#8 - Mrs. Penny - eine Granny?

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Kapitel 8
Mrs. Penny - eine Granny?

Die nächsten Tage im Krankenhaus waren gefüllt mit Untersuchungen. Untersuchungen von mir, bei denen irgendetwas kontrolliert wurde, das ich sowieso nicht verstand. Vorsorgeuntersuchungen von Amy, bei denen sie gegen alles Mögliche und Unmögliche geimpft und auf Reflexe überprüft wurde.

Ich war unendlich froh, als ich endlich zu Hause war. Meine Mom war bei mir geblieben, da ich mich noch nicht wohl fühlte alleine mit meiner kleinen zu Hause zu sein.

Die ersten Nächte waren weder erholsam noch entspannend für mich. Amy holte mich zu oft aus meinem Bett, als dass man von erholsamem Schlaf reden konnte. Das war die Kehrseite, wenn man ein Kind bekam. Mit der Geburt konnte man sich als Mutter den Schlaf erst einmal abschreiben.

Also saß ich nun total übermüdet in der Küche und starrte mit Amy auf dem Arm in meinen schwarzen Kaffee. Pechschwarz. Anders wurde ich morgens nicht wach. Amy war gerade wieder eingeschlafen und kuschelte sich wie immer in ihre Kuscheldecke. Sie war inzwischen zwei Monate alt und ich merkte, dass es jetzt langsam besser wurde mit dem Schlafen.

Allerdings hatte ich auch nicht wirklich Zeit, um den verpassten Schlaf aufzuholen, da mir dafür jemand die Arbeit mit Amy abnehmen müsste. Mutter sein war ein Vierundzwanzig-Stunden-Job und ich beneidete alle Mütter, die so scheinbar problemlos mit ihrem Kind umgehen und es großziehen konnten. Auch wenn ich meine kleine Maus wie keinen anderen auf der Welt liebte, wollte ich zurzeit nur noch in mein Zimmer und mich unter der Bettdecke verkriechen und schlafen. Nur schlafen. Ganz lange, ohne dauernde Unterbrechung.

Meiner Mutter konnte ich Amy auch nicht mehr überlassen, da diese schon vor einem Monat zu Dad zurück geflogen war, um dort zu berichten. Ich wäre gerne mitgeflogen, doch leider durfte man mit einem frischgeborenen Kind noch nicht in einen Flieger steigen. Und außerdem wäre das doch etwas kompliziert geworden. Aus altbekanntem Grund: in England durfte ich mich erst mal nicht mehr blicken lassen. Das heißt, ich dürfte schon, aber ich dürfte mich nicht bei bestimmten Personen blicken lassen.

Vielleicht war meine Angst auch übertrieben von mir, aber ich wollte nicht noch weiter weggeschickt werden. Mir Irland war ich zunächst vollkommen zufrieden. Obwohl das auch schon weit von Zuhause weg war, war es immer noch näher, als zum Beispiel Schweden oder Österreich, oder so...

Mein Dad hatte Mom sehr vermisst (und mich auch), hatte er oft am Telefon erzählt. Meine Eltern hatten eine tolle Beziehung. Man konnte meinen, die beiden waren heute noch verliebt wie am ersten Tag. Sie waren zu beneiden. Ich wollte auch dauernde Unterstützung - ohne, dass Claire immer kommen musste.

Aber ich denke, keiner bekommt immer was er will. Da hatten wir es wieder...

Kaum hatte ich das gedacht, bestätigte das Meckern Amys, dass ich nicht einmal eine halbe Stunde am Stück die Augen zu machen konnte ohne gestört zu werden.

Amy war so viel gewachsen und hatte sich weiter entwickelt in den zwei Monaten. Man wollte es nicht glauben, aber sie war nicht mehr das kleine Baby, das ich kurz nach der Geburt in Armen gehalten hatte. Claire fotografierte sie so ungefähr bei jedem Besuch ihrerseits. Was bedeutete, dass ich nun Fotos von fast allen Lebenstagen Amys besaß.

Das Album mit Amys Ultraschallbildern füllte sich langsam (da ich nicht jedes Bild von Claire einklebte) ergänzend mit Bildern von Amy in jedem Zustand, ausnahmslos.

„Liv, bist du okay?"

Ich schreckte hoch. „Claire. Hi.", murmelte ich und musste feststellen, dass ich doch vor meinem Kaffee eingeschlafen war. Anscheinend hatte Amy wieder aufgehört zu meckern und war ebenfalls wieder eingeschlafen.

„Ist alles in Ordnun- wow!"

Jupp, ich schätze jetzt hatte Claire auch die Augenringe gesehen, mit denen ich seit Tagen herumlief. Dass sie ihr noch nicht früher gesehen hatte, grenzte an ein Wunder.

Sie kam eilig auf mich zu und nahm mir vorsichtig Amy ab.

„Du gehst jetzt rüber zu Mrs. Penny und legst dich da schlafen. Ich pass' so lange auf Amy auf, klar?"

„Kann ich nicht einfach ins Bett gehen?"

„Nein!" Clare schüttelte energisch den Kopf. „Dann kommst du doch wieder nachsehen, ob mit Amy alles in Ordnung ist und kannst auch wieder nicht beruhigt schlafen. Du gehst jetzt rüber! Keine Widerrede!"

Ich verkniff es mir zu sautieren und schlurfte, nachdem ich mir Schlappen angezogen hatte, zu Mrs. Penny.

„Meine Güte, Schätzchen. Wie siehst du denn aus? Komm' rein.", hörte ich sie sagen nachdem sich die Tür geöffnet hatte.

Warum waren alle Leute nochmal so furchtbar nett, wenn ich müde aussah?

„Hi, Mrs. Penny.", murmelte ich zur Begrüßung. Ich ging meiner alten Nachbarin nach in ihr Wohnzimmer.

„Komm, Liv-Schatz.", meinte sie. „Du schläfst jetzt erst mal."

Bevor ich einschlief, murmelte ich noch ein „Danke.", aber ich wusste nicht, ob Mrs. Penny es wirklich verstanden hatte, da sie nicht sonderlich darauf reagierte. Bevor ich endgültig im Land der Träume versank, merkte ich noch, wie sie eine Decke über mir ausbreitete und dann leise den Raum verließ.

Als ich wieder aufwachte, war es draußen stockdunkel. Ach du Scheiße, wie lange hatte ich denn geschlafen? Es musste ja schon Abend sein, also hatte ich den ganzen Tag verpennt?!

„Hallo, Schätzchen."

„Oh, gosh.", erschrak ich mich. „Mrs. Penny."

„Tut mir leid, Liebes, ich wollte dich nicht erschrecken." Sie lächelte mich warm an. Sie hatte diesen Glanz in den Augen, der häufig bei älteren Leuten zu sehen war, wenn sie lächelten. Es gefiel mir immer zu sehen, dass manche Augen beim Lächeln wirklich anfingen zu leuchten. Es gab der Person so etwas friedlich-freundliches. „Hast du gut geschlafen?"

Ich nickte und rieb mir den Schlaf aus den Augen. „Danke.", lächelte ich. Danach schälte ich mich aus der Decke und ging zu Mrs. Penny, um sie zu umarmen.

„Ich hab Sie lieb.", flüstert ich ihr zu.

Sie lachte und drückte mich einmal fest. „Gerne, Liebes. Du kannst immer gerne kommen, wenn du etwas auf dem Herzen hast. Auf Amy kann ich leider nicht aufpassen, ich bin leider nicht mehr so flott auf den Beinen.", meinte sie mit ihrem irischen Akzent, der sie noch einmal mehr sympathische erscheinen ließ. Dann lachte sie leicht, was mich zum Kichern brachte. Die nette alte Frau war mir fast wie eine Oma. Sie saß oft in einem riesigen Sessel und schaute verträumt aus dem Fenster und hatte ein wunderbar gütiges Lächeln, welches den irischen Charme, der von ihr ausging, nur zu gut widerspiegelte.

Die perfekte Ersatz-Oma für meine kleine Amy.

„Aber du kannst sie immer gerne mitbringen, wenn du mich mal besuchen kommst.", redete sie weiter.

„Danke, Mrs. Penny."

„Du sollst dich doch nicht immer so viel bedanken, Kleines. Das geht schon in Ordnung."

Ich kicherte. „Wenn Sie zu Amy genauso sind, wie zu mir, dann kann ich Ihnen nicht versprechen, dass Amy nicht Granny zu Ihnen sagt."

Die Augen der alten Frau leuchteten auf. Ich musste automatisch lächeln. „Es wäre mir eine Ehre deiner kleinen Tochter eine Granny zu sein."

Ich nickte lächelnd. An dem Abend beschloss ich Amy später einmal zu sagen, dass Mrs. Penny zwar nicht ihre echte Oma war, aber liebend gerne eine Ersatz-Oma von ihr sein würde.

Won't Give Up On Us [Harry Styles]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt