01-Verschwinden

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Mein Wecker klingelt laut und schrill, er reißt mich aus meinem wunderschönen Traum.
Stöhnend seufze ich in mein Kissen und kralle meine Nägel tief in den frisch gewaschenen Stoff.
Mit meinem Fingern tastend, suche ich nach meinem Wecker und schalte ihn aus.

Kurz bleibe ich noch in meiner kuscheligen Decke eingehüllt, ehe ich mich aufrappel um anschließend ins Bad zu laufen.

Ich ziehe mich aus und steige unter die Dusche. Das heiße Wasser wärmt meine Haut sofort und meine Muskeln entspannen sich unwillkürlich.

Mit meiner Hand greife ich nach  meinem Lieblingsduschgel und verteile es anschließend gleichmäßig auf meinem Körper.
Tief atme ich den betörenden Duft von Vanille ein und sofort fühle ich mich frisch und wach.

Nur mühsam schalte ich schließlich das Wasser wieder ab und steige aus der Dusche um mich abzutrockenen. Durch die warme Temperatur ist das Fenster und auch der Spiegel beschlagen. Das ganze Bad riecht jetzt angenehm nach Vanille und ich ziehe noch einmal den angenehmen Duft durch meine Nase, ehe ich mich in meinen kuschliegen Bademantel hülle und in mein Zimmer verschwinde.

Wie immer ziehe ich die Kette meiner verstorbenen Mutter an, auch wenn ich nie Schmuck mochte, ihr zuliebe trug ich diese Kette.

Gestern hatte ich mir vorgenommen in die Stadt Shibuya zugehen und mir ein neues Buch zu holen. Dementsprechend schnappe ich mein Schlüssel, etwas Geld und mein Handy.
In der Küche verabschiede ich mich noch kurz von meinem Vater und drücke ihm einen Kuss auf die Wange, ehe ich mir meine weißen Turnschuhe anziehe und loslaufe zur Bahn.


***


In der Bahn ist es ziemlich voll, überall stehen Menschen.  Dicht an dicht stehen sie nebeneinander, man hat kaum genügend Platz zum Atmen und die Enge ist schon fast erdrückend. Zum Glück finde ich dennoch einen Platz und schon fast erleichtert lass ich mich auf dem ergatterten Platz nieder. Mit meinen Händen krame ich meine Kopfhörer hervor und stecke sie mir in meine Ohren um ein wenig Musik zuhören.
Eigentlich ist Shibuya gar nicht so weit entfernt, vielleicht eine Stunde Fußweg aber trotzdem fahre ich lieber mit der Bahn. Zu gerne lausche ich dem lauten Gerede und beobachtete das viele Gedränge.
Jeder Mensch sieht unterschiedlich aus und es ist faszinierend sie zu beobachten.

Irgendwann hält die Bahn und geduldig warte ich bis sich die Türen öffnen und eine riesige Traube aus der Bahn strömt. Langsam steige ich die letzte Stufe hinunter und schließe mich, wenn auch mit etwas Abstand der Menge an.

Gedankenverloren laufe ich durch die Stadt und bleibe schließlich vor einer roten Ampel stehen. Neben mir steht ein älterer Mann und scheinbar seine ebenso alte Frau, sie halten sich an den Händen und lächeln sich breitgrinsend an.

Liebe, Liebe war ein von Menschen erfundenes Wort. Ich fühlte es noch nie und eigentlich war ich auch ganz froh darüber. Es lässt einen nicht klar denken und wirft dich aus der Bahn. Man fängt an anders zu denken, wird weicher und unbedachter. Ja, fast schon unvorsichtig. Dennoch gaben Menschen dem Wort ,,Liebe" Glauben. Warum eigentlich? War es ein Menschliches Bedürfnis nach Nähe oder das Gefühl geliebt zu sein? Ich wusste es nicht und eigentlich wollte ich mich damit auch gar nicht damit beschäftigen.

Trotzdem sah es zugegeben sehr Amüsant aus, wie die beiden dort standen. Ein kleines, fast nicht zu sehendes Lächeln schlich sich auf meine Lippen.

Die Ampel wurde grün und mit schnellen Schritten überquerte ich die Straße. Dann stand schon ich auch schon vor meinem Lieblingsbuchladen, es war kein großer Buchladen, jedoch war er wunderschön gestaltet und auch sehr beliebt.

Die Bibliothekarin kannte mich bereits da ich fast wöchentlich einmal hier bin und lächelte deswegen nur als ich eintrat.

Der Raum ist klein aber durch den Antiken und Detaillierten Stil wunderschön, die Regale bestanden aus antikem Holz und wurden von goldenen Schnörkeln und Kringeln verziert. Ganz hinten befand sich eine dazu passende schwarze Wendeltreppe, sie führte zu einem kleinen Kaffee,welches direkt über dem Buchladen war. Dort durfte man die Bücher bei einer Tasse Kaffee lesen.

Ich ging in den hinteren Teil des Ladens und brauchte nicht lange bis ich fand was ich suchte.
Aus einem der oberen Regale greife ich mir ein Buch über Medizin.
Eine Weile schlenderte ich noch ein wenig durch den Laden bis ich schließlich zur Theke laufe und das Buch ablege.
Während ich mein Geld rauskrame legt die Bibliothekarin ihre Stirn in Falten.

,,Seid wann interessiert dich denn für Medizin Nayumi, du willst doch nicht etwa dein Studium abbrechen und Ärztin werden?''

Leicht lächelte ich und schüttelte nur den Kopf.

,,Nein, dass hatte ich nicht vor, aber ich finde es einfach interessant neues dazu zu lernen und außerdem in meinem Studium gibt es auch die Abteilung Medizin.''

Sie grinste breit und nahm das Geld was ich ihr hinglegte.

,,Nagut dann bis bald Nayumi.''

Ich winkte nochmal und verlasse den Laden, mein Buch steckte ich in die Tasche und unterbewusst fällt mir auf das es Totenstill ist.

Ich sehe nach oben und werde blass. Keine Autos und Menschen, alles ist wie leergefegt und wirkt wie ausgestorben. Was passiert hier, träume ich?
Dass konnte nicht sein, langsam taste ich nach meinen Arm und kneife mich kurz. Es tat weh und wurde sofort rot. Es war also real, war das ein Witz?

,,Hallo?!''

Keine Antwort, ich rufe lauter und immer wieder, aber alles bleibt  Totenstill.

Nachdem meine Stimme vom Ganzen rufen wehtut, laufe ich zurück in den Laden, die Bibliothekarin war ebenfalls verschwunden.
Das bedeutete ich war alleine


Langsam laufe ich rückwärts, fast komme ich ins stolpern, jedoch fasse ich mich gerade noch bevor ich fallen kann. Schon fast rennend verlasse ich den Laden und laufe die leere Straße entlang.

Ich renne über die Straße so weit bis meine Beine nicht mehr tragen können, langsam setze ich mich auf die leere Straße und krame mein Handy raus, es war leer. Verwirrt ziehe ich meine Augenbrauen zusammen, ich hatte es doch gerade erst geladen.

Eine ganze Weile lag ich einfach nur auf der Straße von Shibuya und dachte nach was mein nächster schritt sein würde. Ich hatte beschloßen dass sobald ich meine Energie zurück erlangt hatte nach Hause zu gehen. Der Gedanke dass mein Vater auch nicht da sein könnte, war mehr als verletzend und ich schluckte kurz.
Ich bemerke gar nicht wie eine Träne über meine Wange floss.

Was mache ich denn jetzt, alle sind weg, es ist ruhig und wirkt wie ausgestorben- Ein helles Licht fällt in mein Auge und ich sehe auf, hinter einigen Hochhäusern ist eine Tafel doch von hier aus kann ich nicht lesen was darauf steht. Ich würde dahin gehen. Wer weiß vielleicht bestand ja noch Hoffnung...

Alice in Borderland Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt