37. "Erzähl mir, was dich beschäftigt"

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Ich steige aus der Dusche und trockne mich ab. Die Tränen laufen immer noch stumm über meine Wangen. Aber ich tue auch nichts dagegen. Vielleicht muss ich einfach mal alles rauslassen und dann wird es bestimmt besser.

Ich putze meine Zähne und ziehe mir meinen Pyjama an. Dann gehe ich in mein Zimmer und lege mich auf mein Bett. Morgen ist mein letzter Tag hier in Dublin und Samstag geht es vormittags zurück nach London. Mama hat mir vorhin noch eine Nachricht geschrieben, ob ich wirklich sicher bin, dass ich zurück möchte. Ich habe es bejaht, obwohl ich alles andere als sicher bin. Ich weiß, dass ich London, meine Mama und meine Mädels vermisse, aber so ungern ich es zugebe, ich wünschte, ich könnte hier bleiben. Doch meine Entscheidung steht und ich wünsche mir, dass mein Leben in London wieder einfach wird. Ohne all das Drama und die Angst.

Mir fällt auf, dass ich noch nichts eingepackt habe, also setze ich mich wieder auf und hole meine Koffer hervor. Ich möchte meinen letzten Tag morgen nicht mit packen verbringen. Und so viel brauche ich für morgen und übermorgen nicht mehr. Eine Stunde lang packe ich alles mögliche in meine Koffer und habe dann meinen Kleiderschrank bis auf einzelne Teile leer und auch ein Großteil meiner Bücher und DVD's ist verstaut. Danach lege ich mich erschöpft wieder aufs Bett. Meine Gedanken kreisen weiter um den Umzug und alle meine Sorgen.

Irgendwann muss ich eingeschlafen, da ich wie immer durch das Klingeln meines Weckers hochschrecke. Mein erster Blick fällt auf meine Koffer, was mich daran denken lässt, dass heute wirklich der letzte Tag ist. Ich atme tief durch und stehe dann aus dem Bett auf. Die Kleidungswahl ist heute schnell getan, da ja nicht mehr viel im Schrank ist. Ich ziehe das weiße Tshirt an, welches ich zusammen mit Hailey und Alicia gekauft habe. Dazu ziehe ich eine hellblaue Skinnyjeans an und gleich meine schwarzen Vans. Vorher gehe ich jedoch runter zum Frühstück.

"Morgen! Wie geht es dir?", begrüßt mich Joe. Phil scheint entweder noch zu schlafen oder ist noch im Badezimmer.

"Gant gut soweit. Also na klar angespannt und emotional, weil es mein letzter Tag ist, aber sonst ist alles in Ordnung! Und bei dir?", antworte ich.

"Sicher? Ich weiß genau, dass es dir gestern Abend nicht gut ging, nach dem Vorfall mit Dillen!"

"Ich mache mir halt viele Gedanken", antworte ich ehrlich.

"Du weißt, dass du nichts dafür kannst, dass Dillen so ist, wie er ist, oder?"

Ich zucke mit den Schultern. Natürlich kann ich nichts für sein Wesen, aber vielleicht liegt es auch an mir, dass die Jungen mir so nahe kommen. Vielleicht strahle ich etwas aus. Es war schließlich nicht nur Dillen, sondern auch Jerk.

"Skylar, dass ist nicht dein Ernst!? Guck mich an!", ruft Joe entgeistert. Ich hebe vorsichtig mein Blick und sehe Verwirrung in Joes Gesicht.

"Du kannst nichts dafür, dass Dillen ein Arschloch ist! Egal, was du tust oder sagst, niemand hat das Recht dich ohne dein Einverständnis in irgendeiner Weise anzufassen! Und es ist nicht deine Schuld! Es ist einzig und allein Dillens Schuld!" Ich sehe, wie es Joe verletzt, dass ich so denke. Gleichzeitig merke ich, wie mir die erste Träne das Gesicht runterläuft. Joe merkt es auch und nimmt mich in den Arm.

"Komm! Wir setzen uns ins Wohnzimmer und dann reden wir mal!"

"Und was ist mit Schule?", frage ich. Es ist vielleicht gerade unpassend, aber eigentlich müssten wir los.

"Scheiß doch drauf! Was wollen die machen? Dich rausschmeißen? Du hast heute deinen letzten Tag und das hier ist definitiv wichtiger!", antwortet Joe und zieht mich mit ins Wohnzimmer. Dort setzen wir uns gemeinsam aufs Sofa und Joe sieht mich fragend an.

"Erzähl mir, was dich beschäftigt und worüber du so viel nachdenkst. Und denk daran, ich verurteile dich für nichts. Und wenn du das nicht willst, werde ich auch mit Phil über nichts sprechen, was du mir jetzt erzählst. Er ist sowieso schon weg und muss nichts davon wissen."

Ich atme noch einmal tief durch und entscheide mich dazu mit Joe zu sprechen: "Ich kann gar nicht genau sagen, was mich am meisten beschäftigt. Es ist so viel und doch immer das Gleiche!" Ich erzähle ihm von meiner Angst vor Dillen und meiner Angst wieder bei den Timid Demons zu landen und auch meiner Angst um die Jungs. Außerdem erzähle ich ihm von meinen Sorgen wieder nach London zu ziehen. Er unterbricht mich nicht einmal. Das einzige was er von sich gibt, sind kurze Schnaufer oder auch mal ein Knurren. "Außerdem habe ich das Gefühl immer nur über Halbwissen zu verfügen. Es gibt so viel, was ich nur teilweise weiß und nie vollständige Antworten zu erhalte", schließe ich meine Erzählungen.

"Dann stell deine Fragen. Niemand kann deine Fragen beantworten, wenn du sie nicht stellst."

"Die meisten Fragen betreffen Noah", sage ich leise. Ich weiß, dass Joe kein Fan von ihm ist und weiß nicht, wie er darauf reagiert.

"Ich mach dir nichts vor, ich halte nicht viel von ihm, aber wenn ich dir da irgendwas beantworten kann, dann frag und sprich auch mit ihm!" Etwas ähnliches hatte auch Phil mir in London gesagt.

"Gestern hast du zu Dillen gesagt, du hast die Sache mit Noah schon geklärt. Wie meintest du das? Was hast du geklärt? Und wann? Und was hat Phil Noah direkt vor dem Fight gesagt?", stelle ich meine Fragen.

Jetzt ist es Joe, der tief durchatmet und seufzt: "Ich werde jetzt ganz ehrlich mit dir sein, auch wenn du manches davon vielleicht nicht gut heißt. Phil hat Noah beim Fight gesagt, dass er sich von dir fernhalten soll. Du weißt, dass es unsere Pflicht ist, dich zu schützen. Und ich weiß, dass wir unseren Job besonders an dem Tag nicht besonders gut gemacht haben, aber wir wollten verhindern, dass Noah dir das Herz bricht."

"Dafür war es zu dem Zeitpunkt schon zu spät", murmel ich leise. "Hm?", fragt Joe nach, aber ich winke nur ab und deute ihm an, dass er weiter sprechen soll.

"Und zu deiner anderen Frage: nach dem Fight, als du entführt wurdest, hat Noah mir geschrieben und wollte sich mit uns und ein paar Anderen an einem Schrottplatz treffen. Er hat uns von deiner Entführung erzählt. Ich wollte das sofort alleine mit den Dark Angels klären und dich holen. Weil du unsere Schwester bist, hätten alle mitmachen müssen, um den Gangkodex zu erfüllen. Aber Noah hat darauf bestanden, dass er mitkommt. Ich wollte das nicht, schließlich sollte er sich von dir fernhalten. Ich habe ihm das auch gesagt und ihn gefragt, warum er unbedingt mit möchte, denn wie er selbst festgestellt hat, ist er nicht mit dir zusammen oder verwandt."

"Und? Was hat er gesagt?", frage ich sofort, weil Joe eine Pause einlegt.


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