#22 - Tränen, England und noch mehr Tränen

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Kapitel 22
Tränen, England und noch mehr Tränen

"Mit nach England?", fragte ich verdattert. "Aber..."

Harry schüttelte den Kopf. "Kein 'Aber', Love. Ich habe gesagt, ich will erstmal mit dir befreundet sein und dann weitergucken. Aber ich will auch meine Tochter regelmäßig sehen können, verstehst du?"

Ich nickte nur. Natürlich verstand ich. Wenn er mir jetzt erzählt hätte, er nimmt Amy mit nach England zurück, ich würde sie immer in den Ferien besuchen kommen können, hätte ich auch gesagt, so nicht, Freundchen.

"Also, was sagst du?"

Ich sah auf meine Hände, die ineinander verknotet in meinem Schoß lagen. Was sollte ich darauf sagen? Und jetzt so kurzfristig?

"Bis wann seid ihr noch hier, Haz?"

Er überlegte kurz. "Ich glaube bis in drei Wochen." Seine Antwort war schon wieder wie eine Frage formuliert.

Ich nickte. "Gut. Dann können wir in den drei Wochen erst noch gucken, ob das klappt mit und als Freunden, ohne gleich in ein anderes Land zu ziehen."

Auch Harry nickte. Aber ich konnte sehen, dass er nicht begeistert davon war, dass ich nicht sofort zugestimmt hatte.

"Schau, Harry. Ich muss auch sehen, wie ich das mit einem Haus zurück in England mache. Ich kann jetzt nicht einfach so sagen: ich komme mit. Was ist mit Claire? Und mit Mrs. Penny? Sie ist für Amy so etwas wie eine Ersatz-Oma. Ich kann sie ihr nicht einfach wegnehmen. Und ich kam auch nicht Mrs. Penny hier alleine lassen. Die nette alte Dame hat doch sonst niemanden."

Einen Moment schwiegen wir.

Dann sagte Harry: "Ist dir eigentlich gerade aufgefallen, wie oft in deiner kleinen Rede das Wort 'ich' vorgekommen ist? Du musst irgendwie lernen, auch mal von dir wegzusehen."

Ich sah ihn erst entgeistert an.

Er hat Recht. Das war meine innere Stimme. Ich verdreht schon beinahe die Augen. Aber er hatte doch echt Recht.

Mich würde leicht schwindelig und ich krallte mich in das Sofakissen neben mir.

Harry musste so viel mehr durchmachen in der Zeit, in der ich Amy bekommen habe und noch nicht einmal mehr arbeiten musste, da Harrys Cheff anscheinend zu große Schuldgefühle hatte und mir deswegen weit aus mehr Geld pro Monat auf mein Konto überwies, als ich eigentlich zum Leben brauchte.

"Außerdem mit dem auf die anderen achten und nicht alleine lassen können hat das je damals auch wunderbar funktioniert. Hast du überhaupt einen Moment auch nur an mich gedacht? Daran gedacht, wie ich mich gefühlt habe? Ich habe ich so verarscht gefühlt! Ich habe dich geliebt, Livia! Ich habe dich verdammt nochmal geliebt wie keine andere! Wie keine andere vorher oder nacher! Und ich liebe dich immer noch!", schrie er mir ins Gesicht.

Und die Tränen fingen wieder an zu laufen. Wie konnte er nur? Wie konnte er mich nur noch immer lieben? Nach all dem, was ich angerichtet hatte?

"Warum?", fragte ich deshalb mit gebrochener Stimme.

Harry neben mir schnaufte nur laut. "Ja. Das hab ich mich auch gefragt."

Autsch!

Das zu hören, tat weh. Aber ich wusste, ich hatte es mehr als alles andere verdient. Eigentlich sollte Harry mir viel schlimmere Sachen an den Kopf werfen, das wusste ich.

~

Nach Harrys mir-möglichst-viele-Vorwürfe-an-den-Kopf-Knallen war er erst gegangen und hatte mich ziemlich verzweifelt auf meinem Sofa zurück gelassen. Die Tränen waren einfach geflossen, ohne dass ich viel dagegen unternehmen konnte.

Aber ich wollte auch gar nicht, dass sie aufhörten zu fließen. Es tat irgendwie gut, alles raus lassen zu können und keinen da zu haben, der mich bemitleidete oder trösten wollte.

Einmal sich selbst bemitleiden ist auch in Ordnung. Fand ich. Man musste es ja nicht übertreiben. Oder?

Nachdem ich mich leergeweint hatte (was gefühlt etwa die ganze restliche Nacht war), legte ich mich ins Bett. Aber einschlafen konnte ich trotzdem nicht. Andauernd musste ich darüber nachdenken, was Harry mir gesagt hatte.

Irgendwie war es in Ordnung, dass er es gesagt hatte. Ich wusste irgendwie, dass es richtig war, was er mir an den Kopf geworfen hatte.

Als die Sonne aufging, wagte ich einen Blick in Richtung Wecker. Dieser zeigte mir nur schlappe vier Uhr an. Seufzend drehte ich mich erneut auf die andere Seite und versuchte einzuschlafen.

Aber: wer hätte es anders gedacht, es ging nicht. Ich konnte meine Augen zwar dazu bringen, sich zu schließen, aber ich konnte die Bilder, die mir immer wieder vor dem inneren Auge auftauchten, nicht loswerden.

Genauso wenig konnte ich meine Gedanken dazu bringen, sich aufhören zu drehen.

Auf die anderen achten ... Super funktioniert ... An mich gedacht ... Verarscht gefühlt ... Liebe dich immer noch ... Warum? ... Hab ich mich auch gefragt ...

Harrys Worte schwirrten mir immer mehr im Kopf herum. Ich wurde sie nicht los, egal wie sehr ich mich anstrengte.

Gegen halb sieben schlug ich grummelnd meine Bettdecke zurück und zwang mich selbst dazu aufzustehen. Irgendwer musste ja das Frühstück für mich und Amy zubereiten.

"Mommy?", holte mich die kindliche Stimme meiner kleinen Tochter aus meinen Gedanken.

Ich drehte mich zu ihr. "Ja, Maus?"

Sie kam auf mich zu und krabbelte auf meinen Schoß. "Hast du dich mit Daddy vertragen?"

Ohne eine Antwort zu geben, zog ich die Stirn kraus.

Hatten wir uns vertragen?

Won't Give Up On Us [Harry Styles]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt