SemiShira - A Ghost's Love

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(!TW! Blut, Tod)

Shirabu

Die kühle Luft roch nach Regen. Tief atmete ich ein, schloss die Augen und trat dann zum ersten Mal seit zwei Wochen aus seiner Wohnung. Die kühle Luft umfing mich und brachte mich zum Zittern. Ich schloss die Tür ab und drehte mich dann um, ging die noch nasse Straße hinab. Heute musste ich meine Eltern besuchen, ansonsten würden sie bei mir vorbeikommen und so, wie meine Wohnung aussah, wollte ich das definitiv nicht. Mein Handy gab einen Ton von sich. Vermutlich wieder eine der vielen Nachrichten, die ich allesamt ignorierte, da eh in jeder dasselbe stand: „Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, ich hoffe es geht dir gut."
Dabei ging es mir alles andere als gut. Heute war vielleicht mein Geburtstag, aber die letzten zwei Jahre war mir das auch schon egal gewesen...
Langsam lief ich weiter. Bis zu meinen Eltern dauerte es mit dem Bus etwa 20 Minuten, zu Fuß eine Stunde.

Trotzdem lief ich.

Seit dem Vorfall von vor drei Jahren ging ich nicht einmal mehr in die Nähe eines Busses oder anderen Verkehrsmittels auf zwei oder vier Rädern. Mein Handy klingelte. Ein Anruf? Dabei sollte doch eigentlich niemand anrufen... 19 Nachrichten hatte ich bereits erhalten, von den 19 Personen, die mir jährlich zum Geburtstag gratulierten. Was war das denn jetzt? Und sollte ich rangehen? Ich war definitiv nicht in der Verfassung, ein ordentliches Gespräch zu führen... trotz meiner Zweifel zog ich mein Handy aus der Tasche und blickte auf den kleinen Bildschirm, der mir seit drei Jahren täglich die kleine Hoffnungsblase in mir platzen ließ. Der Name der daraufstand, ließ mich zusammenfahren. „Tendou Satori" ,stand da.

Ich drückte auf ablehnen, dann steckte ich das Handy ein, doch bevor es ganz in der Tasche verschwunden war, klingelte es erneut...Ein unwilliges Knurren entfuhr mir. Dieser Idiot! Ihm war doch klar, dass es mir heute nicht gut ging! Trotzdem ging ich ran.

„Shirabuu?", ertönte seine Stimme.
„Ja?"
„Wie geht's dir?"
Ich seufzte und entschied mich für die Lüge. „Gut."
„Das stimmt nicht! Du vermisst ihn auch, oder?"

Tendous Stimme war weicher geworden, als wolle er sanft mit meiner Psyche umgehen, damit ich nicht zerbrach. Und vermutlich war das auch ganz gut so... Eine Träne bildete sich in meinem Augenwinkel, doch ich wischte sie schnell weg.
„Ja."
Meine Antwort war kurz, kalt und nicht besonders freundlich, doch beide Seiten wussten, dass ich Tendou trotzdem dankbar war, wenn auch nicht in übermäßiger Menge. Trotzdem hatte er mich doch irgendwie gerettet und mir geholfen, nicht ganz zu zerbrechen.

„...bu? ...rabu? Shirabu!"
Ich fuhr zusammen. Verdammte Gedanken!
„Ja?"
„Ich hab dich was gefragt!"
„Hm?"
„Willst du heute... mitkommen? Ich gehe heute Nachmittag um vier zu ihm..."

Überrascht sah ich auf meine Füße. Seit dem Vorfall hatte ich ihn nie besucht. Und heute war auch das erste Mal, dass Tendou mir das anbot. Mit rauer Stimme hauchte ich ein leises ja und legte auf. Dann kümmerte ich mich darum, die heißen Tränen zurückzuhalten.

Timeskip

Es war 15:49 Uhr, jedenfalls sagte mein Handy das. Tendou wollte mich in zehn Minuten abholen, dann Blumen kaufen und dann würde ich zum ersten Mal seit dem Vorfall ihn sehen. Ihn... Den Jungen, den ich verloren hatte. Vor genau drei Jahren hatte ich ihn verloren. Mein Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Ich blickte hinab auf meine Unterarme, die die kurzen Ärmel des T-Shirts nicht bedeckten. Eine hässliche Narbe zog sich über die Innenseite meines rechten Unterarms. Die einzige sichtbare Narbe, die ich besaß. Ich ballte meine Hand zur Faust, spannte meinen Arm an. Die Haut spannte sich an der Stelle ziemlich unangenehm und ich entspannte meine Muskulatur wieder. Dann stand ich von meiner Couch auf, zog mir Schuhe an, steckte mein Handy ein und wartete im Flur. Tatsächlich war Tendou etwas zu früh dran. Er klingelte nicht, sondern kam direkt mit dem Zweitschlüssel in die Wohnung. 

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