Intermezzo - Die Hochzeit #1

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Es war der Morgen der Hochzeit und doch wusste Viktor Kenneth nicht, was er zuerst noch erledigen sollte. Er saß in seinem Arbeitszimmer und ein Berg an Papieren lag vor ihm auf dem Schreibtisch. Wenigstens umgezogen hatte er sich schon. Seufzend goss er sich eine Tasse Tee ein und nippte daran. Der intensive Geschmack von Zitrone und Minze flutete seinen Mund. Er wollte sich gerade dem ersten Schreiben widmen, als einer seiner zwei Bediensteten den Kopf hereinstreckte. Noch wehrte sich Viktor dagegen sich einen größeren Haushalt zuzulegen. Er war ein einfacher Mann und genauso wollte er auftreten. Er zog fragend die Augenbrauen nach oben und wartete, wen sein Haushofmeister ankündigen würde.

„Draußen vor der Tür wartet der Großbauer", erklärte Florian. Er war mindestens zehn Jahre älter als Viktor, hatte braune kurze Haare und einen buschigen Schnauzer.

„Scheiße, was will der denn jetzt? So oder so, den können wir nicht wegschicken, nicht nach allem, was wir ihm zu verdanken haben", erwiderte Viktor und seufzte. „Bring ihn rein und sag Tiro Bescheid er soll seinen Arsch hier herbewegen.."

Florian nickte und verschwand. Kurz darauf begleitete er Erik Johnson, den die ganze Stadt nur Flachs nannte, herein. Viktor reichte ihm die Hand und bot ihm an Platz zu nehmen. Einen Moment später hastete sein zweiter Bediensteter und Sekretär Tiro herein. Er war zwei Jahre jünger als Viktor, hatte blonde mittellange Haare – einzelne Strähnen fielen ihm oft in die Stirn und dann strich Tiro sie immer hinter sein Ohr zurück, so auch jetzt. Viktor bekniete ihn wöchentlich dazu endlich seine Haare zu schneiden, aber der Sekretär weigerte sich. Heute war er frisch rasiert und trug bereits ein vornehmes weißes Hemd und eine schlichte schwarze Hose. Tiro wich ihm so gut wie nie von der Seite, wenn es um offizielle Angelegenheit ging. Einzig an den Ratssitzungen durfte er nicht teilnehmen. Jetzt nahm er im hinteren Bereich des Arbeitszimmers Platz und öffnete ein Notizbuch.

„Was kann ich für Sie tun, Mr. Johnson?", fragte Viktor und schenkte dem Bauern eine Tasse Tee ein. Ohne darauf einzugehen drehte sich der Bauer um und warf dem jungen Burschen einen Blick zu. „Was will der denn hier?"

„Das ist mein Sekretär. Keine Sorge. Alles, was hier besprochen wird ist rein vertraulich."

„Das will ich auch hoffen", knurrte der Bauer.

„Also gut, was kann ich für Sie tun?", wiederholte Viktor.

Der Großbauer zögerte und es war offensichtlich, dass er gerade den Drang bekämpfte sich umzudrehen und nochmal Tiro zu mustern. Aber er schien sich damit abzufinden und fixierte wieder Viktor mit seinen blauen Augen. Vor ihm stand die unberührte Tasse Tee und dampfte.

„Sie meinten, sollte ich jemals Hilfe benötigen, dann sollte ich nicht zögern zu Ihnen zu kommen."

„Das ist richtig, Mr. Johnson. Um was geht es?"

„Der vermaledeite Prediger hat ein altes Schreiben ausgegraben und behauptet nun, dass ein Teil meines Grundes eigentlich dem Glauben gehört!" Flachs griff in seine Weste und zog eine zerknitterte Pergamentrolle hervor, um sie Viktor zu reichen.

„Er behauptet einer der Bauern, dem ich den Grund abgekauft habe, hat ihn eigentlich ihm vermacht", erklärte der Bauer. Viktor machte Tiro ein unauffälliges Zeichen und sein Sekretär fing an sich Notizen zu machen. Als nächstes überflog er die Pergamentrolle, in der Rogan den Fall schilderte und forderte, dass man dem Testament des verstorbenen Bauers nachkommen sollte und man ihm den Besitz schnellstens aushändigen sollte.

„Moment", sagte Viktor und sah auf. „Der Bauer hat seinen Grund dem Glauben vermacht?"

„Angeblich", antwortete Flachs. „Also zumindest der verstorbene Vater. Aber das Erbrecht des Sohnes geht vor, oder? Hat der Rat nicht vor ein paar Jahren ein Gesetz erlassen, dass wenn der Sohn eines Bauern den Bauernhof weiter führen will, er an ihn weitergegeben werden muss und zwar egal was der Vater in seinem Testament schreibt?"

MAGOS - Chroniken des UntergangsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt