Montag, 15. November

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- Lorena -
Ich wachte früh auf. Aber weil ich nicht schlafen konnte, stand ich schon auf. Es war war erst halb fünf, aber schlafen hätte jetzt keinen Sinn mehr für mich. Ich ging duschen und zog meine Sachen vom Vortag an. Als ich zurück ins Zimmer kam, erschrak ich. Max sah furchtbar aus. Sein Auge war blau und sein Gesicht voller Kratzer. Wie konnte das denn passieren? Mittlerweile war eine Stunde vergangen und ich weckte sanft Max. "Was?", brummte er leise und rieb sich im Auge rum. Sofort seufzte er schmerzerfüllt und ließ von seinem Auge ab. "Was ist da passiert?" Er blinzelte mehrmals, bis er mich erblickte und lächelte. "Nicht wichtiges." Ich weiß nicht wieso, aber sein ständiges gelüge das es ihm gut ging und nichts war, machte mich unglaublich wütend. "Wie konnte Kaithlin bloß dein ständiges gelüge aushalten? Das macht mich wahnsinnig." Nun saß er kerzengerade in Bett und schaute mich schockiert an. "Guck nicht so, ich weiß das gestern Abend was schlimmes passiert ist aber wenn du nicht reden möchtest dann sag das einfach und lüg nicht so schlecht." Er schlug die Decke zur Seite und stieg aus seinem Bett. "Dann sprich nicht weiter darüber und alles ist gut." damit brach eine unangenehme Stille ein die ich etwas genoss. Während er sich in Bad fertig machte, schaute ich mich in seinem Zimmer um. Viele Bilder von Kaithlin fand ich, auf denen beide so glücklich aussahen. Auch wenn Kaithlin immer verzweifelt am Telefon erzählt hatte wie schlecht es ihr wegen ihm ging, hatte sie ihn glücklicher gemacht als man glauben mag. Sein Verhalten war manchmal furchtbar gewesen, aber er hatte sie geliebt. Das konnte man in dem Lächeln, das sein Gesicht auf jedem einzelnen Bild bedeckte, sehen. "Musst du nochmal nach Hause?" Ich zuckte mit den Schultern, mir war es egal wie ich aussah noch ob ich Schulsachen mitnahm. Mir war alles total egal. "Also gehen wir jetzt." "Max wir haben nicht mal sechs Uhr." "Interessiert mich nicht, dann können wir uns Zeit lassen und langsam laufen." Schon hatte er seine Zimmertür geöffnet und war auf der Treppe verschwunden. Mehr als ihn zu folgen blieb mir nicht übrig. Unten angekommen, machte er etwas zu Essen, was er anschließend in seine Tasche packte. Er war so merkwürdig. Er verhielt sich im ersten Moment wie ein normaler Junge der einfach liebe benötigte und im nächsten Moment war er abweisend und redete nicht. Ich würde von einem Kuss auf meiner Stirn aus meinen Gedanken gerissen. "Träum nicht so viel.", flüsterte er mir ins Ohr und zog seine Schuhe an. "Ich träume nicht, ich bin etwas schockiert und fasziniert zugleich." Und da fiel es mir auf. Er hatte ein T-Shirt an, auf dem "Ramons" geschrieben war. Das er so eine Musikrichtung überhaupt kannte wunderte mich stark, ich meine nach Justin Bieber, sah Max jetzt auch nicht aus, aber sowas hätte ich nie erwartet. Seine Arme zierten Tausende von Narben die klafften das sie schon beim Ansehen schmerzten, sowie von blauen Flecken. Er hatte eine Jogginghose an die bis zu den Knie ging und man konnte deutlich erkennen das er zu Boden geprügelt worden war. Auch sein Gesicht sah noch furchtbarer aus als sonst. Moment, kurze Jogginghose und T-Shirt, war der Junge lebensmüde? "Ziehst du dir bitte was anderes an? Weißt du wie arschkalt es draußen ist?" Er grinste. "Ist mir ziemlich egal, ich hab kein Bock darauf mich warm anzuziehen." Ich seufzte genervt und ging aus dem Haus. Langsam war der Junge echt anstrengend und das nach einem Tag Beziehung. "Ich komme gleich.", sagte er kurz und verschwand wieder in seinem Zimmer. Als er wieder kam hatte er eine Jeans an und eine etwas dickere Sweatshirtjacke. Gott hatte wohl auch ihm endlich ein Hirn verliehen. "Doch zu kalt?" Er schüttelte den Kopf. "Aber damit du nicht angepisst bist.", sagte er lachend und nahm meine Hand. Einige Minuten liefen wir schweigend nebeneinander her, dann musst ich einfach nachhaken. "Max, woher stammen die blauen Flecken?" Er schwieg. "Oder fangen wir besser gesagt bei den Narben an." Wieder schweigen. Ehrlich, wie hatte Kaithlin es mit ihm ausgehalten?

- Max -
Ich wusste das sie es wieder wissen wollte aber ich sagte nichts. Es war besser so wenn sie davon nichts wusste. "Max?", fragte sie zurückhaltend. "Bitte lass mich einfach in Ruhe. Ich möchte nicht darüber sprechen." "Dir ist bewusst das dein Therapeut genau das fragen wird und wenn du ihm lange Zeit dies verschweigst das er das dem Arzt melden muss der dich zu ihm überwiesen hat?" Ja, das wusste ich aber es war mir egal. "Na und, bockt mich reichlich wenig." Sie blieb stehen. "Ich gebe dir genau fünf Minuten um mit mir zu reden oder ich melde dich höchstpersönlich in einer Klinik an. Ich sehe das du seit Wochen abnimmst, so gut wie nichts isst. Ich sehe das du weniger schläfst, deine Augenringe werden immer dicker. Vermutlich hattest du Streit mit deinem Stiefvater den du nicht leiden kannst und er hat dich zusammengeschlagen, was du mir sagen kannst wenn es stimmt. Es zeigt für mich keine Schwäche sondern das du dringend Hilfe brauchst, das du jemanden brauchst der dir hilft, das du dich endlich wehrst. Du kannst die Bilder von Kaithlin nicht beseitigen weil du sie liebst, weil sie das Mädchen war das dein Leben besser gemacht hat, aber du musst loslassen. Egal wie schwer es sein mag, egal wie hart es klingen mag. Deine Narben kommen von den Gedanken das es besser wäre das du gehst weil du dir die Schuld an ihrem Selbstmord gibst. Du warst nicht der beste Mensch, aber du warst der Junge der auch sie glücklich gemacht hat. Sie hat dich genauso geliebt wie du sie geliebt hast und das kann niemand bestreiten. Aber halte nicht an jemanden fest der Weg ist. Ich kann mir das nicht mit ansehen. Entweder du redest jetzt endlich oder ich hole jemanden der dafür sorgt das du redest, denn davon kenne ich genug." Und wenn ich ehrlich bin, konnte ich dazu nichts mehr sagen. Egal wie gut sie mich kannte, sie kannte mich besser als jeder andere. Ich weiß nicht was an diesem Tag passierte, aber die Vergangenheit holte mich wieder schneller ein, als sie mich verlassen hatte. Vermutlich hätte ich mich damals doch besser umbringen sollen um das zu verhindern, was verhindert werden sollte.

The Song of the DeadWo Geschichten leben. Entdecke jetzt