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Am Freitag Morgen steige ich mit meiner Schwester aus meinem Auto aus. Anders als die letzten Wochen laufe ich nicht einfach an unseren Freunden vorbei ins Gebäude sondern begrüße alle mit einer festen Umarmung. "Gott hab ich das vermisst.", flüstert Dot an meinen Hals als ich sie zuletzt in meine Arme schließe. Lächelnd lasse ich sie los. "Der Bart steht dir.", wiederholt sie unbewusst Izzy's Bemerkung von gestern und ich lächele dankend. Jace und Clary laufen Arm in Arm die Treppen hinauf in die Schule. Raph und Iz händchenhaltend hinter ihnen und mit etwas Abstand folgen Dot und ich, meinen Arm um ihre Schulter.

"Du Alec? Du weißt, dass heute Abend unser Homecoming Ball ist?", fragt Dot mich als wir synchron unsere Schließfächer öffnen. Wie als antwort höre ich rechts neben mir ein Räuspern und sehe in die Richtung. Vor mir steht Camille. Eine, für viele Jungen, hübsche junge Frau. Doch selbst wenn ich auf Frauen stehen würde, wäre sie nicht mein Typ. Ihr Kleidungsstil ist zu aufreizend, ihr Gesicht sieht aus wie tapeziert und sie hat immer hohe Schuhe an in denen sie läuft, als hätte sie sich in die Hose gemacht.

Ein gespieltes Lächeln auf meinem Gesicht sehe ich sie fragend an. "Du Alec, ich wollte wissen, ob du mich heute begleitest. Zum Ball.", sagt sie mit einer Stimme, die wohl verführerisch sein soll. Hilfesuchend strecke ich unauffällig meine Hand zu Dot aus die sie sofort ergreift und sich neben mich stellt. "Sorry Camille. Aber Alec geht schon mit mir zum Ball.", sagt Dot mit einem provokanten Unterton. Camille setzt an etwas zu sagen doch Dot kommt ihr zuvor. "Und nein, er wird keine Zeit haben um mit dir zu tanzen. Denn heute Abend gehört er ganz mir.", grinst sie.

Camille stößt ein abfälliges Geräusch aus und stolpert an uns vorbei den Gang hinunter. Dot und ich sehen ihr nach und können uns ein Lachen nicht verkneifen. "Danke meine kleine Maus.", lächele ich und gebe Dot einen Kuss auf den Kopf. "Die versucht es auch zu jedem Anlass.", grinst Dot und sie hat recht. Seit Beginn der HighSchool fragt Camille mich zu jedem Event ob ich ihre Begleitung sein kann. Und jedes mal ist Dot eingesprungen.

Viele außenstehende denken, dass Dot und ich ein Paar sind. Doch das war nie so und es wird nie so sein. Aus zwei Gründen: ich bin schwul, was allerdings keiner weiß, also keine Ahnung ob es zählt. Und Dot hatte mir vor zwei Jahren mal erzählt, dass sie Aromantisch ist. Das heißt, sie hat nicht die Fähigkeit romantische Gefühle für einen anderen Menschen zu empfinden. Sie kann platonische Liebe zu ihrer Familie und ihren Freunden empfinden, allerdings keine romantische Liebesbeziehung eingehen. Mitlerweile wissen es unsere Freunde auch, aber eben nicht die ganze Schule.

Ich fand das sehr interessant und wir haben damals wohl die ganze Nacht darüber geredet während wir in meinem Auto durch die Gegend gefahren sind. Ich liebe Izzy und sie ist meine engste Vertraute, allerdings ist Dot meine beste Freundin und wohl die erste, der ich erzählen würde, dass ich Homosexuell bin. Wieso ich es damals nicht getan habe wundert mich. Ich wusste es da schon ziemlich sicher. Und auch so glaube ich, dass meine Familie und Freunde es akzeptieren würden. Sie alle lieben mich und sie wollen mich glücklich sehen, egal wie und mit wem.

Schneller als gedacht geht der Tag vorbei und als meine Klasse die Sporthalle verlässt bleibe ich noch da und sehe Mr. Bane nervös an. "Alexander? Kann ich dir helfen?", fragt er mich besorgt. Ich nicke leicht. "Ich ähm... ich würde gerne Ihr Angebot annehmen. Als Vertrauenslehrer. Ich würde gerne reden.", sage ich leise. "Jetzt? Brauchst du nicht die Zeit um dich für den Ball vorzubereiten?", fragt er. Ich schüttele den Kopf. "Ich brauche nicht lange. Aber ich muss mit irgendwem reden.", gebe ich zu.

Mr. Bane nickt. "Zieh dich um. Wir gehen gleich spazieren und reden.", lächelt er und ich nicke bevor ich mich umdrehe. Schnell bin ich in der Kabine. "Jace? Kannst du Iz nach Hause bringen? Ich brauche noch eine Weile.", gebe ich zu. Mein bester Freund nickt verstehend und lässt mich alleine. Schnell ziehe ich mich um und lege meine Sporttasche über meine Schulter bevor ich die Umkleide verlasse und mit meinem Lehrer das Gebäude verlasse.

Nebeneinander laufen wir hinter die Halle Richtung Footballfeld. "Dir scheint viel im Kopf rumzuschwirren, wenn du dich nicht einmal mehr rasierst.", stellt mein Lehrer mit einem Schmunzeln fest. "Siehts schlimm aus?", frage ich zögernd. "Nein. Du wirkst erwachsener durch den Bart.", lächelt er ehrlich. "Ich bin erwachsen! Ich werde morgen 18.", verteidige ich mich. "Alter hat nichts mit erwachsen sein zutun. Ich glaube, niemand ist wirklich komplett erwachsen. Es ist auch wichtig, sich sein inneres Kind zu bewahren.", erklärt er während wir uns nebeneinander auf die Tribüne setzen.

"Du hast also morgen Geburtstag? Hast du dir was als Geschenk gewünscht?", fragt Mr. Bane mich. Ich seufze. "Nein. Eigentlich nicht.", antworte ich und sehe auf das leere Feld. "Eigentlich? Also gibt es da schon irgendwas.", stellt er fest. Ich lächele und schüttele den Kopf. "Ich möchte seit Jahren einen Hund haben. Aber meine Eltern vertrauen mir da nicht so.", gebe ich zu. Lächelnd nickt er. "Ich wollte auch immer einen Hund. Aber mein Vater ist allergisch und meine jetzige Wohnung ist zu klein.", gibt er zu.

"Hast du denn Erfahrung mit Hunden?", versucht er das Thema zu vertiefen. "Ja. Ich habe die letzten zwei Jahre freiwillig in einem Tierheim geholfen. Ich habe aufgehört, damit ich mich im letzten Jahr auf die Schule konzentrieren kann. Aber in dem Heim war ein Hund, den ich sehr lieben gelernt habe. Er ist sehr aufgedreht. Seine ersten Besitzer haben ihn abgegeben, weil er angeblich das Kind von der Treppe geschubst hat. Da sie ihn aber doch nicht einschläfern wollten, kam er ins Tierheim. Ich habe mich fast nur um ihn gekümmert.", erkläre ich verträumt. In meinem Kopf blitzen Bilder von dem Kleinen auf und es macht mich zugleich glücklich und traurig. "Du vermisst ihn.", stellt mein Lehrer fest. Ich nicke. "Aber ich wollte über etwas anderes reden.", versuche ich das Gespräch auf das eigentliche Thema zu wenden.

Schweigend sitzen wir nebeneinander und ich überlege, wie ich anfangen soll. Irgendwann atme ich tief durch. "Ich glaube, ich bin anders, als meine Mitschüler.", fange ich zögernd an. Ich spüre wie er mich ansieht, aber er schweigt. "Ich habe es schon vor ein paar Jahren gemerkt. Und das Gefühl wurde immer stärker.", erzähle ich weiter. Kurz sehe ich zu ihm und er hebt seine Hand an meine Schulter und richtet den Kragen meiner Bomberjacke.

Ein Lächeln schleicht sich auf meine Lippen und ich sehe wieder auf das leere Feld, fahre mit meinem Blick die weißen Linien nach. "Ich bin schwul.", spreche ich das erste mal in meinem Leben aus. Es fühlt sich an, als würde eine Last von meinen Schultern fallen. "Hast du das grade zum ersten Mal ausgesprochen?" Seine Stimme klingt sanft, gibt mir ein sicheres Gefühl. Ich nicke langsam. "Gibt es dafür einen Grund? Würde deine Familie das nicht akzeptieren? Oder deine Freunde?", fragt er weiter.

Ich lasse meinen Blick auf das Footballfeld gerichtet. "Sie würden es akzeptieren. Sie lieben mich, so wie ich bin. Und wenn ich einen Menschen liebe, dann werden sie ihn auch lieben. Aber hundertprozentig weiß man das ja nie.", gebe ich zu. Ich sehe aus dem Augenwinkel wie Mr. Bane verstehend nickt. "Weißt du, als ich mich damals vor meinen Eltern geoutet habe, war das wahrscheinlich der schwerste und aufregendste Moment in meinem Leben. Ich hatte die selben Gedanke wie du, aber auch eine kleine Stimme, die mir das Gegenteil einreden wollte.", erzählt er.

Nun sehe ich ihn an. "Was ist passiert?", frage ich neugierig. "Wir saßen zu dritt auf der Couch und ich habe es einfach gesagt. Ohne drumherum zu reden. Ich habe einfach ausgesprochen 'Ich bin schwul'. Es war kurz still und dann hat mein Vater mich überrascht. Vor seine Reaktion hatte ich am meisten angst. Und er meinte dann nur 'Ich wollte sowieso immer zwei Söhne haben'.", er grinst.

Auch ich grinse. "Das war eine gute Reaktion.", stimme ich zu. Mr. Bane nickt. "Ich kenne deine Eltern nicht, aber sie werden sicher ähnlich reagieren. Wenn man Kinder bekommt, dann muss man mit sowas rechnen.", erklärt er. Ich nicke. "Danke. Das macht es mir vielleicht leichter.", gebe ich zu. Er stößt seine Schulter leicht an meine. "Danke, für dein Vertrauen Alexander."

Verbotene LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt