Tamino Teil 2

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Selbst um diese Uhrzeit war es schon verdammt stickig in dem kleinem Büro. Leyna riss das Fenster auf und atmete erleichtert die frische Luft ein, die das Zimmer flutete und den Papierstapel bedrohlich wehen ließ. Der Wind zupfte an ihrem braunem Haar, mit dem immer dunkler werdenden Farbverlauf. Ihr von Natur aus sturer Blick glitt über den kleinen Garten, den sie von ihrem Posten aus sehen konnte. Ein Gärtner kümmerte sich trotz der frühen Morgenstunden schon um das kleine Gemüsebeet. 

Gerade goss er es mit einer Gießkanne, die schon leicht rostete und summte dabei vor sich hin. Er schien Spaß an seinem Job zu haben. Leyna stützte ihre Ellenbogen auf dem Fensterbrett ab und platzierte ihren Kopf auf ihren Händen. Ihr entwich ein Gähnen. Ihr Bruder ließ ihr kaum Zeit zu schlafen, ständig agierte er in der Nacht, was auch sie dazu zwang, wach zu sein. Nun war er wenigstens hinter Gitter und bald würde er nicht mehr als eine Legende sein.

Ein Windstoß fegte einige Blätter vom Ebenholztisch und diese segelten wie in Zeitlupe zu Boden. Für eine kurze Weile genoss die Chefin der UJG die Ruhe, bevor sie sich quälend langsam wieder an ihren Tisch setzte. Der ganze Stapel musste noch abgearbeitet werden. Es handelte sich um Zeugenaussagen, Beschwerden und Bitten der Bürger. Die Meisten bezogen sich auf Luzifer.

Antworten wurden von Leyna erwartet und das zügig. Ungeduld gehörte zu einer der Schwächen des Dorfes. Sie griff nach dem ersten Blatt und erwartete einen doppelseitigen Brief, doch da irrte sie sich. Auf dem zerknitterten Pergament war eine Zeichnung von Karan. Sie war erstaunlich gut getroffen. Das lag nicht daran, dass der Künstler das zerzauste Haar Luzifers oder seine Augen gut getroffen hatte, sondern an den Details.

Ein Kratzer zog sich über seine Stirn, seine Augenbrauen waren schmal. Am besten war aber, wie gut der verhasste und vor allem wahnsinnige Blick gezeichnet wurde. So gut, dass Leyna sich regelrecht fürchtete in die Augen des Bildes zu sehen, obwohl es nur eine schwarz-weiß Zeichnung war.

Erinnerungen krochen tief aus ihrem Inneren hoch. Erinnerungen an die Nacht, in der ihr kleiner Bruder ihre Eltern tötete. Er war acht gewesen, sie zehn. Es hatte keine Vorzeichen gegeben, Karans Wahn war aus dem Nichts gekommen.

Ihre Eltern hatten ihn geliebt. Vor allem ihr Vater. Er hatte Karan privaten Unterricht gegeben und versucht so viele Wünsche wie möglich zu erfüllen. Luzifer hatte alles ruiniert! Ehe Leyna sich versah, zerknüllte sie die perfekte Zeichnung einfach und atmete erleichtert aus, froh dem Bann ihrer Erinnerungen entkommen zu sein. Sie legte die Kugel beiseite und nahm sich das nächste Blatt.

Diesmal war es wirklich ein Brief. Ihr prüfender Blick fuhr erst einmal über den Absender. „Logan Ghab?", murmelte sie nachdenklich und ging die Bewohner im Kopf durch, bis sie sich an den Namen erinnerte. Er gehörte zu einem Jungen, etwa 15 Jahre alt. Viel wusste sie ansonsten nicht über ihn. Nur das er oft Schule schwänzte, aber das war jedem hier bekannt. Leyna strich über den Zettel und überflog ihn. Es war eine Beschwerde, dass sich die UJG zu wenig engagierte und sich mehr auf die Verfolgung der Schattenbändiger konzentrieren sollten, als auf anderen Kram. Schnell war eine Antwort geschrieben.

Sehr geehrter Herr Ghab, wir geben unser Bestes, die Umbritor aufzuspüren und zu vernichten. Jedoch können Sie nicht Perfektion von uns verlangen, schließlich steht hinter der UJG eine Gruppe an jungen Leuten, die ihr Bestes geben. Ihre Sorgen sind natürlich verständlich, aber ich versichere ihnen, dass wir auch noch die letzten beiden Umbritor töten werden.
Bis dahin könntest du mal wieder mehr die Schule besuchen, vielleicht kannst du dann auch einmal einen Tag hier verbringen und sehen, wie hart wir arbeiten

Liebe Grüße, Leyna Lorz (Leiterin der UJG)

Leyna legte die Feder ordentlich beiseite. Damit sie den Tisch nicht verdreckte, legte sie ein Stück Papier unter die Spitze des Schreibwerkzeugs.
Sie legte das Blatt neben den großen Stapel und sah über ihre Schulter aus dem Fenster. Ein drückendes Gefühl belästigte sie schon den ganzen Morgen. Sie dachte zuerst, es lag an Luzifers Einbruch in die Zentrale, doch selbst jetzt war das Grummeln nicht verschwunden.

Farbspiel der ZerstörungTempat cerita menjadi hidup. Temukan sekarang