~~ Dylan ~~

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Meine Augen schlossen sich langsam, bevor ich sie abrupt wieder aufriss. Schon seit zehn Minuten versuchte ich, die Augen offen zu halten, doch es wurde von Minute zu Minute immer schwerer. Mittlerweile hatte ich es auch schon aufgegeben, der Diskussionsrunde der heutigen Vorlesung zu folgen. Ich hätte wirklich lieber im Bett bleiben und ausschlafen sollen! Beziehungsweise hätte ich nicht bis spät in die Nacht in dem Buch über die Anatomie von Hunden lesen dürfen. Doch besonders das Kapitel über die Knochen hatte es mir sehr angetan, denn ich wollte heute unbedingt alles verstehen, wenn mir Sarah mehr über die Operation des neusten Tierheimbewohners erzählte.
Ich unterdrückte ein Gähnen, bevor ich ein erleichtertes Seufzen ausstieß, als die Vorlesung endlich als beendet erklärt wurde. Prompt beschloss ich, die zweite Vorlesung sausen zu lassen, mir stattdessen einen ekelhaften, aber Energie spendenden Kaffee aus der Kantine zu holen und mich eher auf den Weg zum Tierheim zu machen, als geplant war.
»Guten Morgen, Dylan! Ich dachte, du kommst erst später«, begrüßte mich Sarah mit einer grauen, dicken Katze auf dem Arm, kaum, dass ich das Gebäude betreten hatte.
Ich kratzte mich etwas nervös am Nacken, während ich ihren Blick vermied. »Ja, na ja, ich habe die zweite Vorlesung geschwänzt.«
Einen stillen Moment später wurde ein Quietschball nach mir geworfen. Gerade noch rechtzeitig wich ich zur Seite aus.
»Hey!«, beschwerte ich mich gleich, bevor ich zu Sarah hinüberschaute, die alles andere als erfreut aussah.
»Das hast du davon!«, schimpfte sie, wobei sie sogar mit dem Finger auf mich zeigte. »Du willst Tierarzt werden, aber vernachlässigst schon in den ersten Wochen deines Studiums deine Vorlesungen?«
»Es ist nur eine Vorlesung und ich habe mich mit einigen aus meinem Studiengang angefreundet, einer davon gibt mir bestimmt seine Notizen.«
Sarah schüttelte nur den Kopf, während sie mich weiterhin missbilligend musterte.
»Tut mir leid«, meinte ich leise, auch wenn ich mich eigentlich für nichts entschuldigen müsste.
»Dass das ja nicht wieder vorkommt!«
Das konnte ich unmöglich versprechen, aber ich würde mich zukünftig davor hüten, ihr davon zu berichten.
»Roger freut sich schon auf dich«, sagte Sarah mit nun wieder versöhnlicherer Stimme, bevor sie im Katzenflügel des Gebäudes verschwand.
»Ich bring ihn in zwei Stunden wieder!«, rief ich ihr noch hinterher, worauf sie nur mit einem Handwink antwortete.
Ich zögerte nicht länger, sondern machte mich auf den Weg zum Hundeflügel des Tierheims, nachdem ich am Tresen noch heimlich ein paar Hundeleckerlies eingesteckt hatte.
Roger döste in Ruhe auf seiner Lieblingsdecke herum, doch als er mich sah, sprang er sofort auf. Gut, springen konnte man das nicht mehr nennen, so mühsam, wie er sich auf die Beine kämpfte. Ich hatte wirklich Sorge, dass er es nicht mehr allzu lange machen würde.
»Hey, mein Großer, was meinst du? Sollen wir mal wieder den Hundepark unsicher machen?«, fragte ich den alten American Staffordshire Terrier, während ich ihn mit einer ausgiebigen Streicheleinheit begrüßte. Er ließ es genüsslich über sich ergehen und nachdem ich noch eine Leine für ihn geholt hatte, machten wir uns auch sofort auf den Weg.
Nashville hatte einige gute Hundeparks zu bieten, doch meistens ging ich entweder zum Shelby, zum Two Rivers oder zum Pitts Dog Parc. Dieses Mal entschied ich mich für den Shelby Park, denn er war von den dreien am nächsten und ich wollte Roger nicht zu viel zumuten. Deshalb fuhren wir auch mit dem Bus zum Park, um dort eine gemütliche Runde zu laufen. Noch vor ein paar Jahren hatten wir den ganzen Tag damit verbracht, Ball zu spielen und um die Wette zu laufen, doch für Roger waren diese energetischen Zeiten vorbei. Wobei ich heute ganz froh darüber war, dass wir nur gemütlich spazieren gingen, denn ich war so schon müde genug und musste auch noch arbeiten.
Nach einer langen Ausgehrunde und einigen Pausen machten wir uns schließlich wieder auf den Weg zurück zum Tierheim. Gern wäre ich noch weiter einfach herumgelaufen, doch Roger sah müde aus und ich musste bald meine Schicht im Café antreten.
Nachdem ich Roger wieder in den Aufenthaltsraum der älteren Hunde geschafft hatte, suchte ich nach Sarah. Ich fand sie nur ein paar Räume weiter in einem der Arzträume des Heimes. Um sie auf meine Anwesenheit vorzubereiten, klopfte ich sachte gegen den Türrahmen.
»Hey, wir sind wieder da.«
Ich betrat den Raum und trat neben sie. Auf dem Untersuchungstisch lag ein kleiner, süßer Hund. Eines seiner Beine steckte in einem Gips und auch sonst sah er sehr mitgenommen und müde aus, trotz seines offensichtlich noch recht jungen Alters.
»Welche Rasse ist das?«
»Ein Alopekis. Er kommt aus Griechenland. Eine hier recht unbekannte Rasse. Generell sind diese Hunde ziemlich rar.« Sie strich dem kleinen zärtlich über den Kopf. »Er tut mir sehr leid. Diese Hunde sind wundervolle, loyale Geschöpfe.«
Ich nickte nur, ging um den Tisch herum, um ihn ebenfalls zu streicheln.
»Wird er es schaffen?«
Sarah nickte, bevor sie mir ein kleines Lächeln schenkte. »Das wird er. Er ist ein zäher Bursche.«
Erneut schaute ich auf den Kleinen hinunter, meine Hand noch immer in seinem Fell, was er sichtlich zu genießen schien, bevor ich Sarah über die Operation ausfragte. Bereitwillig erzählte sie mir alle Einzelheiten und ich saugte jede Information gierig in mich auf, denn genau das wollte ich auch einmal machen. Leben retten, wie sie es bei diesem kleinen Kerlchen getan hatte.

Liebes Tagebuch ... (bxb)Where stories live. Discover now