Ungehindert Deiner Briefmoral

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Wieder ein Brief. 

"Wer schreibt denn noch Briefe?"

Wieder die Pflicht.

"Warum muss ich jetzt zurückschreiben, mich mit Worten, deiner Ehre hier erweitern? Eingeladen einer Unterhaltung, die ich nicht gesucht."

Wieder ein paar Zeilen mehr.

***

Liebe Verächtliche,

danke für deine Adresse, endlich kann ich dir schreiben. So wie heute, denn heute schreibe ich dir heute aus meiner Stärke, meinem zu Hause. Ja, ich habe ein zu Hause gefunden. Diesen schönen Teil der Welt, den ich auf meiner Reise entdecken durfte. Ich bin aufgebrochen, um meine Seele zu finden, und was ich auf dem Weg gefunden habe, übertrifft meine wildesten Träume, vermutlich damit auch deine.

Ich hatte das Gefühl, wieder nur in den Momenten, die du so schön beschreibst, verloren zu sein, als ich aufbrach, aber je weiter ich ging, desto mehr begann ich zu begreifen, dass das Leben nicht mit geht. Deine Worte waren wohl mein Geleit, wie als Schall einen Weg erbaut, begradigt in den Weiten die ich suchte, nur um zu verstehen, dass kein Weg mich zu mir führt. Den einen klaren Weg zu finden, welch Verwurf deiner Worte hab ich nur zurückgelassen und warum?  Was haben wir nur getan?

Ich habe begriffen, dass das Töten nicht weiter ausreichen wird um unser Leben zu schützen. Hast du das auch begriffen? Darf ich deine neuen Wege kennen? In jedem Umweg werde ich weiter suchen, denn vielleicht wird es mich nicht weiter führen, aber zumindest weg von diesen Bildern. Hast du sie auch begriffen? 

Ich kehre bald nach Hause zurück, aber ich werde nicht mehr dieselbe Person sein. Ich bin reicher an Erfahrungen und weiser durch das, was ich durch deine Taten gelernt habe. Ich bin bereit, das Leben mit neuer Perspektive zu begegnen. Bist du es auch?

Ich hoffe, dass du irgendwann eine ähnliche Reise unternimmst und lernst, dass das Leben voller Entdeckungen ist, solange man bereit ist aufzubrechen.

Mit herzlichen Grüßen,

Deine Mörderin.

***

Wieder zur Post.

"Wer geht denn noch zur Post?"

Wieder ein Brief.

"Warum habe ich so lange darauf gewartet?"

Wieder die Schönheit in Anspruch formen.

***

Liebe Ungerechte,

lieben Dank für deinen Brief. Es hat mich sehr gefreut, von dir zu lesen.

Wie schön zu wissen, dass du nun schon so weit gekommen bist. Ich wünschte ich könnte dein neues zu Hause sehen. Weißt du, auch ich habe mich unterdessen weiterentwickelt, ich war vor kurzem endlich mal in einem Museum und ich muss sagen, dass es eine sehr bewegende Erfahrung war. Die Ausstellung, die ich besucht habe, zeigte die Lehre der Schönheit als gezielte Vernichtung der Unschönen. Ich war schockiert und entsetzt von der Brutalität und Grausamkeit, die ich sah. Es erinnerte mich an unsere Morde. Die Welt kann manchmal wirklich grauenhaft sein. Ich denke ich vermisse dich einfach zu sehr, wenngleich ich weiß, dass ich nicht mehr töten darf. Aber wenn ich einen Wunsch äußern darf meine Liebe, wenn ich dadurch noch einmal zu dir sprechen könnte, werde ich keinen Handgreif weniger dafür tun als verlangt. Wenn es den weiteren Weg bedeutet, wird es mich freuen. Ach, könnte ich nur zu dir gelangen. 

Ich war tief betroffen von dem, was ich gesehen habe und konnte nicht umhin, darüber nachzudenken, wie wichtig es ist, die Schönheit, wie erblickt auch zu behalten, in uns. Es ist wichtig, dass wir uns darum bemühen, indem wir uns auf das Positive konzentrieren. Denkst du nicht auch manchmal, ganz heimlich, positiv? 

Ich danke dir nochmals für deinen Brief und hoffe, dass du bald wieder schreibst.

Mit freundlichen Grüßen,

Deine Sinnstifterin

***

Wieder zur Post.

"Welch Glück, ich hab so viele Briefmarken."

Wieder ein Brief.

"Den les ich später."

Wieder hin gequält zurückzuschreiben. 

***

Meine Betrügerin,

vielen Dank für deine Antwort, die hat mich an einem verregneten Morgen überrascht. Als hätte der Briefträger die Sonne persönlich gebracht.

Ich muss gestehen, dass ich tatsächlich kein Interesse an Kunst habe, die ich nicht selbst entdeckt habe. Ich glaube, dass jeder Mensch ein einzigartiger Künstler ist und dass die Kunst, die wir schaffen, eine Verkörperung unserer Persönlichkeit und unserer Visionen ist. Deshalb freut es mich umso mehr, dass du nun auch selbst mal in einem Museum warst. Begreifst du denn jetzt, wie wir Kunst machen? Wie sie erst durch unser töten der Wirklichkeit leben kann? 

Ich verstehe, dass du auf der Suche nach deinem Ideal bist und dass du wieder zu dem werden möchtest, was du von dir magst. Ich hoffe du weißt, wie dankbar ich bin, dass du nun endlich Zeit für dich selbst investierst und dich auf deine eigenen Interessen konzentrierst. Deine Zeilen geben mir Hoffnung, dass du dein inneres Selbst auch äußerlich wiedergefunden hast. 

Es würde mich freuen, wenn ich dir in irgendeiner Weise helfen könnte, dein Ideal weiter zu finden. Vielleicht kann ich dich inspirieren, indem ich dir meine neue Reise zeige oder dir ein paar Worte schenke, wenn wir uns endlich wiedersehen. Ich hoffe deine Kreativität und deine Leidenschaft für die Kunst werden weiter zu dir finden. Bis dahin werde ich weiterlaufen und dir schreiben, sobald ich wieder was vom Tod gehört habe.

Mit freundlichen Grüßen, 

Deine Liebe 


LyrikskramgeschichtenWhere stories live. Discover now