließ er uns abschreiben, was natürlich kontraproduktiv war, aber das interessierte weder mich noch Yemaya sonderlich.

Bevor Mathe begann, hatten wir immer eine Fünf-Minuten-Pause, weil Mr Martin immer 'zu spät' kam. Mittlerweile waren wir uns ziemlich sicher, dass er uns einfach kurz Zeit geben wollte, um nach Menschenkunde unsere Gedanken wieder zu fassen oder so.

Anayo griff nach Youmas Hand und zog sie zu uns rüber. Wir warteten vor dem Klassenraum. Yemaya zog sich einen Müsliriegel rein, bei dessen Geruch ich das Gesicht verzog. Ich aß lieber Kerne oder so.

Waris fuhr sich mit der Hand über das Gesicht und gähnte. "Wann glaubt ihr, erfahren wir, wohin es geht?"
"Wohin es bei was geht?", fragte Yemaya. Sie war vergesslich wie sonst was.

"Beim Schüleraustausch", sagte Anayo und verdrehte die Augen. "Ich hoffe, wir gehen zur Clearwater High. Da war vor kurzem richtig was los."

Youma legte die Stirn in Falten und schaute ihn mit fragendem Blick ab. "Und was?"

"Andrew Milling, so ein Typ aus Nordamerika, der ziemlich verdrehte Vorstellungen von einer Welt mit Wandlern hatte, hat die Clearwater High überfallen lassen. Da wohnt ein Junge, der so alt ist wie wir, oder etwas jünger, keine Ahnung. Der ist jetzt eine richtige Legende", erklärte Anayo seiner Freundin. Auch ich hatte etwas davon gehört, und wie ich Waris kannte, wusste er auch schon Bescheid. Nur Yemaya und Youma sahen etwas ratlos aus.

"Es war ein großes Thema in den Nachrichten", sagte Waris mit ernster Miene. "Woodwalker aus aller Welt haben sich versammelt, um in den Vereinigten Staaten mit oder gegen Milling zu kämpfen. Es muss richtig schlimm gewesen sein."

Yemaya starrte ihn mit ehrfurchtsvollem Blick an. "Warum haben wir dann fast gar nichts davon mitgekriegt?"

"Wahrscheinlich, weil wir nicht in Amerika leben", gab ich zurück und sah zu, wie Mr Martin auf uns zu kam. "Können wir uns später darüber reden? Wir müssen jetzt zu Mathe."

Yemaya verzog das Gesicht und Youma warf einen sehnsüchtigen Blick zur Pausenhalle, als wir den Raum betraten.


Tatsächlich mussten wir bis zum  nächsten Tag warten, um zu erfahren, für wann der Austausch geplant war und wohin es gehen würde. An der Überraschung der anderen sah ich, dass meine Freunde ihnen es nicht weitergesagt hatten.

Unser Schulleiter, Makoye Steenkamp, machte die Ankündigung höchst persönlich.

"Die Schüler des zweiten Jahrgangs werden einen zweiwöchigen Schüleraustausch an die Clearwater High machen. Vielleicht habt ihr von der ja schon mal gehört. Es gab dort einige Unruhen und Kämpfe im letzten Jahr. Aber macht euch keine Sorgen, ihr werdet dort gut aufgehoben sein und einiges neues lernen. Ihr werdet dort ganz normalen Unterricht haben, zusammen mit der Zweitjahresklasse der Clearwater High."

Miss Khosa, die neben unserem Schulleiter stand, fügte hinzu: "Ihr werdet alle eine Prüfung in Verwandlung bestehen müssen, denn wir werden mit dem öffentlichen Flugzeug in die USA fliegen und da sollte natürlich niemanden ein Missgeschick passieren."
Ich schnappte nach Luft und Panik stieg in mir auf. Shit! Ich hätte damit rechnen sollen. Ich war echt schlecht in Verwandlung - was, wenn ich deswegen nicht mit durfte? Das wäre echt mies.

Die Vorfreude unter uns allen war groß, wurde aber von der Nachricht mit der Überprüfung getrübt.

Auch Yemaya schien plötzlich ernsthafte Zweifel zu haben. Und Youma war so nervös, dass sich ihre Fingerspitzen zu Krallen formten und auf ihrer Haut Fell zu sprießen begann.

Anayo legte ihr eine Hand auf den Arm und beruhigte sie, indem er ihr irgendetwas ins Ohr flüsterte. "Das wird schon klappen", versicherte er ihr schlussendlich.

Waris sah mich und Yemaya besorgt an. "Was, wenn wir das nicht schaffen?", fragte er.

Mir wurde schlecht bei dem Gedanken. Klar, ich hatte andere Talente, und ein Schüleraustausch war nicht die größte Sensation oder das Wichtigste event der Welt, aber es war gut, um in der welt rumzukommen, neue Leute kennenzulernen, Freundschaften zu schließen und mehr über fremde Kulturen und Bräuche zu lernen. Ich wollte sehr gerne mitkommen und beschloss spontan, mein Bestes zu geben, diese verfluchte Prüfung zu bestehen, denn ich war nichts als ehrgeizig.

Yemaya hingegen sah aus, als würde sie gleich ohnmächtig werden.

"Macht euch keine Sorgen, die Prüfung findet erst in einer Woche statt. Der Schüleraustausch in drei Wochen. Ihr erfahrt dann noch genaueres", informierte Mr Steenkamp uns, als er unsere Gesichter sah. 

Ich atmete erleichtert aus und mein Herz wurde leichter. Gott sei Dank. Eine Woche? Das reichte zum Vorbereiten, oder? Da konnte ich noch genügend üben, oder?

Wir stehen in Flammen (Woodwalkers Fanfiction)Where stories live. Discover now