feurige Annäherung Teil 2

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Ich verabschiedete mich von Socium, strich ihm ein letztes Mal über die Nüstern, dann verschmolz er mit den Schatten der Bäume.
Ich würde ihn vermutlich in der nächsten Zeit kaum wiedersehen, damit mich niemand erwischen konnte, wenn ich an seiner Seite war. Ich hatte das Gefühl, der Boden bebte unter meinen Schritten.

Ich genoss den Wind.
Einige Sonnenstrahlen schienen über die Schule hinweg zu mir. Ich war die ganze Nacht unterwegs gewesen, stellte ich fest.
Ich lief auf das imposante Gebäude in Würfelform zu, obwohl ich lieber einfach wieder umgedreht wäre, um mir die ganze Tortur zu ersparen.

„Kurz rein, schnell das Buch finden und wieder verschwinden. Das dauert nicht mehr als ein paar Tage.", führte ich ein Selbstgespräch. Ich irrte mich wirklich selten, aber diese Aussage war definitiv falsch. Ein Blatt segelte von einem Baum und landete auf meiner Schulter.
Wer war eigentlichauf die Idee gekommen, eine Schule mitten in einem verdammten Wald zu errichten? Ich seufzte.

Wenigstens war er nicht sehr dicht. Stumm strich ich mir das handförmige Ahornblatt von meinem Kreuz. Es leuchtete schon in einem rötlichen Schimmer. Der Herbst rückte immer näher und somit auch der Winter. Das war normalerweise die Zeit, in der ich am aktivsten war.

Die schneeige Jahreszeit wurde sowieso schon gefürchtete, da mischte ich gerne noch mehr auf.
Plötzlich lief mir ein Schauer über den Rücken. Ich hielt inne und spürte wie alle meine Muskeln sich verspannten und meine Augen zuckten hin und her. Meine Beine waren ganz steif und meine Fingerkuppen kribbelten.
„Wer ist da?", presste ich aus meinen trockenen Lippen hervor und befeuchtete sie rasch. Der Wind frischte auf und wehte mir kalt ins Gesicht. Wie zu erwarten kam keine Antwort, doch ich war mir sicher, dass irgendwo hinter den Bäumen jemand lauerte.

Freund oder Feind war schwer zu sagen, aber ich tendierte zu Zweiteres, denn Freunde hatte ich eigentlich keine.

Außerdem war sowieso jeder mit mir verfeindet. Oder ich mit jedem.
Das konnte man sich zurecht biegen, wie man wollte. Ich dachte an Odi.
Ob er das war? Nein. Er würde es nicht riskieren, mit mir gesehen zu werden. Oder wollte er, dass ich endlich meine Schulden beglich? Ich stelle ihn mir in einem strengen Anzug vor, wie er mich formell daran erinnerte. Okay, das war wirklich albern. So ein Typ war Odi nicht.

Aus dem Nichts verschwand dieses unbeschreibliche Gefühl. Dafür entdeckte ich in dem Schatten der Bäume einen Zettel.
See you soon, Karan. Or let me say it otherwise: Finde me! Ich runzelte die Stirn. „Wir sehen uns bald, Karan. Oder lass es mich anders sagen: Finde mich.", übersetzte ich.
Mein Vater hatte mir etwas Englisch beigebracht. Ich hätte nie gedacht, dass mir das mal helfen würde. Ich schüttelte den Kopf. Gerade war ich auf der Suche nach etwas anderen.

Wer auch immer das war, konnte warten. Beunruhigend war nur, dass die Person meinen Namen kannte und wusste wer ich war, sonst würde sie sich vermutlich nicht so zurückhalten.
Sie oder er war also schlauer als die meisten Menschen.
„Ich habe es bald geschafft, Odi.", flüsterte ich und zerknüllte den Zettel. „Bald ist es vorbei."

Ich blickte in den Morgenhimmel. Kleine Wolkenbündel zogen über ihn, sahen wie eine Schafherde aus.
Der Wind strich mir zart übers Gesicht und ich atmete lächelnd aus. Die Sonne wärmte mir den Rücken. Ich näherte mich mit straffen Schritten der Schule. Mal sehen, ob mein Plan aufgehen würde oder der ganze Weg umsonst war. Es war gut möglich, dass alles sofort aufflog, weil ich einfach schon zu bekannt war.

Es hing ganz davon ab, wie isoliert die Schule wirklich war, wie viel die Schüler von der Außenwelt mitbekamen. Nervös war ich trotzdem nicht.
Falls alles schief ging, würde ich einfach ein paar Schüler oder Lehrer erpressen. Also nichts Neues.

Vor dem weißem Gebäude blieb ich aber noch einmal stehen, sog die Luft ein und schob die Tür auf. Innen sah es viel gemütlicher aus, als das kahle Gebäude von außen vermuten ließ.
Der Boden war aus hellem Holz, die Wände waren in verschiedenen Farben gestrichen.
Von Rot bis Grün war alles dabei. Viele Fenster ließen das natürliche Licht herein, welches den Staub, der in der Luft schwebte, zeigte.

Farbspiel der ZerstörungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt