ᏦᏗᎮᎥᏖᏋᏝ 80

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Claudia hörte gespannt zu, wie ihr Sohn sein Bestreben mit ihr teilte.

»Du benötigst also nicht nur einen Ort, sondern auch einen Schuldigen?!« , merkte sie an. Kjell bejahte es. »Wird das dein Letzter sein?« , wollte sie von ihm wissen, obwohl sie seine Antwort bereits ahnte.

»Ich bin, wie ich bin. Daran kannst du nichts ändern.«

Claudia dachte an Dimitri. An seine zwiegespaltene Seele. Vielleicht hatte es nicht gänzlich geklappt, weil sie zusätzlich Kjell noch in ihn implantiert hatte?

Wenn sie weiterforschen könnte, würde es eventuell doch noch klappen, das Böse komplett zu vernichten ... und somit würde sie auch ihren Sohn vor sich selbst retten können.

Sie bräuchte nur ein Versuchsobjekt.

... und wer würde näher liegen als jener, mit dem sie schon begonnen hatte.

»Und?« , fragte Kjell, nachdem seine Mutter still auf ihren Bildschirm gestarrt hatte.

»Richard hat damals zwei leerstehende Gebäude erworben. Er wollte, dass wir dort die Therapien durchführen, damit wir es nicht in seiner Praxis oder bei ihm zu Hause machen müssen.«

»Aber Richard ist tot.« , bemerkte Kjell. »Und niemand würde glauben, dass so ein alter Sack die Morde begangen hat.«

»Aber Maximilian nicht.«

»Du würdest deinen neuen Partner opfern?«

Du weißt gar nicht, was und wen ich alles für dich opfere , dachte sie so bei sich. »Hast du Andenken? Irgendwas, dass auf die Morde zurückführt? Haarsträhnen, Kleidungsstücke, oder so?«

Kjell überlegte. Dann kam ihm Veikkos Album in den Sinn. »Reichen Zeitungsausschnitte?«

»Sind denn da alle dokumentiert?«

»Jedes verschwundene Mädchen, das bisher nie wieder aufgetaucht ist. bis hin zu jeder Leiche. Beginnend bei Janina Flaig.«

Claudia erinnerte sich an den Namen. Janina war das junge Mädchen, das man mit einem Strick um den Hals in diesem verlassenen Haus gefunden hatte. »Kannst du die daraus liquidieren?«

»Klar, aber wieso?« , fragte Kjell und legte die Beine gekreuzt auf ihren Schreibtisch.

»Es wäre besser, wenn kein Mord dabei ist, der als Selbstmord schon ad acta gelegt wurde.« , sagte sie. »Wir wollen doch nicht, das die, so alte Schinken wieder aufrollen.«

»Hmm. Da könntest du Recht haben.« Er lachte ein wenig auf. »Wer hätte gedacht, das du dich noch als gute Komplizin entwickeln würdest?!«

Sie lächelte geringfügig, doch ihr Inneres schrie. Sie hatte nie vorgehabt, es so weit kommen zu lassen.

Claudia wollte einzig und allein ihr Kind zurück. Ihrem Sohn ein besseres, neues Leben geben ... doch mittlerweile, war sie selbst zu einem Monster herangereift, das sie nie sein wollte.

Ein Monster, das ihm ähnelte.

... doch sie wusste, dass sie es wieder gut machen konnte. Ihr Motiv war Mutterliebe. Mütterliche Fürsorge.

Würde nicht jede Mutter über Leichen gehen?

»Du meinst also, das ich die Zeitungsartikel dort unterbringe, damit die Bullen die dort finden?«

Sie stimmte zu. »Damit dein Plan, den du mir eben erzählt hast, aufgeht, wäre das die beste Option. Oder warte mal.« Sie öffnete ein Schränkchen und holte ein Glas heraus, wo ein Schlüssel drin war. »Hier. Der ist von Richards Haus. Die Adresse steht auf dem Anhänger.« Sie zeigte darauf, bevor sie weitersprach. »In seinem Büro hat er im Schreibtisch eine Schublade mit hunderten von Schlüsseln. Da wird auch einer von Maximilians Wohnung sein. Die sind alle beschriftet. Er war so penibel. Auf jeden Fall wäre es besser, wenn die Bullen diesen kleinen Anhaltspunkt in seinem Zuhause finden, statt am Tatort.«

»Gut. Machen wir das.« , sagte er. »Ey wir haben noch 'ne Couch voll mit dem Blut eines Mädchens. Es wäre doch gut, wenn wir die auch dahin bringen könnten.« Sie lächelte und nickte und verdrängte das Mitgefühl, was das arme Ding durchgemacht haben musste, so das ein ganzes Möbelstück mit ihrem Lebenssaft beschmutzt wurde. »Und danach können wir das andere in Angriff nehmen.« Er zeigte auf sich. »Wie sehe ich eigentlich aus? Gut?«

»Natürlich.« , sagte sie. Obwohl sie den Zylinder nie wieder geöffnet hatte, nachdem er derzeit verschlossen wurde. Doch sie konnte sich nicht vorstellen, dass ihr hübscher Junge von damals sich äußerlich gesehen stark verändert hatte.

Das war eine Option, die sie nie verstanden hatte. Er war so gutaussehend. Er hätte nie im Leben ein Mädchen zwingen müssen bei ihm zu sein. Wieso hatte er also diese Neigung? War es wirklich eine Krankheit? War es vererbbar?

Sein Vater hatte reihenweise junge Schülerinnen vernascht. War das genauso ein Trieb, wie Kjell ihn derzeit weiterhin hegte und pflegte?

»Gut, weil ich hab keine Lust, in Zukunft hinterrücks welche mitzunehmen, weil ich so hässlich bin, das jede gleich vor mir wegrennt.«

»Mein Prinz.« , sprach sie und versuchte es ein letztes Mal auf diesem Wege. »Deine Lebensweise, du solltest vielleicht mal darüber nachdenken, was du ...«

»Stopp.« , sagte er und hob seine linke Hand hoch. »Ich will hiervon nichts mehr hören. Akzeptiere mich, wie ich bin, oder lass es. Aber spiel' hier nicht den Biedermann und beginne immer wieder von vorne. Das kotzt mich nämlich an.«

Claudia nickte kleinlaut. Sie wollte und konnte ihn nicht nochmal verlieren.

Manchmal hatte sie das Gefühl, in einer Endlosschleife festzustecken. Auf ewig dazu verbannt immer wieder das Gleiche durchzumachen.

In ihrem Kopf stiegen absurde Bilder auf. Kjell, blutüberströmt mit einem diabolischen Grinsen im Gesicht. Es war nicht Dimas Erscheinungsbild, das sie wahrnahm. Es war ihr kleiner vierzehnjähriger Junge von damals.

Manchmal war es nur ein nebensächlicher, leichtsinniger Schritt, der ein Leben umkrempelte. Ein spontaner, scheinbar bedeutungsloser Entschluss, eigentlich nur ein Impuls, der gewaltige Folgen haben konnte.

Hin und wieder jedoch war der Lebensweg schon vorgegeben. Längst bevor man irgendwelche wohlüberlegten oder auch intuitiven Entscheidungen treffen konnte.

Raphaël hatte mal so etwas angedeutet. Das Leben wäre für jeden Menschen vorbestimmt. Eine strikte Straße, auf der es keine Abweichung gab.

Egal, was sie vorhatte oder was sie getan hatte, es war ihre Bestimmung. Ihr Weg.

Genauso Kjell.

Vielleicht musste alles geschehen, weil es seine Straße war?!

Ihr blieb nichts anderes übrig, als es fürs Erste zu akzeptieren.

Doch sie wusste auch, dass sie ihren Plan in die Tat umsetzen würde.

Sie musste weiterforschen. Sie würde ihn heilen. Es war ihr Entschluss. Ihre Straße. Ihr Weg ... und wenn sie sich dafür entschieden hatte, musste es auch so sein.

Abrakadabra - schau' mal, wer da warWhere stories live. Discover now