21. Rede mit jemandem!

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Die nächste Woche versuche ich Noah so viel wie möglich aus dem Weg zu gehen und auch sonst bin ich ziemlich verschlossen. Mit der Clique rede ich fast gar nicht, sondern gebe nur kurze Antworten. Ich bin mir nicht sicher, ob Alicia den Anderen was erzählt hat oder nicht, ich habe es auf jeden Fall niemandem erzählt. Und ich habe auch mit niemandem darüber geredet. Mit wem auch? Meinen Brüdern? Oder Noah? Die stecken da viel zu tief drin und auch wenn es mir das Herz zerbricht, das zu sagen, sie sind irgendwie Schuld daran, dass ich entführt wurde.

Noah macht es mir recht einfach ihm aus dem Weg zu gehen. In den Pausen ist er durchgehend bei Kyle und den anderen Jungs und die Geschichtsstunde am Montag hat er einfach ausfallen lassen. Heute ist Freitag. Noch einmal in die Schule und dann fliegen wir nach London. Unsere Taschen für das Wochenende sind schon gepackt. Nach der Schule fahren wir nur kurz heim, ziehen uns um, nehmen die Taschen und dann geht es zum Flughafen.

Der Tag vergeht recht schnell und ich hoffe den ganzen Tag, dass Noah Geschichte heute wieder ausfallen lässt, denn das ist meine letzte Stunde heute. Aber diesesmal habe ich kein Glück. Ich sitze bereits auf meine Platz, als Noah den Raum betritt. Ich meine, dass seine Augen sich ein Stück geweitet haben, sobald er mich gesehen hat. Noah lässt sich neben mich fallen und sieht mich an. Ich schaue einfach nur nach vorne an die Tafel und hoffe das unser Lehrer endlich kommt.

"Wie geht es dir?", fragt mich Noah. Diese Frage wurde mir diese Woche täglich x-mal gestellt. Von allen: meinen Brüdern, Alicia, Hailey und den anderen Jungs.

"Mhm!", gebe ich zurück. Meine Standardantwort dieser Woche. Es macht den Anderen klar, dass ich nicht reden will und in den meisten Fällen akzeptieren sie es auch. Wie gesagt, in den meisten Fällen, ich habe schon damit gerechnet, dass Noah sich damit nicht zufrieden gibt.

"Sky, ich weiß, dass es dir nicht gut geht! Das sieht selbst ein Blinder. Und ich verstehe, dass du nicht reden willst, aber das solltest du, denn nur dann kann dein Körper alles verarbeiten und du kannst versuchen wieder normal weiter zu machen. Es tut mir unfassbar Leid, was dir passiert ist!" Noch so ein Satz, den ich diese Woche viel zu oft gehört habe. Allen tut es Leid, außer denen, die die meiste Schuld tragen.

"Sky, bitte rede mit mir! Oder deinen Brüdern. Bitte!"

Ich sehe zum ersten mal heute direkt in Noahs Augen, ich sehe wie Leid es ihm tut und wie sehr er sich wünscht, dass ich mit ihm rede, aber ich kann nicht. Ich schüttel zaghaft den Kopf und sehe die Enttäuschung in seinen Augen. Doch bevor er neu ansetzen kann, betritt unser Lehrer den Raum und ich versuche mich auf die Stunde zu konzentrieren.

Bereits fünf Minuten vor dem Klingeln habe ich meine gesamte Tasche eingepackt. Sobald unser Lehrer dann die Stunde beendet, springe ich auf und laufe aus dem Klassenzimmer. Ich bemerke noch Noahs Blick, doch versuche den Schmerz in meinem Herzen zu ignorieren. Ich bin nun mal in ihn verliebt und das ändert sich nicht von einem Tag auf den Nächsten, aber ich kann nicht mit ihm zusammen sein oder befreundet sein und ich kann auch nicht mit ihm reden. Es geht einfach nicht.

Draußen treffe ich auf Phil und Joe, die wohl genauso schnell rausgestürmt sind wie ich oder eine Stunde haben ausfallen lassen.

"Bist du bereit für London?", fragt Joe, während wir ins Auto steigen.

"Ja!", antworte ich und auf meinem Gesicht erscheint ein kleines Lächeln. Das erste ehrliche diese Woche. Ich freue mich, Mama endlich wieder zu sehen und sie zu umarmen. Ich weiß noch nicht, wie und was ich ihr alles erzähle, aber ich weiß, dass mir ihre Umarmungen gut tun werden. Und dann werde ich noch mit ihr reden, ob ich doch zu meiner Tante ziehen kann. Bisher habe ich mit niemandem darüber geredet, wie auch? Ich habe ja die gesamte Woche fast nicht geredet.

Sobald wir unsere Taschen geholt und uns bequeme Sachen angezogen haben, sind wir wieder im Auto. Am Flughafen angekommen gehen wir wieder durch verschiedene Kontrollen. Dieses mal geht es jedoch schneller, da wir alle nur Handgepäck haben. Mehr braucht man für die Tage ja auch nicht. Wir müssen noch etwas warten bis das Boarding beginnt. In der Zeit schicke ich meinen Freundinnen aus London ein Bild. Sie wissen, dass ich über das Wochenende da bin und wir wollen uns auch morgen treffen. Nur für zwei Stunden, denn die restliche Zeit möchte ich mit meiner Mama verbringen.

Mit meinen Mädels habe ich noch recht viel Kontakt. Nicht mit allen, aber mit meiner engen Clique schon. Wir waren immer zu viert: Amber, Ashley, Sophia und ich. Zweimal A, zweimal S. Meine Mama hat uns immer "Sasa" genannt. "Ach Sasa geht ins Kino? Viel Spaß!" Es war einfach kürzer und unsere WhatsApp Gruppe heißt auch so.

"Sky? Wir müssen. Das Boarding beginnt", reißt mich Joe aus den Gedanken.

Ich stehe auf und folge meinen Brüdern. Wir kommen ins Flugzeug, verstauen unsere Taschen und setzen uns auf unsere Plätze. Ich sitze am Fenster, also lehne ich meinen Kopf an die Flugzeugwand. Vorher habe ich noch meine Kopfhörer aufgesetzt und mir ein Kaugummi in den Mund gesteckt.

Sofort bin ich wieder in Gedanken. Dreimal raten bei wem? Richtig! Bei Noah. Ich vermisse ihn! Und wie! Ich wünsche mir so sehr, jetzt bei ihm zu sein. Oder ihm zumindest zu erzählen, dass ich gerade nach London fliege, um meine Mama zu sehen. Ich wünsche mir, ihm erstmal erklären zu können, warum ich eigentlich umgezogen bin und das ohne meine Mama. Ich möchte einfach nur von ihm in den Arm genommen werden.

Aber das geht nicht und das weiß ich. Es ist zu gefährlich und zu viel für mich. Und genau deshalb muss ich wieder nach London ziehen. Die Woche in der ich Noah fast gar nicht gesehen habe oder nur aus der Ferne hat mir geholfen, nicht so oft an ihn zu denken. Aber jetzt, nachdem ich neben ihm saß und er mit mir geredet hat? Jetzt ist er wieder in meinem Kopf.

Ich war so tief in Gedanken, dass ich sowohl den Start, als auch den Flug verdrängt habe. Ich bemerke gerade nur wie wir im Landeanflug sind. Ein gutes hat es: so habe ich auch meine Flugangst verdrängt. Ich muss ein wenig grinsen, jetzt hat Noah es sogar, ohne dass er es weiß, meine Flugangst verdrängt. Und schon setzt das Flugzeug auf und wir rollen über die Bahn.

Sobald das Flugzeug still steht, schnallen wir uns ab, nehmen unsere Taschen und warten darauf das Flugzeug verlassen zu können. Nach weiteren fast zehn Minuten ist es dann so weit und wir kommen endlich an die frische Luft. Nur für kurz, danach müssen wir wieder in den Flughafen. Das Warten auf die Koffer können wir uns sparen, deshalb können wir sofort raus und uns ein Taxi zum Hotel nehmen.

Dort angekommen, checken wir schnell ein und bringen die Taschen aufs Zimmer. Wir schlafen alle in einem Zimmer. Es gibt ein Doppelbett und eine Schlafcouch. Ich schlafe mit Joe im Doppelbett und Phil auf der Schlafcouch.

Es ist bereits kurz vor sieben und die Besuchszeit geht nur bis 20:00Uhr. Also laufen wir schnell zum Krankenhaus. Wir haben extra ein Hotel genommen, was nah dran ist. Es ist sehr merkwürdig wieder in London zu sein. Nach drei Monaten hatte ich mich schon ziemlich an Dublin gewöhnt, doch ich gewöhne mich bestimmt wieder schnell an London.

Mama hatte die Wahl, ob sie die Chemotherapie im Krankenhaus oder zu Hause machen wollte, doch da sie wusste, dass sie sich zu Hause nicht ausruhen würde und sich nicht angemessen ernähren würde, wollte sie ins Krankenhaus. Sie kennt dort auch verschiedene Ärzte und Schwestern. Insgesamt scheint es ihr da so weit auch ganz gut zu gehen.

Wir betreten das Krankenhaus und bereits am Empfang die Schwester kenne ich. Sie erkennt mich auch und kommt zu mir und umarmt mich.

"Skylar! Es ist schön dich wieder zusehen, ich würde ja gerne noch ein wenig mit dir reden, aber ich weiß, dass du zu deiner Mama willst! Zimmer Nummer weißt du?", spricht sie mich sofort an. Sie war mit meiner Mama zusammen in der Schule und sie haben bis heute guten Kontakt und sie sehr gute Freundinnen.

"Da hast du recht! Ja, die Nummer weiß ich, danke Sybille", antworte ich. Dann umarme ich sie nochmal und gehe mit meinen Brüdern im Schlepptau zum Aufzug. Wir müssen in den fünften Stock. Mit jedem Schritt den ich Mama näher komme, klopft mein Herz schneller. Ich freue mich so, sie endlich zu sehen.

Tada! Noch ein Update. Meint ihr wir schaffen mit diesem Kapitel die 1000 reads und die 100 Kommentare? Reads fehlen nur 20 und Kommentare nur 2! Ich würde mich freuen, denn das wäre mein erstes Buch, dass noch während der "Entstehung" die 1000 reads erreicht.

Wo gehöre ich hin?Where stories live. Discover now