Kapitel 7: Zwischen Himmel und Hölle

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Ich drehte die Klinge in meiner Hand und beobachtete, wie sich mein Badezimmerlicht darin spiegelte. Sie sah so unbeschmutzt und rein aus, fast schon unschuldig und langweilig eintönig.  Doch sie wartete nur drauf, sich mit dem Blut dummer Leute zu beschmutzen. Jemand wie ich.

Vielleicht sollte ich ausprobieren, wie viel schöner sie aussieht, wenn sie mit einer roten Spur überzogen ist. Wie schön sich das Licht in dem roten See auf dem silbernen Untergrund spiegeln würde.

Ich setzte probehalber meinen Daumen mit leichtem Druck auf die Schneide. Sie war sehr scharf. Wie schön leicht sie durch meine Haut gleiten würde, wenn man sie geschickt führte. Ich lächelte versonnen. Ja, das war ein schöner Gedanke.

Schnell ließ ich Wasser in die Badewanne ein entledigte mich endlich von meiner Hose und stieg in das lauwarme Wasser. Die Klinge legte ich auf de  Wannenrand. Genießend ließ ich mich tiefer ins Wasser sinken und schloss die Augen. Das Wasser erwärmte meinen Körper von Außen, doch mein Innerstes erreichte es nicht. Darin blieb es dunkel und kalt.

Nachdenklich sah ich auf meine Beine. An ihnen war kaum noch ein Gramm Fett dran. Ich mochte den Anblick aber auf der anderen Seite lief mir ein kalter Schauer über den Rücken. Es war mein Werk, dass sie so aussahen. Ein Blick auf meine Arme und mein Oberkörper verriet mir das es dort ähnlich aussah. Einzig einen leichter Muskelansatz konnte man erkennen.

Plötzlich überkam mich ein großer Ekel mir gegenüber. Ich war Schuld, dass ich aussah wie ein Skelett! Nur ich! Ich war hässlich wenn ich Fett hatte und hässlich, wenn ich keines hatte. Konnte ich eigentlich überhaupt irgendetwas? Ich konnte ja noch nichtmal gut aussehen, wie sollte ich da bitte bei einer Meisterschaft antreten?! Wie konnte sich Hobi jemals mit jemanden wie mir abgeben? Und meine Großeltern erst!

Die Wut mir gegenüber steigerte sich ins unermessliche und ohne es zu merken, hatte ich meine Nägel in meinen Arm gebohrt. Doch der physische Schmerz half nur begrenzt gegen das Chaos und die Wut in meinem Inneren. Wie in Trance griff ich nach der Klinge auf den Wannenrand und zog sie einmal leicht über meinen linken Arm.

Erleichterung macht sich in mir breit, sobald ich den Schmerz spürte. Endlich war die Klinge nicht mehr so steril und eintönig. Sie war schöner geworden, nicht so wie ich.

Ich war niemandem etwas wert. Nicht meinen Eltern, die mich nicht wollten, noch meinem einzigen Freund, der mich fallen ließ und auch nicht meinen Großeltern. Für die war ich nie der schöne, starke Enkelsohn gewesen, den sich sich wünschten. Was konnte ich überhaupt? Ich konnte ganz passabel tanzen und das wars. Höchstens noch anderen eine Last sein. Nichts bekam ich richtig hin.

Gefangen in meinen Gedanken merkte ich gar nicht, wie ich mir noch öfters in den Arm schnitt und sich meine Hand irgendwann bis zu meinem Handgelenk runter bewegte. Erst als ich einen starken, ziehenden Schmerz wahrnahm, erwachte ich aus meiner Gedankenwelt und blickte auf meinen Arm.

Ich hatte noch öfters in meinen Arm geschnitten. Kurze und längere, tiefere und nicht so tiefe Schnitte ziehrten meinen Arm. Doch der größte Schnitt war an meinem Handgelenk, über der Pulsader

Ich sollte geschockt darüber sein, dass ich dabei war zu sterben. Doch alles, was ich fühlte, war Leere und ein Funke Zufriedenheit. Vielleicht war das der richtige Weg und ich könnte endlich glücklich sein.

Ich ließ mich tiefer ins Wasser sinken und schloss friedlich die Augen. Hoffentlich würde jetzt alles Gut werden...

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Als ich meine Augen wieder öffnete, befand ich mich im Nichts. Alles war schwarz im mich herum und als ich an mir runter blickte, sah ich nichtmal meinen Körper. Langsam sinkerten die letzten Ereignisse in mein Bewusstsein und realisierte, dass ich eigentlich tot sein müsste. War das der Himmel? Wenn ja, war es hier sehr dunkel. Also konnte es nicht der Himmel sein, vielleicht etwas davor weil in meinem Körper war ich nicht mehr. Diesen spürte ich nicht mehr. Aber wenn das hier wirklich das zwischen Leben und Himmel war, musste hier doch irgendetwass ein, so wie es alle immer beschreiben. Hier kann doch nicht einfach... Nichts sein.

Also begann ich mich irgendeine Richtung zu bewegen.

Ich weiß nicht, wie viel Zeit vergangen war. Weder seit ich 'gestorben' war, noch seit wann ich durch die Schwärze irrte. Ich sah und fühlte nicht. Weder Schock durch meinen Selbstmord, noch Panik wegen dieser schier endlosen Schwärze hier. Ich blickte überraschend neutral auf meine Situation, so als wäre mir alles Folgende egal.

Da sah ich plötzlich Licht in der Ferne meiner Schwärze. Doch es war nicht der so oft beschriebene, helle Tunnel. Es war eher wie eine große, weitläufige Fläche, die sich über die gesamte Breite meines Sichtfeldes erstreckte. Und je näher ich kam, desto heller und größer wurde sie.

Doch als ich dort ankam war nicht alles kompeltt weiß, wie von weiter weg anzunehmen war. Schemenhaft zeichnete sich etwas ab, etwas nicht wirklich definierbares. Jetzt etwas neugierig geworden, kam ich näher.

Fallen Angel - YoonminWhere stories live. Discover now