Sonntag, 12. September

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Ich könnte mich manchmal für meine Dummheit verfluchen. Natürlich wacht ich wieder in meinem altbekannten Krankenzimmer auf. Hier rauszukommen war schwieriger als gedacht. Ich legte meinen Kopf zur Seite und sah das ich wieder mit den Geräten verbunden war, vermutlich hatte der Alkohol mich noch mehr geschwächt. Auf der Uhr sah ich nicht viel, nur das es schon später Vormittag war, 12 Uhr oder so. Ich sah mich im Raum um. Ich war in ein anderes Zimmer gebracht worden. Dieses Zimmer war heller, fröhlicher gestaltet. Ich setzte mich auf und schaute zur Tür. Ich war ein paar Stockwerke tiefer, vermutlich auf der normalen Krankenstation. Dachte ich jedoch nur. Als ich schreie hörte, das man jemanden loslassen soll weil wenigen gut geht und er nicht wieder dem Alkohol verfallen war, wurde mir ganz plötzlich klar das ich auf der Entzugsstation lag. Die Tür öffnete sich und eine junge Ärztin kam rein. "Guten Morgen, schön das du wach bist. Wie geht es dir?" Ich lehnte mich wieder zurück. "Mir geht es ganz gut." "Kopfschmerzen, Übelkeit?" Ich schüttelte den Kopf. Mein Körper war daran schon gewöhnt. "Wir haben sie gestern betrunken aufgenommen, können Sie Sichuan irgendwas erinnern?" Wenn ich länger drüber nachdachte, desto weniger fiel mir ein. "Eigentlich nur noch daran wie ich im Auto einer Frau bewusstlos geworden bin." Sie nickte und schrieb etwas auf ihr Klemmbrett. "Max du bist erst 16, du solltest aufpassen was du trinkst und wieviel. Du hattest 2,74 Promille, das ist zu viel. Du hättest sterben können." Wenn sie wüsste das die Polizei mich mal mit 3,2 Promille mach Hause gebracht hat, würde sie das jetzt nicht sagen. "Ich komme heute Abend nochmal wieder und wir reden über deine Entlassung." Sie lächelte mir zu und verließ den Raum. Kaum zwei Sekunden später wurde die Tür erneut aufgerissen und eine verschwitzte Lorena stand in dieser. "Ich bin von der Schule hierher gerannt. Warum zur Hölle versuchst du dich umzubringen, trinkst und fällst fast ins Koma?" Sie knallte die Tür zu und setzte sich auf die Bettkante. "Woher weißt du das?" "Jeder weiß das Max. Über dich wird nur noch geredet, viele machen sich ernsthaft Sorgen um dich. Und ich auch." Ich wollte zum Reden ansetzten, sie anschreien ob sie sich mal entscheiden kann, da fiel sie mir um den Hals. "Es tut mir leid.", flüsterte sie mir ins Ohr und drückte mich mehr an sich. Ich nickte und hielt sie fest, damit sie nicht vom Bett fiel. "Gott wenn Kaithlin das alles wüsste, sie würde dich schlagen. Sie würde nicht wollen das du für sie gehst." Ich schaute gegen die Wand. "Ich will es aber." Lorena nahm meine Hand und drückte sie leicht. "Du brauchst liebe Max und die kannst du erst bekommen, wenn du sie endlich wieder zulässt. Ich weiß das es schwer ist, aber du musst weitermachen. Du musst lernen ohne Kathy zu leben, ob du das willst oder nicht. Du musst." Ich betrachtete ihre Hand und Strich mit meinem Daumen über ihren Handrücken. Sie lächelte mich schief an. "Du bist nicht alleine, ich bin für dich da. Und das verspreche ich dir. Christoph wollte heute auch noch kommen. Und ich wollte dich noch was fragen." Ich schaute sie an und nickte als Zeichen das sie fragen kann. "Wie war das Gespräch mit deinem Vater?" "Woher weißt du davon?" "Ist doch egal, wie war es?" Ich schwieg. "Ich habe ihn Papa genannt." Sie klatschte in die Hände. "Das ist doch mal ein Anfang." "Du verstehst das nicht, das ist alles andere als gut. Der Mann hat mich jahrelang fertig gemacht, mich beleidigt, mich ungeliebt fühlen lassen, mich abgestoßen und fand das alles noch amüsant. Das ist nicht mein Vater, das ist ein Mistkerl. Der Mann gehört weggesperrt wenn er Gefallen daran findet kleinen Kindern so das Herz zu brechen. Oder Teenagern. Ich hasse ihn und das wird sich nie ändern." Sie senkte ihren Blick auf ihren Schoß. "Weißt du Max, wieviel Chancen hat die Kathy gegeben?" "Lorena, Kathy kannst du nicht mit meinem Vater vergleichen. Was ich getan habe, war weitaus harmloser gegen das was mein Vater mir angetan hat. Ich meine ich war auch kein Gentleman aber ich habe sie geliebt und versucht mich zu bessern. Ich hätte mein Leben für sie gegeben, hätte für getötet. Mein Vater hätte das alles nie getan. Im Gegenteil, er hätte mich bestimmt noch getötet für andere." Sie seufzte genervt auf. "Max, er ist dein Vater. Er liebt dich, ich meine sonst wäre er nicht hier gewesen oder?" Kurz überlegte ich. "Und was ist mit den 10 Jahren davor? Wo war er da, als ich ihn brauchte? Der mit mir zum Fußball geht, mir beibringt wie man Schneemänner baut? Der mit mir für die Schule lernt und mir beibringt wie man ein Mädchen glücklich macht? Verstehst du wie ich mich fühle wenn dein angeblicher Vater hier auftaucht der sich jahrelang nicht gemeldet hat? Verstehst du das ich wütend bin?", brüllte ich nun förmlich. Sie nickte sanft und lehnte sich an meine Brust. Ich strich ihr über die Schulter und legte meinen Kopf auf ihren. Sie strich mit ihrem Zeigefinger über die Schnittwunde. "Wieso.. Wieso nur..", flüsterte sie und schaute mir nun wieder in die Augen. "Es ist besser wenn ich gehe, Ihr seit ohne mich alle besser dran." Uns beiden stiegen die Tränen in die Augen. "Nein Max, wir brauchen dich. Wer ist denn dann unser Vollidiot der immer besoffen gegen Laternen rennt? Wer bringt uns nach Hause wenn wir nicht mehr wissen wo das ist?" "Mein Zuhause ist nicht hier." Ich spürte wie sie mir näher kam, aber irgendwas in mehr sträubte sich gegen all das. Mittlerweile war sie auf meiner Augenhöhe und ich spürte ihren Atem auf meinen Lippen. "Ich weiß nicht ob das richtig ist." "Probier es aus. Du wirst es merken." Gesagt, getan. Prompt platzierte ich meine Lippen auf ihren. Und irgendwas in mir sagte das es richtig war, aber was wusste ich nicht so genau. Nach einigen Minuten lösten wir uns aus unserem ziemlich stürmischen Kuss und saßen uns einfach nur gegenüber. "Ich muss gehen.", sagte sie nun leise und schnappte sich ihre Sachen. "Lorena?" Sie schaute mich hoffnungsvoll an. "Es war richtig." Sie nickte lächelnd und verließ mein Zimmer. Und ich fiel in einen Mittagsschlaf.

The Song of the DeadWo Geschichten leben. Entdecke jetzt