Akt 2 Der aufziehende Sturm | Teil 2 - Henry

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Henry stand noch immer in der Mitte der kleinen Höhle und starrte ungläubig in die Gesichter der anderen. Hatte Ally gerade wirklich Zirkel gesagt? Das konnte doch fast nicht möglich sein. Er hatte alle Geschichten, die er dazu gehört hatte, immer als Humbug abgetan. Als Übertreibung und Panikmache. Seit er in Hakron war, war er immer in zwielichtigen Tavernen, den Bordellen am Hafen oder illegalen Spielbuden gewesen und nie hatte er etwas von einem wirklichen Zirkel gehört. Das einzige, das er herausgefunden hatte war, dass viele dieser einschlägigen Etablissements Fenris gehörten. Aber Rebellen? Nein. Es mochte viele in den Reihen der Armen geben, die nicht zufrieden mit der Familie Astoi war und sich ungerecht behandelt fühlten, aber sie alle hatten sich nur nur beschwert und dann ihr Bier getrunken. Keiner von ihnen hatte auch nur den Anschein erweckt, dass er einer Gruppe angehören könnte, die ernsthaft den König stürzen wollte, denn darauf lief es doch natürlich hinaus, oder? Jeder kannte die Geschichten des Rebellenaufstandes. Selbst Henry hatte davon gehört, wie Amber Degaldo und Richard Farson die Menschen angeführt hatten und nur ein Ziel verfolgten, den Sturz der Krone und die Gleichberechtigung der Magos.

An einem Tisch in der Mitte saßen zwei alte, zäh aussehende Männer und spielten Karten. Einer war kahl und der andere hatte struppiges graues Haar. Etwas abseits stand eine junge Frau neben einem jungen Mann. Bis gerade eben hatten sie sich noch angeregt unterhalten. Und dann saß im hinteren Teil der Höhle noch eine weitere Gestalt, die Henry nicht näher sehen konnte, da das Licht nicht so weit zu reichen schien. Die Person war in einen weiten grauen Umhang mit Kapuze gehüllt, aber mehr konnte er beim besten Willen nicht sagen. Henry hob den Blick und sah reihum in sechs Gesichter. Ally kannte er natürlich.

Sie lächelte ihn an, kam zu ihm und legte ihm einen Arm um die Schulter. „Leute, das ist Henry", sagte sie. Dann streckte sie ihren Arm aus und deutete ringsherum auf die verschiedenen Leute. Zuerst zeigte sie auf eine junge Frau mit kurzen dunklen Haaren und blauen Augen. Ihr Gesicht hatte etwas maskulines.

„Das ist Dina, unsere kleine Diebin und unser jüngstes Mitglied, also wenn man jetzt einmal von dir absieht, Rooky."

„Freut mich dich kennenzulernen, Henry", sagte Dina und lächelte ihn freundlich an.

„Falls du mal etwas von den Wärtern brauchst, dann ist sie die Beste", sagte der junge Mann, der neben ihr stand. Er hatte blondes kurzes Haar, Bartstoppeln, grüne Augen und eine schmale Figur. „Das ist Noah", erklärte Ally. „Er ist schon fast so lange hier bei uns wie ich selbst. Er ist ..."

„So, so. Du hast also noch einen Magos gefunden, Ally. Sehr gut. Damit wären wir schon vier", unterbrach sie der kahle alte Mann. Durch die fehlenden Haare und den fehlenden Bart lag der Fokus in seinem Gesicht eindeutig auf den braunen, fast schwarzen Augen, die hinter einer Brille mit einem dünnen Drahtgestell lagen. Er hatte eine kräftige Nase und ein spitzes Kinn. Rund um den Mund und die Augen verliefen feine Falten. Und als er die Augenbrauen hob, war auch seine Stirn voll davon.

„Das ist Kacu oder wie er sich gerne selbst nennt, Meister der Flamme", erklärte Ally und lachte. Kacu ballte die Hand zur Faust und öffnete sie dann vorsichtig. Nun brannte eine kleine Flamme auf seiner Handfläche. „Na, wie findest du das?", fragte der alte Mann.

„Nett", antwortete Henry. „Wirklich nett."

„Was ich vorhin sagen wollte, Noahs Kraft ist das Wasser und meine ist die Erde", erklärte Ally und deutete nun auf den Mann daneben. „Das ist Ithelias, aber wir nennen ihn meist nur Itho. Er und Kacu sind schon sehr lange bei uns. Sie behaupten von sich, dass sie beide noch zur alten Riege gehören ... Aber ich schätze, man darf nicht immer alles glauben, was alte Männer so behaupten."

Itho war nun ebenfalls aufgestanden und hatte Henry die Hand gereicht. Sein Händedruck war kräftig und rau gewesen. Die zotteligen grauen Haare verliehen dem Mann etwas Weiches, besonders wenn er neben Kacu stand. Er war breiter als der Magos und auch etwas fester. Dadurch wirkte er allerdings auch etwas jünger. Er hatte kräftige blaue Augen und lächelte freundlich. „Freut mich, Henry", sagte er mit einer angenehmen sonoren Stimme. „Auch wenn Ally mir es nicht glaubt, so versichere ich dir, dass ich Farson und Degaldo gut kannte in den alten Tagen. Unsere Liebe Aniko kann das bestätigen, oder?"

MAGOS - Chroniken des UntergangsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt